Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1907 Nr. 15

Spalte:

428-429

Autor/Hrsg.:

Stalker, James

Titel/Untertitel:

Das Verhör und der Tod Jesu Christi 1907

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

427

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 15.

428

die perfifche Herrfchaft in den letzten fünf Dezennien
den Juden fchwere Bedrückungen gebracht, fo daß man
eher einen Deuterojefajah redivivus als einen Mann wie
Hab. erwarten follte. Auch in exegetifcher Hinficht
dürfte D.'s Auffaffung in Stellen wie 16 u. a. fehr ernften
Schwierigkeiten begegnen, vgl. iiJli mit dem Part.

Kann ich fo auch die Gefamtauffaffung Duhms nicht
für gefichert halten, fo hindert mich das doch nicht an
der Anerkennung, daß der von Duhm gegebene Kommentar
im einzelnen eine Fülle feiner Bemerkungen zur
Charakteriftik des Buches und in nicht wenig Fällen wirkliche
Förderung in exegetifcher Hinficht enthält: D. hat
nicht nur im wefenthchen die metrifche Form der Gedichte
richtig erkannt, er hat auch in einer Reihe von
Textverderbniffen eine glückliche Löfung der Schwierigkeiten
gegeben. In anderen flehe ich feinen Konjekturen
fkeptifch oder ablehnend gegenüber, fo 13, wo D. 3111
Ii-Ji3 ff. 111121 Ii") "W lefen will Was .... hebt Streit
den Wurffpieß? 1 12,' wo D. Iii ft. Iii konjiziert. Sehr
unwahrscheinlich iß mir die Wiederherftellung 2 17: ,denn
der Frevel am Libanon würgt dich und der Rinder Mißhandlung
zerbricht dich famt dem Menfchenblut und
Frondienft von Land und Stadt und dem Volk darin',
hier hinkt das 1521 Qi zu deutlich nach, als daß man es
für urfprünglichen Text halten könnte. Viel Zuftimmung
dürfte wohl auch feine Herftellung von 2 a kaum finden,
wo er 'pini ft. Infi lefen will: ,und gar daß er dreiften
Raub treibt', eine Bedeutung, die Jirf das nur noch
Dt. 141 fich findet, kaum haben kann, wie denn auch D.s
Erklärung des fllSi X3 = JlSpi Süb widerwärtig nicht
ohne Bedenken ift. Aber diefe und andere Fragezeichen
können mich nicht hindern, dankbar die mannigfache
Förderung, welche Duhm bietet, anzuerkennen.

Straßburg i. E. W. Nowack.

Workman, Prof. George Coulson, M. A., Ph. D., The
Servant of Jehovah or the Passion-Prophecy of Scrip-
ture analysed and elucidated. London, Longmans,
Green, and Co. 1907. (XXVI, 250 p.) 8° s. 5 —

Im erflen Kap. Hellt der Verf. den Inhalt der Verbindung
'i'J> fett; der Begriff wird definiert als ,ein Amtstitel
für einen, der für eine göttliche Sendung beftimmt oder
mit einer göttlichen Botfchaft betraut war' S. 4 h Im zweiten
Kap. wird die ,Entwicklung' diefer ,technifchen' Bezeichnung
Israels als Knecht verfucht. Die Wurzel diefer
Anfchauung liegt in dem Begriff der Sohnfchaft, die zum
erlten Male Exod. 422 t. ,verkündigt' (announced) worden
ift. ,An diefer Stelle verlangt Gott die Freilaffung der
Israeliten, weil fie Gottes Sohn wären und damit fie Gott
dienten. Sein Verlangen fchließt ein, daß Gott fie adoptiert
hat, weil er ein Werk für fie zu tun hat; es war
eine Adoption nicht zum Zweck der Befreiung, fondern
des Dienftes', S. 16. ,Die Natur der Adoption umfchloß
zwei Ideen, die der Sohnfchaft und die der Knechtfchaft;
die letztere entwickelte fich allmählich aus der erfteren, in
der fie keimartig enthalten war. Die Idee der Knechtfchaft
ift alfo eine organifche Entwicklung aus der Idee
der Sohnfchaft für den DienfV, S. 17. Mit der Erfahrung I
des Exiles erweitert fich diefer Dienft. ,Gott beftimmte,
fie follten mit den Heiden die befonderen Wohltaten
teilen, die fie von ihm erhalten hatten', ibid. ,So wurde
Sohnfchaft Gottes gleichbedeutend mit Dienft für Gott',
S. 19. Mit dem Meffias hat die Geftalt des Knechtes !
Gottes nichts zu tun, S. 21 ff. Nachdem der Verf. die j
bekannte Datierung Deuterojefaias akzeptiert und eine i
m. E. ganz ungerechtfertigte Rechtfertigung diefer Datierung
auf den nächften 50 Seiten gegeben hat, wendet er
fich im fünften Kap. zur Befchreibung des Knechtes
Gottes. Er entfcheidet fich für die wohlbegründete Anfchauung
, daß der Knecht Gottes eine Perfonifikation
des Volkes Israel ift — fonderbarerweife aber mit dem

