Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1907 Nr. 17

Spalte:

488-491

Autor/Hrsg.:

Petrich, Hermann

Titel/Untertitel:

Paul Gerhardt, seine Lieder und seine Zeit 1907

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

487

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 17.

488

dem Liberalismus, den er als Vertreter der moniftifchen pofitiv mitbefUmmt durch das fittliche Milieu, in dem
Weltanfchauung immer wieder bekämpft, gerecht zu Jefus aufwuchs; negativ war fie durch den pharifäifch-
werden, und fpricht ihm das Prädikat fubjektiver Chrift- ! rabbinifchen Hochmut beftimmt. An eine damals fchon
lichkeit nicht ab. — F. ift überzeugt, durch die Formel | vorhandene Reaktion gegen diefen kann Jefus angeknüpft
des ,Dualismus' den fupranaturalen Charakter des Chri- 1 haben. Das Originellfte, die altruiftifche Niedergefinntheit
ftentums auf einen äußeift glücklichen Ausdruck gebracht ! gegen die Niedrigen, erklärt fich aus Jefu Naturell, wie
zu haben. War doch diefer Dualismus ,das Glanzftück, auch feine perfönliche Befcheidenheit. Seine Selbftgewiß-
der Rechtstitel, mit dem fich das Chriftentum durchfetzte j heit von feiner eigenen Idealität und Stellvertretereinheit
in der Welt. Und die Kirche hat ihn behalten, obgleich 1 mit Gott machte ihn gleichgültig fowohl gegen die Nie-
er in Zeigenden Mißkredit kam; Augultin hat ihn gegen i drigkeitsunterfchiede unter den Menfchen, als auch gegen
Pelagius, Luther gegen Erasmus gefchützt, und die alt- hohe und niedrige weltliche Stellung'. Daß in einer fo
proteflantifche Dogmatik hat den Dualismus zwifchen j forgfam und umfaffend angelegten Durchforfchung des
Vernunft und Offenbarung ausdrücklich zum Charakte- ; biblifch-theologifchen Materials die Einzelexegefe eine
riftikum in ihrer Prinzipienlehre gemacht' (18—19). — 1 Hauptrolle fpielt, ift ganz in der Ordnung. DieZufammen-
Haben wir hiemit den Grundgedanken der F.fchen Schrift [ hänge mit der zeitgenöffifchen Literatur, die jüdifchen
angegeben, fo wird es genügen, mit einem Worte noch Parallelen werfen auf manche Ausfagen ein überrafchen-
auf die Form hinzuweifen. Der Verf. hat es verfchmäht, des, wenn auch nicht überall überzeugendes Licht. Eine
feine Ausführungen in das Gewand einer gefälligen Dar- I ähnliche Bewandtnis hat es mit dem Vergleich der ver-
ftellung zu hüllen; wohl abfichtlich hat er dem Lefer fchiedenen fynoptifchen Rezenfionen wichtiger Ausfprüche
durch die Schwierigkeit der Sprache eine heilfame Arbeit Jefu: die verfchiedene Deutung der Herrenworte über
auferlegen wollen, die ihm auch das Ringen mit den das Kind oder über die Erften und Letzten (6off., 86ff.)
Gedanken zur Pflicht macht. Dagegen ift der Gebrauch ift wohl nicht einwandfrei, verdient aber eingehende
von Fremdwörtern durch keine noch fo freundliche Er- | Prüfung. Ein befonderes Intereffe bietet die Erörterung
klärung zu entfchuldigen: ,Als was präfentiert fich uns j der bekannten Ritfchlfchen Auslegung des jtgavq xal

das Chriftentum?' (7. 10). ,Der Menfch hat die beiden
Gebiete für fich okkupiert' (n). Jn dem genannten
Gebiet hat fich der Dualismus etabliert' (10), ufw. Diefe
Vorliebe für Fremdwörter hat dem Verf. einen Streich
gefpielt, der einem Abiturienten fragelos verhängnisvoll

rajcsivoq t# xagöicc Matth. 1129. Den Gewinn, welchen
eine an einem beftimmten Punkt einfetzende Unter-
fuchung auch für ferner liegende Gegenftände zu bringen
vermag, zeigt die Befprechung der Schweigegebote
Jefu nach feinen Krankenheilungen (125fr,). Die ruhig

fein würde, aber auch bei einem Studiendirektor an j abwägende und vorfichtige Haltung der Arbeit Th.s
einem Predigerfeminar nicht zu leicht genommen werden 1 bildet einen wohltuenden Kontraft mit dem haftigen

darf: ,Der Gegenftand der theologifchen Wiffenfchaft ift
das Eintreten Gottes in die Gefchichte und das Bewußt
fein, als Spiritus in caro (sie!), als Geift in Fleifch'.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Thieme, Prof. D. Karl, Die chriftliche Demut. Eine hifto-
rifche Unterfuchung zur theologifchen Ethik. Erfte
Hälfte: Wortgefchichte und die Demut bei Jefus. Gießen
, A. Töpelmann 1906. (XVI, 258 S.) gr. 8° M. 5.60

