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Ausgabe:

1907 Nr. 1

Spalte:

507-509

Autor/Hrsg.:

Koch, Hugo

Titel/Untertitel:

Die Tauflehre des Liber de rebaptismate 1907

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 18.

Währung willen für ihre Verbreitung in Deutfchland
eintritt. So fehr ich diefe Ritterlichkeit zu fchätzen
weiß, in diefem Fall finde ich fie verfchwendet. Von
,Kunft der wiffenfchaftliche Methode' finde ich gar
nichts in dem Buch, wohl aber eine Ahnungslofigkeit
der Methode, wie fie heute nur in den Kreifen der
affyriologifchen Altteftamentler ihres Gleichen findet.
Man fetzt bei den ,dunkeln und fchwierigen' Stellen ein,
entdeckt darin Geheimniffe aller Weltreligionen, und beleuchtet
dann alles Einfache und Klare mit diefem neuen
blendenden Licht. Wenn Schmiedel urteilt, bei noch
fo kühnen Kombinationen finde man hier doch immer
den Eindruck eines wohlfundierten Baues, der ganz nach
denfelben Gundfätzen errichtet ift, wie die anerkanntesten
Beweisführugen, fo befchleicht mich einige Angft für die
Lebensdauer einer Wiffenfchaft, die fich diefen Vergleich
gefallen laffen follte. Denke ich aber, daß nun gerade unfer
NT. fich für diefen wiffenfchaftlichen Sport mit erkünstelten
Problemen und erkünstelten Löfungen hergeben
foll, ein Buch, aus dem nun wirklich etwas ganz anderes
zu gewinnen ift, fo tut es mir leid um die Freude, die
wir durch die Beförderung folcher Elaborate unfern theo-
logifchen Gegnern bereiten.

Bafel. Paul Wernle.

Koch, Prof. Dr. Hugo, Die Tauflehre des Uber de rebap-

tismate. Eine dogmengefchichtliche Unterfuchung.
Braunsberg Oftpr., Benderfche Buchhandlung in
Komm. 1907. (62 S.) gr. 8° M. 1 —

Einer der tüchtigsten Kirchenhistoriker unter den
deutfchen Katholiken hat hier wieder einmal den pfeudo-
cyprianifchen Traktat de rebaptismate, der bekanntlich
den Standpunkt des Cyprian in der Ketzertauffrage entschieden
ablehnt, zum Gegenstand feiner Studien gemacht.
Nicht nach der literargefchichtlichen Seite, wo m. E.
die Wiederaufnahme der Arbeit fich auch verlohnt, fondern
lediglich von einem dogmengefchichtlichen Intereffe
aus. Das Heft ist auffallend mangelhaft gedruckt, auch
der Stil nicht ganz frei von Härten. Sonst verdient die
Studie alle Anerkennung; denn bei den Thefen Emsts
über die Tauflehre des Anonymus durfte es fein Bewenden
nicht haben, fo wenig wie bei dem stark fcho-
laftifch gefärbten Widerfpruch Becks gegen Ernst.

Koch kämpft gegen beide; die Fehler im Beweisverfahren
Becks, der den An. zu einem gefcheiten Vertreter
der orthodoxen Sakramentslehre machen will, deckt
er klar auf. Aber noch mehr liegt ihm daran, die Un-
wahrfcheinlichkeit von Ernfts Grundgedanken aufzuweifen,
wonach in de rebapt. der christlichen Waffertaufe jeder
Heilswert abgefprochen, fie vielmehr mit der Johannestaufe
gleichgestellt würde, und es erft der Firmung —
die mit der Waffertaufe zufammen einSakrament bildet —
zustände, fie heilswirkend zu ergänzen, wofern Gott nicht,
wie beim Martyrium, auf außerordentlichem, nichtfakra-
mentalem Wege, natürlich immer nur innerhalb der Kirche,
die Ergänzung zuwege bringt. Der Fehler von Ernfts
Ergänzungstheorie wird richtig bestimmt: derErgänzung
unbedingtbedürftigift nach unferm An. nur dieKetzer- oder
Schismatiker-Taufe. Aber eben nur ergänzt, nicht wiederholt
foll fie werden. Man könnte ja auch innerhalb der
Kirche von einer Ergänzung fprechen, infofern der Regel
nach die bifchöfiiche Handauflegung den Getauften den
h. Geist vermittelt {episcopus Spiritum s. solitus est lar-
giri), aber zur Seligkeit notwendig ift dies nicht, fchon
weil es nicht immer Schuld des Getauften fein wird,
wenn folche Ergänzung unterbleibt. Dagegen ift es fein
Verfchulden, wenn er, außerhalb der Kirche getauft,
nicht dahin zurückkehrt, wo allein Heil und Gottesgeist
gefunden werden und wohin ihn die Taufformel, insbe-
fondere die Anrufung des Namens Jefu, verwiefen hat.
Ohne Glauben, d. h. ohne Buße und gläubige Anerkennung
der wahren Kirche gibt es kein Heil.

