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Ausgabe:

1907 Nr. 18

Spalte:

501-503

Autor/Hrsg.:

Techen, L.

Titel/Untertitel:

Das Targum zu den Psalmen 1907

Rezensent:

Bacher, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 18.

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führte (Einrichtung des Kultes des Dod Selem und feines
weiblichen Gegenftückes Ariel-Asera, vgl. Jef. 17,12—14
29,1fr. Mich. 5,1 ff: rtyai» = die Gottheit Seba'l Polemifch
dagegen Jef. 28,14-22' 29,2f. 15 30,1fr. 27 (gegen Asera!)
33,7 f. 22,ig-i8). Mit Afarhaddons Eingreifen aber brach
diefer Kanaanismus wieder zufammen. Manaffe ,bekehrte
fich'! Der Umfchlag unter Jofia, deffen Gefetz fich als
die zur praktifchen Durchführung des hiskianifchen Ge-
fetzes erlaffenen Ausführungsbeftimmungen darfteilt, bedeutet
die Eroberung des Landes für das Hebräertum
mit dem Jahwismus als Wertbefitz. Zwar erfolgt mit
der ägyptifchen Herrfchaft unter Eljakim (fo habe Jofias
Sohn als König geheißen) noch einmal feine Abfchaffung
zu Gunften einer kanaaniftifchen Epifode, aber bloß einer
vorübergehenden. Als Jerufalem untergeht und dem baby-
lonifchen Judentum die Aufgabe zufällt, den Wertbefitz
des Hebräertums zu retten, war fo viel erreicht, daß die
Weltreligion des Judentums die politifche Unterftrömung
des Zionismus in ihr Syriern aufnahm. Weltgefchichtlich
betrachtet ift diefes Syftem eines der rivalifierenden Weltkörper
, die, als Babylons Stern im Untergehen war, aus
feiner fich auflöfenden Weltbildmaffe in aller Welt ent-
ftanden.

In einem letzten Kapitel fucht E. auf die Frage nach
den Grundlagen des jüdifchen Religionsfyftems noch die
gefchichtsphilofophifche Antwort. Der Punkt, von dem
aus es fich aufrollen laffe, foll die Feftgefetzgebung mit
den ihr zu Grunde liegenden Anfchauungen fein: der
mofaifche Dekalog kennt nur den Sabbath, die gefamte
Jahresfeftgefetzgebung ift alfo nicht mofaifch, fondern
kanaaniftifch, d. h. eigenartig altorientalifch, ein Kompromiß
zwifchen fichemitifcher und oftjordanifcher Überlieferung
. Nun befteht Macht und Wert des jüdifchen
Syftems darin, daß es eine Mifchung aus Mofaismus und
Kanaanismus ift. ,Stellt der mofaifche Dekalog die erfte
unmittelbare Erfaffung des Gotteswillens dar, fo fprach
aus dem Kanaanismus . . . das gefamte menfchliche
Hoffen und Sehnen . . . man fah an den Sternen und
am Samenkorn Geburt und Tod und Auferftehung. Man
ahnte, hoffte, daß fo auch des Menfchen Kreislauf fein
müßte.'

So weit Erbt. Eine Auseinanderfetzung mit diefer )
Gefchichtsdarftellung ift auf dem befchränkten Räume
einer Anzeige an fich kaum möglich und erft recht
nicht, fo lange man in der Bewertung der atl. Quellen
auf entgegengefetztem Standpunkte fteht. Übrigens blickt
E. im Bewußtfein feiner (Feftftellung großartiger, weitblickender
, die Wirklichkeit voll erfaffender Gefichtspunkte'
(S. 71) fo mitleidig auf ,die Zickzacklogik der modernen
religionsgefchichtlichen Betrachtung' (S. 135), daß ihm
eine Kritik von folcher Seite fchwerlich viel fagen könnte.
Für den Andersdenkenden liegt fchon in der gedrängten
Überficht, die wir im Obigen über feine Gefchichtskon-
ftruktion zu geben verfucht haben, ein gutes Stück Kritik.
Der Referent ift verfucht fie in der Lofung zufammenzu-
faffen: Von Winckler zurück zum Alten Teftament!

Bafel. Alfred Bertholet.

Techen, Gymn.-Prof. Dr. L., Das Targum zu den Pfalmen.

2 Teile. (Progr.) Wismar 1896. 1907. (50 u. 59 S.) gr. 8°

Der erffe Teil diefer Arbeit war im Jahre 1896 ebenfalls
als Beilage zum Wismarer Schulprogramm erfchienen
(50 S.); das dort dargebotene Material wird hier methodifch
verarbeitet. Das Material beffeht in einem aus drei alten
Ausgaben des Pfalmentargum zufammengeftellten Varianten
-Apparat. Es find das die Bombergfche Bibelausgabe
vom Jahre 1518, das Pfalterium des Juftinianus (Genua 1516)
und die Antwerpener Polyglotte (Regia). Techen hat diefe
drei Texte des Pfalmentargum mit Zugrundelegung des
erftgenannten, in Lagardes Targumausgabe wiederholten,
forgfältig kollationiert und dabei eine überrafchend reiche
Fülle von Varianten zutage gefördert. Jetzt veröffentlicht