Ein reichhaltiges, nach verfchiedenen Seiten hin anregendes
und förderndes Buch, das nicht bloß ,eine
hiftorifche Unterfuchung zur theologifchen Ethik' enthält
, fondern auch wertvolle Beiträge zur biblifchen I faffenden Ausführungen oder Andeutungen, die fich an

Verfahren und dem abfprechenden Tone manch neuerer
Veröffentlichungen. Auch viel maßvolleren Theologen,
wie Joh. Weiß, Bouffet, vermag Th. in zahlreichen Fällen
nicht zu folgen. Im Anfchluß an Bouffets Jefus (99ff.)
bemerkt er: ,Man follte vor dem Chriftenvolk die Er-
gebniffe der Kritik nicht als ficherer hinflellen, wie fie
find, zumal wenn es fich um ein fo ehrwürdiges Dogma
handelt, wie das „von dannen er kommen wird zu richten
die Lebendigen und die Toten" (160). — Bei aller Genauigkeit
und ftrengen Objektivität, mit welcher Th. das
Gefchäft des Exegeten und Hiftorikers beforgt, liegt doch
in letzter Inftanz das leitende Intereffe feiner Schrift auf
der Seite der fyftematifchen Theologie, fpeziell der theologifchen
Ethik. Das erhellt fowohl aus den zufammen-

Theologie, zur Chriftologie, zur religiöfen Pfychologie die exegetifchen Einzelunterfuchungen anfchließen, als
liefert. Dem modernen Beftreben, nicht bei der Prüfung auch aus den Auseinanderfetzungen mit namhaften
der dogmatifchen Formeln ftehen zu bleiben, fondern Ethikern: am lehrreichften ift in diefer Beziehung die
bis zum inneren Kern des religiöfen und fittlichen Er- wiederholte Bezugnahme auf Herrmanns Artikel ,Demut'
lebniffes weiter zu dringen, kommt die durch umfichtiges in Hauck's Realenzyklopädie (Bd. 4, 1898, S. 571—576).
Urteil und feines Verftändnis für die Tatfachen des — Mit dem Dank für die uns dargebotene Gabe ver-
chriftlichen Bewußtfeins ausgezeichnete Schrift in hohem
Maße entgegen. Über den fitreng methodifch angelegten,
allenthalben Umfchau haltenden Gang der Unterfuchung
orientiert die ausführliche Inhaltsangabe vortrefflich.
Nach einem einleitenden Kapitel über die Wortgefchichte
(14—43), befpricht der Verf. Jefu Mahnungen zur Demut
vor Gott und in der Selbftbeurteilung (44—102), Jefu
eigene Demut vor Gott und in der Selbfibeurteilung
(103—173), Jefu Vorbild in der Demut des Dienens und

binden wir die Hoffnung, daß die zweite in Ausficht
geftellte Hälfte des Werkes uns bald befchert werden möge.
Stiaßburg i. E. P. Lobftein.

Petrich, Hermann, Paul Gerhardt, feine Lieder und feine
Zeit. Ein Beitrag zur Gefchichte der deutfehen Dichtung
und der chriftlichen Kirche. Auf Grund neuer
Forfchungen und Entdeckungen. Gütersloh, C. Berteis-
feine Mahnungen dazu (174—207) und Jefu Selbftcharak- I mann I9°7- (XVI, 240 S.) 8° M. 3—; geb. M.3 50
teriffik ,Ich bin von Herzen demütig' (208-225). Die j Gerhardts, Paul, Lieder und Gedichte. Herausgegeben von
Schlußbetrachtungen über die Dem Wilhelm Neue. Hamburg, G. Schloeßmann 1907.

welche die bereits am Anfang des Werkes erwähnten
Angriffe gegen die chriftliche Demut durch intereffante
Auseinanderfetzungen mit Ed. von Hartmann ergänzen,
werfen für die Beurteilung des inneren Lebens Jefu fehr
beachtenswerte Ergebniffe ab. Daß hier pfychologifche
Divination unentbehrlich und der Bereich der Hypothefen
ein fehr umfangreicher ift, verfteht fich von felbft. Das
gilt vor allem von der Art, wie Th. das Geheimnis der

LXI, 417 S.) gr. 8° Geb. M. 4 —

Gebhardt, Sem.-Oberlehr. Lic. Dr. Hermann, Paulus Gerhardt
. Der Streiter und Sänger der evangelifch-
lutherifchen Kirche. Leipzig, F. Janfa 1907. (92 S.)
kl. 8» M. 1 —

i. Der dreihundertjährige Geburtstag Paul Gerhardts

Demut Jefu fich zu erklären fucht. ,Die Demut war hat eine große Reihe von Schriften gezeitigt, die ohne Aus