Es freut mich, daß Koch fich nicht von Beck ver-
j leiten läßt, die drei Schlußkapitel als fpätere Zutat zu
j dem Traktat de rebapt. fortzugeben; Kochs Urteil über

die Schwächen in der Darfteilung unfers Verfaffers, die
I Zweideutigkeit feiner Formeln, die das Auspreffen eines

pointierten Ausdrucks bei ihm unbedingt verbietet, über
1 feine allgemeine religiös-kirchliche Position, fpeziell über

feine Abhängigkeit von Tertullian treffen genau das

Richtige.

Im einzelnen würde ich den Protest gegen Ernft
etwas anders ausfprechen. Ob man gut tut, für den
Anon. Firmung und Taufe als ,nicht ein, fondern zwei
Sakramente' (S. 60) zu definieren? Während doch Koch
ganz richtig ausgegangen ift von der ,dreifachen NTlichen
Geistestaufe', die nach dem Anon. die ATlichen Wafchun-
gen und die Interimstaufe des Johannes abgelöft hat, als
die im Grunde einheitliche Veranstaltung für die reelle
Auslieferung des Heils an den Gläubigen. Und dürfen
wir den Satz von Koch, der Menfch könne ohne die
Gnade des hl. Geiftes, ohne den hl. Geift empfangen
zu haben, feiig werden, unferm Anonymus zutrauen?
Trotz des Appells an halbwegs klaren Verstand (Koch
S. 41) vermag ich in der entfcheidenden Stelle c. 4
{ed. Härtel p. 74) nicht die Einfügung einer Negation
zu bewilligen, lehne fie vielmehr aufs fchärffte ab:-der
Verf. nimmt als allerfeits zugestanden gerade das an, daß
man ohne den hl. Geift nicht feiig wird. Wozu denn
auch der ganze Eifer um die NTliche Geistestaufe,
wenn das Heil zur Not auch am Geiste vorbei erreicht
werden kann? Hier hat felbft Koch zu fehr fich auf den

I Buchstaben einer Stelle, non adeptus spiritum sct., defrati-
datus gratia Spiritus scti verlaffen, wo der Autor offenbar
nur an die fpezielle Mitteilung des Geiftes mittelft Handauflegung
denkt. Seine Meinung bleibt doch klar beftehen
in feinem Wort c. 10: salus uostra in baptismate Spiritus
est coustituta; und wenn, wie bei der Taufe außerhalb der
Kirche ficher, aber z.B. auch in der Kirche möglicherweife
, falls ein niederer Kleriker die Taufe vollzieht und
die Firmung verfchoben werden muß, die operatio salutis
nicht fogleich eintritt, dann muß die Taufe eben entweder
von uns — beim Schismatiker durch Buße und
Glauben — ergänzt oder — fo beim per necessitatcm
baptizatus innerhalb der Kirche—die Ergänzung dem
Herrn vorbehalten werden.

Eine leere Form würde der Anon. die Taufe auch beim

| Ketzer nie genannt haben. Dazu glaubt er viel zu stark an
die magifche Kraft des bei der Taufe angerufenen Namens
Jefu; fein per aquam lavari corpora neben fide emundari
corda, spiritu ablui animas (c. 18) bedarf nicht erft der
Entfchuldigung, die Koch S. 55 f. fucht, um der ungeheuerlichen
Idee zu entgehen, als würde nach diefer Stelle
durch die Waffertaufe lediglich der Leib des Menfchen
gewafchen, weiter nichts (S. 54). Die invocatio Hominis
Jesu, wie hier Ernft mit Recht es festhält, ift doch etwas,
was bei allen Taufen, deren Gültigkeit überhaupt zur
Debatte fleht, übereinstimmend stattfindet und über die
lavatio corporum weit hinaus reicht: der Verf. will nur
fagen, daß zu der heilswirkenden Taufe des Evangeliums
dreierlei gehört, Glaube, Geift und Waffer, daß aber das
Blut (des katholifchen Märtyrers) im Ausnahmefall von
Gott angenommen werde als die Vereinigung von jenen
dreien, fonft möglicherweife zu verfchiedenen Fristen auf
einander folgenden Taufftücken.

Ich würde noch ein wenig mehr, als es bei Koch
gefchieht, den Urfprung der Tauflehre unfers Anonymus
betont haben. Er fchafft fich diefe Lehre ja

j nicht erft im ruhigen Studium der Quellen oder in fyfte-
matifchem Durchdenken der kirchlichen Dogmatik; fondern
weil ihm a priori feststeht, daß die Kirche an ihrem

I Grundfatz: ,keine Wiedertaufe'! festhalten muß —-jetzt am

I allermeisten, wo man fieht, daß eine andere Praxis die Bekehrung
der Schismatiker ganz aussichtslos macht —, fucht
er fich aus den NTlichen Worten über die Taufe das Material