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Ausgabe:

1907 Nr. 14

Spalte:

407-409

Autor/Hrsg.:

Ganderath, Theodor

Titel/Untertitel:

Geschichte des Vatikanischen Konzils 1907

Rezensent:

Bruckner, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 14.

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dabei einen Weitblick und eine Befonnenheit bevviefen,
die ihn noch heute als einen geeigneten Führer in der
fich anbahnenden kritifchen Übergangszeit der Kirche
erfcheinen läßt, und deffen Gedanken unter allen Um-
ftänden zur Beruhigung derer beizutragen vermögen, die
aus einer Trennung der Kirche vom Staat nur üble Folgen
gewärtigen können.

Bremgarten. A. Bruckner.

Chasle, Louis, Schwerter Maria vom göttlichen Herzen Drorte
zu Vifchering, Ordensfrau vom Guten Hirten. Nach
dem Franzöfifchen unter Benutzung deutfcher Originaltexte
frei bearbeitet von P. Leo Sattler. Mit
fünf Abbildungen Freiburg i. B,, Herder 1907. (XVI,
352 S.) 8° M. 3.40; geb. M. 4.20

Das Leben der Schwerter Maria vom göttlichen
Herzen (1863—1899), die nach langem, ftandhaft ertragenem
, fchmerzlichem Leiden als Oberin eines mit der
Erziehung verwahrlorterMädchen fich befaffenden Nonnen-
klorters in Porto geflorben ift, gleicht in feiner ganzen
Anlage und Darfteilung den vulgären Heiligenbiographien,
die in ihrer Bewunderung für die Werke und Tugenden
ihrer Helden kaum mehr ein Maß kennen, während der
nüchterne Beobachter fich verwundert nach ihren pofi-
tiven Leiftungen umfieht. Glühende Verehrung des
Herzens Jefu und des Altarfakramentes find die beiden
charaktenrtifchrten Merkmale ihrer Frömmigkeit, und zu
ihnen gefeilt fich bei Schwerter Maria im weiteren eine mit
ihrer zarten Natur auffallend kontraftierende Luft am
Leiden, das fie durch die zwar häufigen, aber merkwürdig
eintönigen .Offenbarungen' ihres göttlichen Bräutigams als |
eine Sühne für die feinem Herzen durch die fündige Welt
zugefügte Unbill und als Mittel zu einer immer innigeren
Vereinigung mit ihm betrachten zu follen glaubt.
Nimmt man dazu noch die durch das Bußfakrament bedingte
, ja förmlich gewollte, oft geradezu krankhafte innere
Unfelbftändigkeit, fo ift damit wohl das Wichtigfte genannt,
was Schwerter Maria in den Augen der modernen katho-
lifchen Devotion bereits jetzt als Heilige erfcheinen läßt;
während für die erhoffte Heiligfprechung von feiten der
Kirche der Umrtand befonders ins Gewicht fallen wird,
daß fie durch die Mitteilung ihrer Vifionen an Leo XIII
die mittelbare Urfache der päprtlichen .Großtat' der Weihe
der gefamten Menfchheit an das göttliche Herz Jefu
geworden ift. Ihre Offenbarungen erinnern mehrfach an
die Schriften der Mechtild von Hackeborn und anderer
myftifcher Nonnen des Mittelalters, erreichen fie aber
weder an Tiefe noch an Gedankenreichtum, variieren
vielmehr immer nur den einen Gedanken, daß fie, Schwerter
Maria, von Jefus zu feiner befondern Vertrauten, ja zur
Braut feines Herzens erkoren worden fei, und daß er ihr
noch viele Gnadenerweifungen wolle zukommen laffen,
wenn fie gewillt fei, mit ihm und für ihn zu leiden. Am
bedeutfamrten ift für mich bei der Lektüre diefes Buches
das geworden, daß es mir fortan eine treffliche Illuftration
für die Erkenntnis bietet, wie völlig die perfönliche Gegenwart
Jefu für den gläubigen Katholiken mit dem
Altarfakrament zufammenhängt. Der Druck und die
Ausflattung des Werkes find wie wir dies bei Herder
gewohnt find vorzüglich.

Bremgarten. A. Bruckner.

