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Ausgabe:

1907 Nr. 15

Spalte:

442-444

Titel/Untertitel:

Geyer, Gott und die Seele. Ein Jahrgang Predigten. 1.-3. Tausend 1907

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 15.

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dort (S. 746, S. 39fr.) habe ich auch gezeigt, daß diefe I Geyer, Hauptprediger, und Pfr. Rittelmeyer, DD., Gott
vorchnftliche Sitte fchon im 4. Jahrhundert in Spanien I unrJ die Seele. Ein Jahrgang Predigten. 1.—3. Taufend.

heimifch war, alfo nicht erft im 7., wie Kellner S. 64
fagt, dort nachweisbar ift. — Wenn Kellner S. 67 (nach
Thalhofer, Liturgik II, 551) behauptet, der urfprüngliche
Zweck der Weihe von Speifen fei wohl der gewefen,
.damit nach fo langer Entbehrung nicht die finnliche
Lüfternheit beim Genuß fich zu fehr geltend mache', fo
ift mir allerdings nicht verftändlich, wie geweihte Speifen

Ulm, H. Kerler 1906. (VII, 615 S.) gr. 8° M. 6 — ;

geb. M. 7.50

Eine ebenfo feltene wie anziehende Erfcheinung: zwei
Prediger derfelben Stadt, beide gewohnt, vor taufenden
zu reden, vereinigen fich zur Herausgabe eines Predigtwerkes
. Die .Vorbemerkung' berichtet es und die Predigten

weniger Appetit machen follen als ungeweihte. Vielmehr j beflätigen es: fie find mannigfach verfchieden in ihren
beruht die Sitte, Speifen weihen zu laffen, auf der Furcht j theoretifchen und praktifchen Anfchauungen, aber fie
vor den Dämonen, die leicht mit der Nahrung in den Leib | haben des Gemeinfamen genug, um fich in der Arbeit
des Menfchen kommen konnten. Ebenfowenig leuchtet die I für dasfelbe Ziel, die Verbindung der Seele mit Gott, zu
Erklärung ein, die K. für die Sitte des fogen. ,Hunger- ! ergänzen. Nur im Inhaltsverzeichnis nennen uns die
tuchs' gibt, das man am Anfang der Faftenzeit in den j Buchftaben G und R die Verfafferfchaft; der aufmerk-
Kirchen aufzuhängen pflegte: ,Der gemeine Mann, der j fame Lefer bedarf der Buchftaben nicht. Geyer, der
keinen Kalender hatte, follte daran erinnert werden, daß i treffliche Neubearbeiter der Baumfchen Kirchengefchichte,
die Faftenzeit im Gange fei' (S. 80). Das .Hungertuch' i ift eine weichere Natur; das tiefe Gemüt macht in feiner
ein Erfatz für den Kalender, das wäre doch wunderlich! j Rede väterlich wohlwollend fich geltend, feine zahl-
Da hat doch fchon Rupert von Deutz (de div. off. IV. 9) j reichen Illuftrationen verwenden meift gefchichtlichen
eine beffere Erklärung beigebracht: in der Faftenzeit 1 Stoff. Rittelmeyer, bekannt durch feine fcharffinnigen

fühlen fich die Gläubigen als Sünder, die nicht wert find
das Allerheiligfte zu fchauen. Ich halte diefe Sitte für
eine Nachahmung, oder vielmehr für einen Erfatz der
örtlichen Bilderwand und der daran angebrachten Vor

Vorträge über Nietzfche und Tolftoi, ift der ftrenge Dialektiker
, ein machtvoller Prediger, dem man nicht entfliehen
kann; der Theologe verleugnet fich nicht, und
eine ungemein reiche Belefenheit zeigt den vielfeitig

hänge, die dem Volke den Anblick des Altars zu Zeiten j gebildeten Gelehrten und Kunftfreund. Beide reden aus
ganz verhüllten. — Die Stelle bei Clemens Alex, ström, j tiefer Gedankenfülle, die fich mit fefter Entfchiedenheit
I, 21, § 146 (nicht wie K. angibt §45) deutet K. fo, daß j für das unverfchleierte Evangelium verbindet,
darnach ,ein Teil der orthodoxen Chriften den 6. Januar | Wasdas Predigtwerkzueiner bedeutfamen Erfcheinung
als Geburtstag Chrifti angefehen habe, während die Bafili- für die Gegenwart macht, ift der aufgefchloffene Sinn für
dianer den iorjanuar dafür hielten'(S. 123). Allein von den | die Wirklichkeit und die unerbittliche Wahrhaftigkeit
orthodoxen Chriften ift hier überhaupt nicht die Rede j der Verfaffer. ,Ich möchte immer zu euch reden als
fondern nur von den Bafilidianern, von denen die einen 1 zu Menfchen, die zwar noch nicht Chriften find — in dem
den 6., die andern den IO. Januar feierten. — Daß das hohen Sinn, den das Wort für uns haben follte —, aber
von Rahmani 1899 herausgegebene testarnen tum domini 1 die alle von Herzen gern Chriften fein möchten! Zu
nostri Jesu Christi in die erfle Hälfte des 3. Jahrhunderts i werdenden Chriften möchte ich reden, felbft ein wer-
gehöre (S. 127), wird K. fchwerlich jemandem glaublich dender Chrift'(S. 392). ,Sagen wir es ganz fchlicht und
machen können. einfach, auf was wir achten follen in der Predigt: erftens:

