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Ausgabe:

1907 Nr. 18

Spalte:

514-517

Autor/Hrsg.:

Dennert, E.

Titel/Untertitel:

Vom Sterbelager des Darwinismus 1907

Rezensent:

Rolffs, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 18.

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man doch ,zu einer vollkommen ficheren und zweifelsfreien
Abgrenzung der jurisdiktioneilen Befugniffe beider
Teile durchgedrungen war'. Es folgen Unterfuchungen
über die in ihrer Zufammenfetzung immer exklufiver
werdende Synode, über die bifchöfliehe Vifitation, namentlich
aber über die bifchöf liehen Abgaben. Diefe zerfallen
in zwei Gruppen. Zu der einen gehören die von
der Geiftlichkeit erhobenen Steuern, nämlich die urfprüng-
lich in Naturalien zahlbare, dann mit Geld abgelöfte Pro-
kuration, ,eine Steuer vom Einkommen der geiftlichen
Stellen', für die ein beliebig zu verdoppelnder, ja zu
verdrei- und vierfachender Geldbetrag (procuratio simplex)
angenommen war, und das ,subsidium charilativum, eine
außerordentliche, wenngleich regelmäßig erhobene Steuer;
von beiden Abgaben kamen häufig Exemtionen vor. Die
andere Gruppe bifchöflicher Abgaben umfaßt die von
den Laien zu zahlenden Zehnten, die urfprünglich dem
Bifchöf generell in der ganzen Diözefe gehörten, mit
der Zeit aber teils durch freiwillige Vergabungen — ein
Drittel fiel feit dem 12. Jahrhundert allgemein den Pfarrern
zu — zufammenfchmolzen, teils, wie in den ,Neuen Landen
' und auf den markgräflichen Befitzungen, dem Bifchöf
bis auf ein feft fixiertes Hufengeld entfremdet wurden. —
Den Schluß diefes Kapitels bildet eine Erörterung über
die Archidiakone. Während die beiden der ,Alten Lande'
(Leitzkau und Brandenburg) dem Regularklerus angehörten
und von ihren Kapiteln gewählt waren, wurden
die vier der ,Neuen Lande' (Berlin, Bernau, Liebenwalde
und Stolpe) auf die Präfentation der Markgrafen vom
Bifchöf ernannt; fie trugen daher durchaus den Charakter
markgräflicher Beamten (Notare, Kapläne, Räte) an fich
und fahen in ihrem Amt mehr und mehr nur die einträgliche
Pfründe, die fie häufig auf Jahre oder gar Lebenszeit
verpachteten. Wie fich der Dualismus, das Nebeneinander
bifchöflicher und archidiakonaler Befugniffe in
der Jurisdiktion zeigt, fo auch in der Finanzverwaltung.
Gleich den Bifchöfen erhoben nämlich auch die Archi-
diakonen geifiliche Steuern. Die eine ift das aus den
synodalia, dem Recht auf den Nachlaß verdorbener
Pfarrer, erwachfene catliedraticum, auf das vorübergehend
aber vergeblich auch die Markgrafen Anfpruch erhoben,
in ganz ähnlicher Weife wie die deutfehen Kaifer ihr
Spolienrecht befaßen und verloren. Die andere Steuer
ift das der bifchöf liehen Prokuration entfprechende syno-
daticum. Catliedraticum und synodaticum, in anderen
Bistümern fynonyme Bezeichnungen für ein und diefelbe
archidiakonale Steuer, find aber in Brandenburg zwei
deutlich von einander gefchiedene Abgaben. In den
.Neuen Landen' fcheint endlich auch ein dem bifchöf-
lichen korrefpondierendes Hufengeld der Archidiakone
exiftiert zu haben.

Angehängt find dem flattlichen Bande ein diplomati-
fcher Exkurs über ,das Privileg Siegfrieds II. für das
Brandenburger Domkapitel' und ein geographifch-hißori-
fcher ,über den Lauf der Maffowe' fowie als urkundliche
Beilage in Tabellenform ,Regifter über Prokuration, Sub-
sidium und Hufengeld im Bistum Brandenburg' aus dem
16. Jahrhundert. Über das Fehlen eines alphabetifchen
Regifters wollen wir mit dem Verfaffer nach dem, was
er im Vorwort darüber fagt, nicht rechten, zumal das
ausführliche Inhaltsverzeichnis einen gewiffen Erfatz dafür
gewährt. — C. hat mit feinem Werke ein Mußer
dafür aufgehellt, wie die hißorifch-geographifchen und
die verfaffungsgefchichtlichen Probleme der Diözefanein-
teilung anzugreifen und daß fie gerade in enger Verbindung
miteinander am beßen zu löfen find.

