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Ausgabe:

1907 Nr. 15

Spalte:

433-434

Titel/Untertitel:

Die Regel des hl. Benediktus erklärt in ihrem geschichtlichen Zusammenhang 1907

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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433

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 15.

434

de virginiiate vieles gewonnen werde. Ich muß bedauern, ,
daß ich Burkitts Ausführungen nicht für meine ,Amphi- j
lochiana' I, S. 216 ff verwendet habe; mancherlei Er- j
fcheinungen in den füdöftlichen Provinzen Kleinafiens j
laffen fich mit diefem fyrifchen Chriftentum in Zufammen-
hang bringen.

Die 5. und 6. Vorlefung befchäftigen fich mit den I
Schriften, die von Bardefanes felbft oder doch aus feiner
Schule flammen und feine Gedanken treu wiedergeben:
der Schrift ,über das Schickfal' (Burkitt hält diefen, nur
von den Griechen erhaltenen Titel für den richtigen) und
den Thomasakten refp. dem Hymnus von der Seele. Die
Thomasakten find urfprünglich fyrifch verfaßt. Burkitt
gibt große Auszüge aus den Schriften, um den felbft-
ltändigen Charakter ihrer Gedankenwelt zu erweifen; im
Hinblick auf die griechifche Theologie find fie gewiß
unorthodox. Sehr anziehend ift die Art und Weife,
wie aus der allgemeinen kulturellen Situation heraus
die Notwendigkeit der von diefen Schriften vertretenen
Gedanken erfchloffen wird. Erwähnt fei ein fchönes
Wort, das Burkitt im Hinblick auf das Schickfal des
Bardefanes fagt (S. 130): ,Es ift eine törichte und feige
Politik, wenn eine Kirche gegen den Aberglauben nach-
fichtig und gegen ernfte Forfchung ftreng ift'.

Zu der Überfetzung möchte ich noch Einiges äußern:
da Harnack in feiner Miffion2 II, S. 117 ff bereits die
Hauptrefultate von Burkitts Schrift mitgeteilt hat, fo
könnte die Überfetzung überflüffig erfcheinen. Gleichwohl j
halte ich fie für fehr willkommen, weil ich denke, daß
das Buch auch in dem neuen Gewand die Studien über
das nicht-katholifche Chriftentum anregen wird. Mit
dem Original habe ich fie nicht verglichen; darum darf
ich nur fagen, daß fie fich gut lieft. Nur wenige Fehler |
find mir aufgefallen; für .gewehrt' S. 52 erwartet man
verwehrt; S. 71: mit etwas; S. 83: wenn ein Menfch
von allem faften will; S. 98 Ruraldekan; S. 101: zu der
kaiferlichen Armee [Comitatus): Comitatus ift doch wohl
das kaiferliche Hoflager; S. 103: es ift nicht ausgemacht,
,daß' für, ob'; ein idealer Gefetzgeber ,muß nicht immer'
ftatt .braucht nicht immer'; S. 108: läßt ihn Epiphanius
ein Schüler des Valentinus werden; S. III: ,Zunächft
trifft uns eine Überrafchung' fagen wir doch wohl nicht;
S. 125: ,wir brauchen uns über die merkwürdige Gelehr-
famkeit nicht länger aufzuhalten'; gemeint ift nicht ,fich
entrüften über', fondern fich aufhalten bei; barock finde
ich die Übertragung des Hymnus an die Seele in Hexameter
; und was für welche! S. 154:

_ v/ w - w. w -v

Von deinem Vater, dem König der Könige, von deiner Mutter

Und deinem Bruder auch, wir fenden dir, Königsfohn Grüße!

Eine folche Malträtierung des Gewichts der Silben
ift trotz Weimar und Jena und trotz Burkitts Vorgang
fürchterlich. Willkommener wäre eine fich an den Wortlaut
des Originals anfchließende genaue Übertragung ohne
gebundenes Metrum. Der Titel .Urchriftentum im Orient'
führt irre.

Kiel. G. Ficker.

Vgl. auch die Anzeige des englifchen Originals {Burkitt, Early
Eastern Christianity 1904) von Neftle in: Theol. Litztg. 1905, Sp. 545 £

Anm. der Red.

