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Ausgabe:

1907 Nr. 17

Spalte:

491-492

Autor/Hrsg.:

Witte, l.

Titel/Untertitel:

Richard Rothe über Jesus als Wundertäter 1907

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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491

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 17.

492

und Gedichten', ,Die Lieder und Gedichte nach dem
Alphabet'.

Wir hoffen und wünfchen, daß die Ausgabe von
P. G.s Liedern und Gedichten von Nelle die dankende
und fruchtbringende Aufnahme finden werde, die ihr
gebührt.

3. Das Büchlein von Gebhardt über P. G. darf nicht
mit den beiden wertvollen Werken von Petrich und
Nelle verglichen werden. Groß ift ihm P. G. nicht
nur als Sänger, fondern auch als ,Streiter der evangelifch-
lutherifchen Kirche', als ,evangelifch-lutherifcher Zeuge,
der das Banner des Luthertums fefthielt und doch kein
blinder Eiferer der Partei war' (S. 2), obgleich er (S. 30)
den Reformierten ,den wahren, feligmachenden Glauben
abfprach.' Dem .Scheinchriftentum moderner Theologie hat
P. G. ein ganz anderes, fefteres, weil biblifch gegründetes
Chriftentum entgegenzuftellen' (S. 3); er ift ,der echte
Chrift mit dem ganzen Chriftentum' (S. 74), obgleich
deine Weltanfchauung, fo wie fie uns in feinen Liedern
entgegentritt, nicht die rein biblifch-chriftliche ift', fondern
mit germanifcher Mythologie ftark verfetzt (S. 68)! ,Der
echte Dichter bleibt Dichter bis zum letzten Atemzuge',
lagt der Verfaffer (S. 51); aber der echte Dichter P. G.
fand es nicht nötig(l), die 131 Lieder auch nur um eins
zu vermehren'. Daß der Verfaffer trotz feiner etwas aufdringlichen
Gelehrfamkeit und trotz feines übel angebrachten
Scharffinns das lateinifche Passion-Salve noch
dem Bernhard v. Clairvaux zufchreibt, fei nur nebenbei
bemerkt. Aber auch für ein .populäres' Buch fcheint es
doch etwas rückftändig zu fein, daß der Verfaffer die
Lieder P. G.s nur nach den Nummern der Reclamfchen
Ausgabe zitiert. Wertvoll ift der Anhang, in dem die
beiden Edikte des Großen Kurfürften von 1662 und 1664
wortgetreu mitgeteilt werden.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Ehlers, Oberkonlift.-Rat D.Dr. Rudolph, Richard Rothe.
(Männer derWiffenfchaft. Herausgegeben von J. Ziehen.
Heft 11.) Leipzig, W. Weicher 1906. (59 S. m. Bildnis.)
gr. 8° M. 1 —

Witte, Prof. D. L., Richard Rothe über Jefus als Wundertäter
. Halle a. S., R. Mühlmann 1907. (VIII, 55 S.)
8° M. 1 —

1. Das Sammelwerk, Männer derWiffenfchaft' hat den
Zweck, ,den Zeitgenoffen, infonderheit der aufftrebenden
Jugend, von Männern der Wiffenfchaft zu erzählen, in
das gefchichtliche Verftändnis wiffenfchaftlicher Forfchung
und ihr entfprechender Praxis einzuführen und zugleich
durch anfchauliche Lebensbilder idealen Sinn zu pflegen
und Freude an der Wiffenfchaft und ihrer Arbeit zu
wecken und zu ftärken'. In dem Lebensbilde Richard
Rothes ift es dem Verfaffer gelungen, die Bedingungen
zur Erreichung diefes Zweckes in ausgezeichneter Weife
zu erfüllen. Mit dem Lebensgange Rothes, mit feinen
Werken und deren Bedeutung in der Gefchichte der
neueren Theologie, mit feinem Charakter und feiner
religiöfen und fittlichen Innerlichkeit zeigt der Verfaffer
fich intim vertraut. Die Schüler und Verehrer Rothes
werden der fchönen Darftellung mit warmem Danke und
faft ungeteilter Zuftimmung folgen, um fo mehr, als bei
aller Pietät das Urteil unbeftechliche Wahrhaftigkeit
nirgends vermiffen läßt. Vielleicht dürfte ein Charakterzug
Rothes kräftiger hervorzuheben fein; ich meine den
weiblichen Zug der Beftimmbarkeit durch männliche
Perfönlichkeiten. Diefer Zug ift unverkennbar während des
erften Wittenberger Aufenthalts in Rothes Verhältnis zu den
pietiftifchen Freunden, ebenfo in Rom in dem Verkehr
mit den Künftlerkreifen, m. E. auch in feiner letzten
Heidelberger Periode. Daß Rothe da ,fich felber untreu
geworden fei' (S. 52), ift wohl zu viel gefagt; daß er fich
aber, vielleicht mehr als erwünfcht ift, von agitatorifchen