Marburg. Edmund E. Stengel.

ennert, Dr. phil. E., Bibel und Naturwiffenfchaft. Gedanken
und Bekenntniffe eines Naturforfchers. Fünfte
Auflage. Stuttgart, M. Kielmann 1906. (XI, 321 S.) 8°

M. 4 — ; geb. M. 5 —

— Vom Sterbelager des Darwinismus. Ein Bericht. 4.-6. Taufend
. Ebd. 1905. (120 S.) gr. 8° M. 2—

— Dasfelbe. Neue Folge. 1.—3. Taufend. Ebd. 1905.
(134 S.) gr. 8° M. 2 —

— DieWeltanTchauung des modernen Naturforfchers. Ebd. 1907.
(345 S.) gr. 80 * M. 7 geb. M. 8 —

Dennert hat in rafcher Folge eine Reihe von apolo-
getifchen Schriften erfcheinen laffen, in denen er die
Weltanfchauung der Bibel gegen den Darwinismus zu
verteidigen bemüht iß. Er wendet fich dabei lediglich
an Lefer, die durch die moderne Naturwiffenfchaft in
ihrem chrißlichen Glauben fich beunruhigt fühlen; dagegen
will er feine Anfchauungen niemandem aufdrängen
, der in einem ungebrochenen Bibelglauben feine
Befriedigung findet. Er lehnt nämlich mit aller Ent-
fchiedenheit die Verbalinfpiration ab und desgleichen
eine Infpiration rein gefchichtlicher Berichte und natur-
wiffenfchaftlicher Bemerkungen der Bibel. Das fetzt ihn
inßand, mit den modernen Chrißen einen weiten Weg
Hand in Hand zu gehen; aber er fcheidet fich von ihnen
durch unerbittliches Feflhalten an der Gottheit Chrißi.
Um daran feflhalten zu können, muß man nach feiner
Anficht mit der Allmacht Gottes Ernß machen; wer von
dem rein natürlichen Kaufalgefchehen nicht loskommen
kann, .bleibt bei dem Heros Chrißus flehen' (S. 6).
Ganz verfländlich iß diefer Schluß nicht, wie es mir
denn überhaupt nicht ganz klar geworden iß, was der
häufig wiederkehrende Ausdruck ,mit der Allmacht
Gottes Ernß machen' befagen foll, wenn man darunter
nicht wie die Nominalißen eine fchrankenlofe Willkür
verßehen will.

Diefe fubjektiven Vorausfetzungen bleiben nicht ohne
Einfluß auf Dennerts Darlegungen. Im erflen Abfchnitt
fpricht er über die geficherten Ergebniffe der Natur-
wiffenfehaften und zwar zuerß über ,die Grundlagen der
Naturwiffenfchaften und der Religion der Bibel' und dann
über ,die Ziele der Naturwiffenfchaften und der Religion'.
Indem er das Weben des Glaubens und des Wiffens unter-
fucht, kommt er zu dem bedenklichen Satz: ,DasWiffen
iß und bleibt immer ein mehr oder weniger ßarkes
Glauben bezw. jedes Glauben iß im Grunde ein mehr
oder weniger ficheres Wiffen'. Dabei wird nicht berück-
fichtigt, daß in jedem Glauben notwendig ein beßimmtes
Urteil über den Wert des Geglaubten enthalten iß,
während das Wiffen um fo ficherer iß, je weniger es
von Werturteilen durchfetzt iß. Dennert macht aus
dem Glauben eine befondere Art des Wiffens, das fich flatt
auf finnliche Wahrnehmungen auf innere Erfahrungen
gründet. Von hier aus kommt er zu der durchaus
fchiefen Behauptung: was in der Religion die Dogmen
feien, das feien in der Wiffenfchaft die Hypothefen, als
ob nicht vielmehr umgekehrt diefe dazu nötigen, Tatfachen
und Zufammenhänge zu ermitteln, durch die ihre
Richtigkeit bewiefen wird, während jene ein- für allemal
feßßehende Wahrheiten find, die man gelten laffen muß,
auch ohne daß fie bewiefen find oder fich beweifen
laffen. — Um fo bereitwilliger wird man dem Verf.
folgen, wenn er feßßellt, daß Naturwiffenfchaft und Religion
ganz verfchiedene Ziele haben und nur an den
Grenzen miteinander in Berührung treten können.

Das Schwergewicht der Schrift liegt in der Erörterung
über ,die Grundwahrheiten der Bibel und die
Naturwiffenfchaften'. Im erflen Abfchnitt wird der Gottesbegriff
behandelt. Der teleologifche und der kosmologi-
fche Gottesbeweis wird in vorfichtiger Form erneuert
Gegenüber dem Darwinismus, der die Entßehung der