Die Regel des hl. Benediktus erklärt in ihrem gefchicht-
lichen Zufammenhang und mit befonderer Rückficht
auf das geiftliche Leben. Freiburg i. B., Herder 1907.
(XV, S.) gr. 8° M. 7—, geb. M. 8.20

Das vorliegende Buch ift eine Überfetzung des fran-
zöfifchen Werkes Explication ascetiqne et historique de
la regle de St. Benoit par un Benedictin, Paris 19OI.
Weder der Verfaffer noch der Überfetzer nennen fich.
Die Erklärung der Regel foll in erfter Linie praktifch-
erbaulichen Zwecken dienen. Dazu benutzt er die wiffen- ]

fchaftlichen Kommentare der Regel von Martene, Möge,
Calmet und Haeften. Der Verfaffer gibt zunächft eine
möglichft wortgetreue Überfetzung, der er einen auf die
kritifchen Arbeiten von Schmidt, Wölfflin und Traube
fußenden Text zugrunde gelegt hat. Daran fchließt fich
die Erklärung der Regel, in der Satz für Satz, aber auch
die Grundgedanken der einzelnen Kapitel erklärt werden.
Er bringt dabei vor allem die asketifchen Grundfätze
Benedikts zur Darfteilung. Er hat feine Aufgabe mit
großer Gründlichkeit, wenn auch in etwas weitfehweifiger
Art gelöft. Überall verweift er auf die Quellen der Regel,
vor allem die Schriften Caffians, erörtert die kontroverfen
Auslegungen und gibt wertvolle Hinweife auf die in den
Klöftern des Ordens beftehende Praxis. Nur vermag es
der Verfaffer bei der kafuiftifcher Auslegung der einzelnen
Sätze und Kapitel zu keiner wirklich hiftorifchen
Würdigung der Regel zu bringen, aber feine fleißige
Arbeit follte, wie er im Vorwort bemerkt, auch zunächft
praktifchen Zwecken dienen.

Heidelberg. Grützmacher.

Jodl, Prof. Friedrich, Gefchichte der Ethik als philofophifcher
WiHenfchaft. I. Band. Bis zum Schluffe des Zeitalters
der Aufklärung. Zweite, neu bearbeitete und vermehrte
Auflage. Stuttgart, J. G. Cottafche Buchhandlung 1906.
(VIII, 688 S.) gr. 8" M. 12 -

Es ift charakteriftifch für das Schickfal deutfeher
Werke der Wiffenfchaft, daß ein Buch wie dasjenige
Jodls über die Gefchichte der Ethik in der neueren
Philofophie, deffen zwei Bände unter diefem Titel 1882
und 1889 erfchienen und das als wertvolle Quelle fo
allgemein anerkannt und benutzt war, erft nach zwei
Jahrzehnten in zweiter Auflage erfcheint. Der angefichts
einer auch in der Wiffenfchaft fchnell lebenden Zeit
verhältnismäßig große Zwischenraum zwifchen beiden
Auflagen brachte es mit fich, daß der um die Gefchichte
der Ethik hochverdiente Verf. mit Rückficht auf den
Fortfehritt der philofophiegefchichtlichen Arbeit in diefer
Zeit, auf die Neubegründung der Ethik als akademifcher
Disziplin und nicht zuletzt auf das Ausreifen der eigenen
Gedanken eine bloße Revifion für untunlich hielt.

So fchwebte ihm ein Doppeltes als Ziel vor: ,dem
Buche feine Anlage und feinen Charakter, durch die es
fich Freunde erworben hat, im wefentlichen zu erhalten;
andrerfeits es zu vervollftändigen, wo es not tat, und
insbefondere in Bezug auf die verwertete Literatur dem
Stande der heutigen Forfchung möglichft gleich zu machen
'. Ganz neu gefchrieben ift das erfte Buch, welches
die Ethik des klaffifchen Altertums behandelt und an
die Stelle des früheren einleitenden Kapitels tritt, da
der Verf. fich mehr und mehr von der grundlegenden
Bedeutung der antiken Theorien und Lebensauffaffungen
für die ganze fpätere Entwicklung überzeugte. Vollftändig
neu gefchrieben find auch die erften Abfchnitte des IV.
Kapitels über die altchriftliche Ethik; das XIII. Kapitel
über Spinoza; der Abfchnitt über Geulincx im XI.
Kapitel; das XII. Kapitel über die franzöfifche und das
XV. über die deutfehe Aufklärung. Aber auch in Sämtlichen
übrigen Teilen des Werkes find zahlreiche Ver-
befferungen und Ergänzungen vorgenommen worden, fo
daß das Buch jetzt zufammen mit den ganz neu geftal-
teten Teilen, um die Hälfte feines urfprünglichen Umfangs
vergrößert und nunmehr unter dem umfaffenderen Titel:
,Gefchichte der Ethik als philofophifcher Wiffenfchaft'
erfcheint. Das Buch hat dadurch an Wert fehr gewonnen,
und jeder, der mit Gefchichte der Ethik einigermaßen
gründlich fich befchäftigen will, wird es dankbar benützen.
Schade nur, daß die bequeme Handhabung des Buches
dadurch etwas beeinträchtigt wird, daß die zahlreichen
wertvollen Anmerkungen in einem Anhang und zwar
für jedes Kapitel befonders und mit befonderer Nume-

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