Der Raum verbietet, diefe Lifte fortzufetzen. Jeden- wie bin ich? zweitens: wie foll ich fein?' (S. 610). Die
falls zeigt das Gefagte fchon, daß man K.s Buch nicht Prediger flehen mitten in ihrer Gemeinde, im tiefften
kritiklos benutzen kann. Stellt man fich aber auf eine ] Wefen eins mit ihr, Mitkämpfer der Kämpfenden, mit ihr
forgfältige Nachprüfung ein, fo kann einem das Buch i fich beugend unter das Wort der Wahrheit, mit ihr rin-
doch fehr nützlich fein. Es bringt den Stoff in einer j gend nach dem Vollkommenen. Sie fchildern ohne
Zufammenfaffung, wie man ihn fonft nicht findet, und | Schönfärberei den wirklichen Zuftand der Umwelt, das
das unter reichen Quellennachweifen. Wir Proteftanten ! Verflochtenfein der Hörer mit diefem Zuftand, in unerbitt-
werden namentlich mit Dank den Abfchnitt über die j licher Wahrhaftigkeit, und (teilen die Seelen vor Gott.
Heiligenfefle benutzen. Auch der mehr als Anhang auf- j Eine ergreifendere Bußpredigt als die über Mt. II 20-25:
tretende dritte Teil des ganzen Buches: .Arten und Be- j Vergeffen und Verfäumen: was haft du vergeffen? was
nutzung der Quellenfchnften' wird unter uns dankbare ■ haft du verfäumt? erinnere ich mich nicht, jemals gehört
Benutzer finden. Hier ift eine Reihe von wichtigen | oder gelefen zu haben. Aber aus der Tiefe wiffcn fie in
Kaiendarien, Menologien und Martyrologien behandelt. 1 die Höhe zu führen; was wir an dem Heiland haben,
Auch die chronologifche Überficht am Schluß ift nützlich ; ihm verdanken, durch ihn in der Gemeinfchaft mit Gott
und praktifch. — Ein Wort aber muß ich noch über das erlangen, tritt überall mit leuchtenden Farben uns ent-
Regifter fagen. Daß unter der Überfchrift: ,Perfonen- gegen. Und alles fernab von ausgetretenen Geleifen; das
und ürtsregifter' Worte wie: Apoftellehre, Apofteltage, Alte und oft Gehörte wird unter neuem Geflchtspunkte
Ruß- und Bettage, Depofitio, Palmefel, Schutzengelfeft uns verkündet und erfcheint als neu, das Neue und
und dergl. fich finden, verzeiht man mit einem Lächeln ; Eigentümliche wird mit dem Altbekannten in folche Ver-
gern. Aber unverzeihlich ift es, wenn die Angaben eines bindung gebracht, daß es uns wohlvertraut entgegentönt.
Kegifters fo unvollftändig find, wie es hier den Fall ift. Ein 1 ,Die Arbeit als Gottesdienlt' (1 Theff. 410-12) preift die
Beifpiel! Hinter Tertullian flehen bei K. folgende Zahlen: | evangelifche Wertung der Berufsarbeit und weiß von hier
71. 81. 84. 138. 157. Ich habe mir die Muhe genommen, j ausdie fittlichenWirkungen treuerArbeit in faftüberrafchen-
die Seitenzahlen der erften 100 Seiten des Buches zu j der Weife darzulegen. In der Predigt Jefus und die Familie'
notieren, die den Namen Tertullian bieten. Darnach hätte j (Mc. 3 31-35) entfaltet der Redner frappierend die Ge fahren

hinter diefem Namen folgende Zahlenreihe flehen follen:
2- 4- 6. 12. 31. 34. 59. 6b. 70. 71. 75. 76. 81. 83. 84. 94.
Uaß eine Menge Namen und Orte ganz fehlen — von
den wichtigften Sachworten ganz zu gefchweigen —, erhöht

der Familie, und niemand wird ihm widerfprechen.

Die kirchlichen Perikopenreihen binden die Prediger
nicht; in freier Weife benutzen fie die Perikopen und
wählen freie Texte je nach Bedürfnis. Die Themata find

die Wertlofigkeit diefes Regifters. Lieber kein Regifter meiftens fehr konkret, teilweife auch fehr ungewöhnlich,
als ein unzuverläffiges! Ein Lehrbuch follte doch auch in ; ,Der Zweifel', ,die Demut', ,der Sternenhimmel', ,die Er-
diefen Dingen ein Mufler von Sorgfalt fein! | innerung', ,die Freude' find folche Themata. Auch dem

Gießen P. Drews. I homiletifchen Herkommen flehen die Prediger frei gegenüber
. JNur leiten wird neben dem Thema auch die Par-
| titionausdrücklichangegeben; dielogifche und homiletifche