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Ausgabe:

1907 Nr. 13

Spalte:

387-388

Autor/Hrsg.:

Goetz, Leopold Karl

Titel/Untertitel:

Das Centrum eine konfessionelle Partei 1907

Rezensent:

Bruckner, Albert

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Seite 1

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387

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 13.

388

verzerrt Tie wiederholt die katholifche Pofition und verlieht
es nicht, die innerliche Gefchloffenheit und Wucht
des Proteftantismus zum Ausdruck zu bringen. Wir bedürfen
heute eine ganz andere Art der Polemik, als fie
das 16. Jahrhundert zu geben vermochte.

Rein hiftorifch angefehen ift die 1551 im Hinblick
auf das Konzil verfaßte Antithefenreihe Bullingers nicht
unintereffant, obfchon doch zu wenig charakteriftifch, um
den Neudruck zu rechtfertigen. Es ift wenig eigentlich
Bullingerifches darin; zu der Hervorkehrung des für
Zwingli und Bullinger befonders bezeichnenden Bundesgedankens
gab diefe antikatholifche Schrift gerade
keinen Anlaß. Es treten alfo nur die allgemein reformierten
Merkmale in der Zeit des beginnenden Epigonen-
ftadiums heran. Der ganze Gegenfatz wird darauf zurückgeführt
, daß die Evangelifchen mit dem Schriftprinzip
Ernfi machen, die Baepftifchen dagegen nicht. Das wird
illuftriert an der Art des Gottesdienftes, der ausfchließ-
lichen Zentralfteilung Chrifti, der Auffaffung von Kirche
und kirchlichem Amt (hierauch Buße und Rechtfertigung)
und der Sakramentslehre. Das fpezififch Reformierte tritt
in dem puriftifchen Schriftprinzip und in der daraus gefolgerten
Ablehnung der Bilder und Zeremonien, auch
des Gefangs und der Beichte, fowie in der Abendmahlslehre
hervor, kurz gefagt in der Wertlegung auf rein
fchriftgemäße Gottesverehrung. Sonft findet fich, etwa
außer der fehr ftarken Schätzung der Obrigkeit im Sinn
des Staatskirchentums, kaum etwas befonders Charakterifti-
fches. Daß der kleine Traktat von den letzten Dingen
fchweigt, beweift gar nichts für den .gefunden, nüchternen
und praktifchen Sinn des Zürcher Antiftes', fondern kommt
daher, daß fich der konfeffionelle Gegenfatz auf diefe
gemeinfamen Vorausfetzungen eben nicht bezog. Weshalb
gerade der Heidelberger Druck von 1571 für die
1551 in Zürich erfchienene Schrift bevorzugt wurde,
weiß ich nicht.

Bafel. Paul Wer nie.

Goetz, Prof. Dr. Leopold Karl, Das Centrutn eine konfeffionelle
Partei. Ein Beitrag zu feiner Gefchichte.
Bonn, F. Cohen 1906. (220 S.) gr. 8° M. 3 —

Der bekannte Bonner Gelehrte bietet uns in feiner
neueften Schrift eine ebenfo klare als gründliche Unter-
fuchung der Frage: ,Ift das Zentrum eine konfeffionell-
kirchliche oder eine politifch- nationale Partei?' die unter
dem Eindruck der jüngften Reichstagswahlen weithin
einem gefteigerten Intereffe begegnen wird. Obwohl
fein Refultat felbft in keiner Weife mehr neu ift, fo ift
doch die Art und Weife, wie er dasfelbe gewinnt und
begründet, äußerft lehrreich und überzeugend, und dürfte
es den Sachwaltern des Zentrums äußerft fchwer fallen,
diefes wuchtige Zeugnis zu entkräften. Denn es ift nicht
nur das Zeugnis des Bonner Altkatholiken, fondern der
gewichtigften Stimmen aus den Kreifen des Zentrums felbft,
das hier auf diefe Frage Antwort gibt. Auf Grund einer
jahrelang unermüdlich fortgefetzten, umfaffenden Sammlung
der bedeutfamften Preßftimmen fowie der diesbezüglichen
Äußerungen hervorragender Abgeordneter,
Staats- und Kirchenmänner von hüben und drüben, von
Wahlaufrufen, Brofchüren, Traktaten und zahlreichen anderen
, einfchlägigen Schriften der verfchiedenften Art
beftimmt Götz den Charakter des Zentrums als einer
kirchlich-konfefiionellen Partei, die dem Wefen des
modernen interkonfeffionellen Staates durchaus heterogen
ift und darum niemals eine zuverläffige Stütze desfelben
werden kann. Dabei geht er in der ganzen Schrift mit der
gleichen Ruhe und Objektivität vor, gleich als ob er eine
neu entdeckte Pflanze in eine der verfchiedenen Linne-
ifchen Klaffen einreihen wollte.