Granderath, Theodor, Gefchichte des Vatikanifchen Konzils

von feiner errten Ankündigung bis zu feiner Vertagung
. Nach den authentifchen Dokumenten dargeftellt.
Dritter (Schluß-) Band: Vom Schluffe der dritten
öffentlichen Sitzung bis zur Vertagung des Konzils.
Die Aufnahme der Konzilsentfcheidungen. (Die päpft-

liche Unfehlbarkeit.) Freiburg i. B., Herder 1906.
(XXI, 748 S.) gr. 80 M. 12—; geb. M. 14.60

In Nummer 4 des Jahrgangs 1905 (Sp. 116—119)
habe ich die beiden errten Bände der offiziellen Gefchichte
des vatikanifchen Konzils von Theodor Granderath S. J.
ausführlich befprochen und kann mich deshalb in meinem
Urteil über den dritten (Schluß-) Band, durch den das
großangelegte Werk komplett geworden ift, fehr kurz
faffen, da alles, was ich dort über die Quellen, die Methode,
die Darftellung und den Standpunkt der beiden errten
Bände bemerkt habe, auf diefen letzten Band ebenfo zutrifft
.

Der Verfaffer erzählt, oder beffer gefagt, referiert
darin auf 721 Seiten über die dramatifch bewegten Kämpfe
um die Definierung der Univerfalgewalt und der Unfehlbarkeit
des Papftes vom 24. April — 18. Juli 1870 und
die einmütige .feelenftarke' Ünterwerfung fämtlicher
Minoritätsbifchöfe unter die dogmatifche Konftitution
des Pastor aeternus, fowie anhangsweife über die errten
Anfänge des Kulturkampfes und des Altkatholizismus
in Deutfchland, Öfterreich und der Schweiz. Während
Granderath (Kirch) im errten Buche (Die Entrtehung der
errten dogmatifchen Konftitution über die Kirche bis zu
den konziliarifchen Debatten, S. 1—136) den wichtigeren
Vorgängen und Erfcheinungen außerhalb der Konzilsaula
noch eine eingehende Aufmerkfamkeit fchenkt, fo konzentriert
fich fein Intereffe im zweiten und dritten Buche
(Die Generaldebatte über das Schema der errten Konftitution
von der Kirche Chrifti, S. 137—292; Die Spezialdebatte
über das Schema der errten Konftitution von der Kirche
Chrifti und die dogmatifche Fertrtellung der Conftitution
in der vierten öffentlichen Sitzung, S. 293—516) fo aus-
fchließlich auf die Reden, die in den Generalkongregationen
gehalten wurden, daß wir für die Kenntnis der inneren
Gefchichte des Konzils fart ganz auf Döllingers und Friedrichs
Mitteilungen angewiefcn bleiben. Dafür werden uns aber
fart alle Reden, die in jenen Tagen gehalten wurden, in
langen, z.Tl. wörtlichen Auszügenausdem ftenographifchen
Protokoll vorgeführt, und dabei taucht dann freilich öfters
ein unwefentliches Detail auf, das man bei Döllinger und
Friedrich noch vergebens fuchen würde. Obgleich aber
Granderath jede brauchbare Gelegenheit benützt, um die
Döllinger-Friedrichfche Darftellung zu bemängeln, fo
wird man doch durch ihn im ganzen — gewiß gegen
feinen Willen, in dem Eindruck bertärkt, daß diefe beiden
über die Gefchichte des Konzils vorzüglich orientiert
waren. Die Lektüre diefer Reden wirkt auf die Dauer
recht ermüdend, da fie mcift ziemlich eintönig diefelben
Gedanken variieren und fich feiten durch befondere
Geirtesgröße oder Gedankentiefe auszeichnen. Doch enthalten
fie viel brauchbares Material für eine Gefchichte
der katholifchen Theologie und zur Erklärung des heute
noch umrtrittenen Umfanges der päprtlichen Unfehlbarkeit.
Auch ift es lehrreich, einen authentifchen Einblick zu gewinnen
in die oft mehr als naive Art, mit der die Theologen
der Mehrheit die tatfächlich beftehenden Schwierigkeiten
aus der Welt zu fchaffen wußten. Der Wert des vierten
Buches (Das Konzil nach der vierten öffentlichen Sitzung.
Seine Vertagung. Die Aufnahme der Konzilsdekrete,
S.517—728) befteht in der wörtlichen Mitteilung zahlreicher,
ausführlicher Aktenrtücke aus der Gefchichte der Unterwerfung
der Minoritätsbifchöfe, deren Studium wie überhaupt
das des ganzen Konzils ein heilfames Gegenmittel
gegen die neuerdings wieder beliebte evangelifche Überschätzung
des Reformkatholizismus bilden dürfte.

Im einzelnen verdient erwähnt zu werden, daß die
berüchtigte Befchlagnahme der Kettelerfchen Quacstio
(Quirinus p. 346) durch die römifche Poll nicht nur durchaus
zutrifft (p. 39f), fondern daß der Papft fogar kurze
Zeit nach der Verteilung derfelben in einer Audienz dem
Bifchof Seneftrey von Regensburg gegenüber folgende
denkwürdige Äußerung tat: ,Die Schrift ift gegen mich