I im Buch zwar nicht klar ausgefprochenen, aber überall
in der Exegefe (z. B. zu 41 äff. 531 ff.) zutage tretenden
Mißverftändnis, als ob in dem Knechte Jahves nur der damals
im Exil lebende Beftand des Volkes verkörpert wäre.
S. 97—138 bringt den Kern des Buches, die Befprechung
und Erklärung der Texte. Die Erklärung bewegt fich
im ganzen in den gewohnten Geleifen. In Kap. 7 werden
die durch die Exegefe gewonnenen Züge zu einem
Gefamtbild von der Miffion Israels zufammengeftellt.
Hier bekommt man recht ausführlich alles das zu
lefen, was die herkömmliche Exegefe diefer Texte findet
: der Knecht Jahves habe die Miffion, in der Heidenwelt
das Licht der reinen Religion Israels weiterzutragen
, als Zeuge einer höheren Gottesoffenbarung eine
Neufchöpfung der Welt vorzubereiten etc. Im nächften
Kap. wird dann erzählt, wie die Juden diefe Sendung
erfüllt haben. ,Der Prophet fagte, fie follten das Gefetz
Jehovas bekannt machen, und fie haben es getan fo weit
fie konnten; er fagte, fie follten Zeugnis ablegen von der
| abfoluten Vollkommenheit J., und fie haben feitdem be-
ftändig gezeugt von feiner einzigen Gottheit; er fagte,
fie follten Lichtträger fein für die Völker der Welt, und
fie haben nicht nur die Wahrheiten des A. T. allen, die
fie annehmen wollten, vermittelt, fondern haben auch
einen reinen geiftigen Monotheismus behauptet gegenüber
dem Polytheismus, Atheismus, Agnoftizismus und Materialismus
', S. 185! Ein befonderes Kap. gilt der Erklärung
des leidenden Knechtes, Kap. 52—53. Das Leiden des
Knechtes ift freilich ein ftellvertretendes Opfer — aber
im ,uneigentlichen' Sinne — denn sacrifical phraseology
j is here employed symbolically! Man lefe, wie fich der
I Verf. S. 2IO mit diefem Begriff, dem doch das Moderne
in ihm widcrftrebt, herumquält. Eine Befprechung der
Stellen, die aus den behandelten Texten im N. T. zitiert
werden, fchließt das Buch. — Schon die Inhaltsangabe
läßt erkennen, daß derStoff außerordentlich breit behandelt
j ift; die Hälfte Raum hätte für den Inhalt genügt. Obwohl
anzuerkennen ift, daß der Verf. die Geftalt des Knechtes
G. als eine Kollektivperfönlichkeit richtig aufgefaßt
hat, halte ich doch — von manchem andern abgefehen —
die Ausführungen über das Evangeliftenamt desfelben
in der Heidenwelt für vollftändig verkehrt und die Stellen,
auf denen diefe Auffaffung beruht, für mißverftanden.
Aber felbft wenn feine Erklärung der paar Stellen, die
in Betracht kommen, richtig wäre, gibt der Verf. doch
1 diefen beiläufigen Bemerkungen ein folches Schwergewicht
und bringt fie in einen folchen fyftematifchen und dog-
matifchen Zufammenhang, daß fie in ihrem urfprünglichen
Wert kaum wiederzuerkennen find.

Louifendorf. W. Frankenberg.

Stalker, James, M. A., D. D., Das Verhör und der Tod

Jehl Chrifti. Eine gefchichtliche und pfychologifche
Studie. Überfetzt von M. Langenau. Berlin, M. Warneck
1907. (VIII, 264 S.) 8° M. 2.40; geb. M. 3.20

Das mit dem Bildnis des Aberdeener Profeffors gezierte
Buch gehört durchaus in die Erbauungsliteratur.
VViffenfchaftlich betrachtet ift es wertlos. Von einer
,gefchichtlichen Studie' kann in der Tat da nicht die
Rede fein, wo die ganze Frage nach den juriftifchen
Bedingungen und Formen des Prozeffes Jefu, nach dem
Gegenftand der Anklage und dem Grund der Verurteilung
ohne eine Erinnerung an die hier fich häufenden
Schwierigkeiten auf wenigen Seiten abgetan wird und
ebenfo der ganze Fortgang eine einfache Anreihung und
Ineinanderfchiebung der vier Berichte darfteilt, ohne daß
die teilweife Unmöglichkeit eines folchen Verfahrens ins
Bewußtfein des Schriftftellers getreten wäre. Eine ,pfychologifche
StudieTiegt nur dann vor, wenn es zu den Aufgaben
der Pfychologie gehört, die Befchreibung des Zu-
ftandes eines vorausgefetzten gottmenfchlichen Bewußt-