In den erften 2 Paragraphen beftimmt Götz zunächft
die wefentlichen Kriterien, an denen man erkennen kann,
ob eine Partei eine politifche oder eine konfeffionelle ift,

[ um alsdann in den drei Kapiteln (Entftehung des Zentrums
, S. 40—105; Umbildung des Zentrums S. 106— 119;
Das heutige Zentrum S. 120—203) die Gefchichte des
Zentrums in feinen Hauptepochen daraufhin abzuhören, ob

t es diefe Merkmale aufweift oder nicht. Die erdrückende

i Antwort lautet ja. Denn das Zentrum beftand und be-
fteht mit verfchwindenden Ausnahmen, die nur die Regel

j beftätigen, nur aus Mitgliedern der römifchen Konfeffion.

i Für feine Ausgeftaltung und Verftärkung werden die
Organifation und die kirchlichen Berufsarbeiter der römifchen
Kirche in Bewegung gefetzt. Seine Mitglieder
machen die Lehren diefer Kirche zu ihrer oberften Richt-
fchnur, vertreten fyftematifch die Intereffen derfelben
und beurteilen im politifchen Leben Perfonen wie Sachen
nach ihrer Übereinftimmung mit diefer ihrer Kirche.
Daneben kann und muß es natürlich auch politifchen Angelegenheiten
feine Aufmerkfamkeit fchenken, aber wenn

I die Intereffen feiner Kirche oder Konfeffion feine Hauptaufgabe
und das zufammenhaltende Element der Partei
bilden, fo hindert diefe politifche Tätigkeit doch nicht,
ihm mit vollem Recht den Charakter einer konfeffionellen
Partei zuzuerkennen. Zweifellos wird die offizielle Zen-
trumspreffe nicht unterlaffen, diefes unbequeme Zeugnis in

I jeder Weife als falfch und irrig, tendenziös und verleum-
derifch zu verdächtigen, aber es fleht doch zu hoffen,
daß die zahlreichen Exzeffe der römifchen Geiftlichkeit
bei Anlaß der jüngften Reichstagswahlen dem Zeugnis
des tapferen Gelehrten auch bei vielen Katholiken eine
gute Stätte bereiten werden, umfomehr als felbft hohe

j Geiftliche des kaudinifchen Joches der Zentrumsherrfchaft
müde zu werden fcheinen und auch das Beifpiel der
Schweiz erwarten läßt, daß bei größerer politifcher Reife
der katholifchen Volksmaffen eine derartige Verquickung
von Politik und Religion immer lebhafter als unwürdig
empfunden und damit auch die Macht und der Einfluß des

I Zentrums von felbft zurückgedrängt werden wird. Und
auf dem Wege dahin kann auch diefe gehaltvolle Schrift
einen Schritt weiter helfen.

Bremgarten. A. Bruckner.

Berichtigung.

In dem Referat über Clemen, die Entftehung des Neuen Teftaments
(Nr. 12, Sp. 354), ift in dem Satz, daß Ephefer den 2. Petrusbrief benützt
hat, felbftverftändlich zu lefen: I. Petrusbrief.

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