Perfönlichkeiten habe beftimmen laffen, kann man ohne
geheucheltes Bedauern' und ohne ,höhnifchen Vorwurf
doch wahrfcheinlich finden.

Dem warmen Danke für das fchöne Werkchen nimmt
natürlich die Differenz des Urteils in Einzelheiten nichts.
Eine weite Verbreitung befonders unter unferer theo-
logifchen Jugend ift es in hohem Maße wert.

2. Pietätvolle Verehrung zu ,der einzigartigen geweihten
Perfönlichkeit' Rothes hat auch die Feder D.
Wittes geführt. Zwei Nachfchriften des erften Kollegs
Rothes über das Leben Jefu find von dem Verfaffer mit
dem im Befitze des Prof. Walther Hübbe in Hamburg
befindlichen urfprünglichen Manufkript verglichen worden,
und aus diefer Vorlefung wird der Abfchnitt Jefu Wirk-
famkeit als Wundertäter' mit einigen Kürzungen der
Polemik gegen D.Fr. Strauß und Dr. Paulus wortgetreu
mitgeteilt. Zum Verftändnis der Ausführungen Rothes
wird in der Einleitung der § 540 der erften Auflage der
Theologifchen Ethik abgedruckt.

Von Rothes ,Leben Jefu', das auf feine Hörer eines
befonders tiefen Eindrucks wohl niemals verfehlte, ift
vorliegende Veröffentlichung m. W. die erfte. Sie wird
den ehemaligen Hörern und vorausfichtlich auch manchen
anderen Theologen um Rothes willen von großem Werte
fei. Aber lediglich als ein Stück geweihter Erinnerung
hätte fich die Veröffentlichung geben follen, ohne alle
Nebenabficht. Der Herausgeber will jedoch mehr erreichen
. In dem temperamentvollen Vorworte polemifiert
er gegen ,eine Zeit, die mit Begeifterung dem Ideale der
Entwicklungstheorie huldigt und .... das Bekenntnis zu
einem lebendigen, die Welt in perfönlicher Machtfülle
und Machterweifung regierenden Gottes fchmerzlos aufgegeben
hat', gegen die ,natürliche Wundererklärung, an
deren veralteten Kunftftückchen die wiffenfchaftliche und
die poetifche Literatur der Neuzeit noch Gefallen habe'
u. dgl. mehr. Diefer Zeit will er zu Gemüte führen, ,daß
man ein moderner Menfch fein und doch an Wunder
glauben kann'. Ob folche doch nicht ganz treffficheren
Ausfälle geeignet find, den Ausführungen Rothes Eingang
zu verfchaffen? Und ift felbft bei den Theologen, die
wie Rothe von aller Wunderfcheu fich frei wiffen, auf
reftlofe Zuftimmung zu rechnen? Von anderem abge-
fehen haben während der 50 bis 60 Jahre, die feit Anfertigung
des Manufkriptes von Rothes Leben Jefu ver-
floffen find, die Erkenntniffe über Entftehung und Zu-
fammenfetzung der evangelifchen Berichte fich fo fehr
gewandelt, daß die von ganz anderen Vorausfefzungen
ausgehenden Erörterungen Rothes ihre Überzeugungskraft
wefentlich eingebüßt haben. ,Die Enkel können
nicht wohl in den Kleidern der Großeltern einhergehen',
fagt Rothe.

Die Veröffentlichung verdient Dank; die Tendenz
der Veröffentlichung fcheint verfehlt zu fein.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
iDeutfcbe Literatur.

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