er in gut disponierter Form die Bearbeitung feines Materials
und gelangt zu folgenden Ergebniffen (S. 9): Der
Text von v') kann an einigen Stellen aus den beiden
anderen Ausgaben verbeffert werden; das Targum ift
nach dem hebräifchen Texte korrigiert, die Korrekturen
aber find noch nicht gleichmäßig in alle drei Texte eingedrungen
; der Umfang des Textes hat noch keinen
feiten Stand erreicht, der Sprachgebrauch ift auch bei
der Wahl der Worte fchwankend; es Hellt fich eine
nähere Verwandtfchaft zwifchen v und n heraus. Es find
das zum Teile diefelben für die Gefchichte des Targum-
textes wichtigen Ergebniffe, die ich meinen ,Kritifchen
Unterfuchungen zum Prophetentargum' (ZDMG XXVIII,
1—72) gefunden habe. Es ift hier nicht der Ort, die einzelnen
Abfchnitte der Techenfchen Arbeit näher zu beleuchten
. Nur im allgemeinen bemerke ich, daß er in
der methodifchen Darlegung des gegenfeitigen Verhält-
niffes der drei Targumtexte, die er verglichen hat, etwas
zu mechanifch vorgegangen ift. Ich glaube, es hätte
feiner Arbeit zum Vorteile gereicht, wenn er bei der
Beurteilung der Varianten die charakteriftifchen Eigentümlichkeiten
des Pfalmentargum, wie ich fie in meiner
vor fünfunddreißig Jahren2) erfchienenen Abhandlung
über dasfelbe in großen Zügen darlegte, zu Rate gezogen
hätte. Aber er fcheint prinzipiell oder vielleicht aus
äußeren Gründen die Heranziehung der Literatur über
feinen Gegenftand gemieden zu haben. Sonft wäre es
nicht zu verliehen, warum er nicht Levys Wörterbuch über
die Targumim benützt, in dem für das Pfalmentargum
auch die Lesarten einer Handfchrift aus dem Jahre 1238,
des Bibelkodex der Breslauer Stadtbibliothek, fleißig verwertet
find. —Von den Bemerkungen und Berichtigungen,
zu denen Einzelheiten Anlaß bieten, feien hier die wich-
tigften dargeboten.

S. 14, Z. 4. Techen erwähnt eine Erklärung Bubers
zu Midrafch Tehillim, Pf. 22, in der VDItt mit gr. yaga
erklärt wird; aber das Wort ift hebräifch (Hophai zu
ItSn). — S. 20 Z. 9. Wenn in r nach Jlüanni Xbl . Targum
zu iai-i Pf. 1401)) noch •ppbnoi gefetzt ift, fo ift
das nicht hinzugefügt', um den Gedanken klarer hervortreten
zu laffen,' fondern auf anderer Auslegung
beruhende zweite Überfetzung (,fie mögen befeitigt
werden'; die erfte Überfetzung bedeutet: ,fie mögen fleh
nicht erheben'). — Ebenfo fteht zu Pf. 4916 in r der

Satz insn sabya npbmb 13313-11 (ft. npbinb l. ipbinb)

nicht ,für Jiabyb'.in vn (S. 20, Z. 5 von unt.), fondern
es ift die zweite Überfetzung von isnpi (,er führte mich
zu meinem Anteile an der kommenden Welt, während
in der erden Überfetzung (,er lehrt mich1) das Verbum
als Denominativum von npb (Lehre) verftanden ift. —
S. 21, Z. 6 v. u. ib33X vor fcÜlBl» in r (Überf. von Qia»,
Pf. 890) ift unbedingt urfprünglich; denn diefes Wort
(= ayysXoi) ift für das Pfalmentargum (fowie das Hiob-
targum) charakteriftifch. — S. 23, 1. Z. Das fremde Ein-
fchiebfel im Targum zu Pf. 573 ift eine zweite Überfetzung
von 5614, die fehr frühe aus dem Margo hierher
geraten ift. — S. 24, Z. 9 v. u. Der ,abgefchmackte Witz'
in v zu Pf. 1032 flammt aus einem recht finnreichen
Agadafatze in bab. Berachoth 10a. — S. 25, Z. 4 fr. Was
Techen über die Varianten im Targum zu Pf. 2 7 fagt,
ift unhaltbar. Das 1 vor rTli"Jl in der Verfion von v
dient zur Einleitung des Erzählten (ort), während b»
nicht berückfichtigt ift; in der Verfion von n r ift pn mit
[ niMi verbunden, wie das auch in den anderen alten
| Verfionen der Fall ift. — S. 27 f., zu Pf. 15 13. Die Lesart
3Xtl ift grammatifch unmöglich. Die andere Lesart
hält T. für ,unpaffend, da ein Lebender nicht in der zukünftigen
Welt weilt'; aber es ift ja von der Seligkeit
nach dem Tode die Rede (vgl. Ibn Esras Komm zur
Stelle). — S. 28, Z. 6. «3313 nach »in in n r ift 'kein

1) Techen bezeichnet die drei Targumausgaben mit v n r

2) Im Jahrg. 1872 der Monatsfchrift für Gefchichte und' Wiffeafchaft
des Judentums.

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