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Ausgabe:

1907 Nr. 12

Spalte:

349-352

Autor/Hrsg.:

Lods, Adolphe

Titel/Untertitel:

La croyance á la vie future et le culte des morts 1907

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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349 Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 12. 350

Lods, Adolphe, Lacroyanceälaviefutureetlecultedes morts liehen Lebenshauches den im Todesaugenblick Gott zu-

. „ . / t " .__^ p„ris Rifrhhacher rücknimmt, fchon aut den Plan getreten llt.

danslant.qu.telsraehte. 2 tomes. Paris, 1 Hchbacner ^ Verfchiedenheit der Bedeutung der Trauer-

1906. (VIII, 292 et VI, 160 p.) gr. 8U. brauche, denen L. im zweiten Teil feines Buches zunächft

Der Vortrat von Ad Lods ,Les Israelites croyaient- im einzelnen nachgeht, kennzeichnet er durch die Unter-
ÜS ä la vie futurer', den ich in der Nummer vom 27. Mai fcheidung von ,rttespreservaU/s' (Cap. 1) und ntes pro-
1905 diefer Zeitung anzuzeigen hatte, war nur der Vor- frement rehgicux' (Cap. 2) Dabei ift fein methodologi'cher
Uufer eines großen Werkes das der Vf. über ein ent- [ Leitfatz: ,// nous parait donc de banne methode lorsqu
fprechendes Thema in Vorbereitung hatte. Sein Erfcheinen un rite de deuil se retrouveranon seulement dans le culte,
ift freudig zu begrüßen denn L. liefert uns damit eine man dans d'autres tabous, den chercher l origine de pre-
ganz vorzügliche Arbeit! die wohl ein standard-work in /erence dans la crainte d un espnt, qm sera naturellement
der Frage |enannt zu werden verdient. « Esprit du morf (1,81) Wenn man fich alfo z .

Bei Anlaß der Anzeige von Grüneifens Buch: ,Der angefichts eines Toten die Kleider zerreißt, fie wechfelt,
Ahnenkult und die Urreligion Israels' (ThLZ 19OO Nr. 23) ! die Sandalen ablegt oder fich ganz nackt auszieht fo
hatte ich die Problemftellung ob der Ahnenkult die Ur- | erklart L. d.efe auch in andern Tabufallen wiederkehrenden
religion Israels gewefen fei, beanftandet, indem ich darauf ; Bräuche als Mittel f.ch vor den Gefahren der labuierung,
hinwies es fei vielmehr das die Frage, ob für die Stufe, J der die Kleidungsnücke, zuma Kleiderfalten befonders
wo Israel noch in der polydämoniftifchen Anfchauung | ausgefetzt find, zu fchutzen Ich weiß doch nicht, ob
befanden ift Toten- bezw Ahnenverehrung als eine < nicht fchon bei diefen Brauchen kultifche Gedanken im
Äußerun^sform des religiöfen Lebens anzunehmen fei. , eigentlichen Sinne mit hineinfpielen, indem ich geneigt bin
Ich freue mich zu fehen daß L. das Problem in diefer einen Zufammenhang des Kleiderzerreißens mit der für

Weife aufgefaßt hat: vgl. II, 126: ,Nous avons cru de-
voir renoncer a determiner si cette religion a ete la regton
primitive des Semites. II nous a suffi de constater
tte, aussi haut quon puisse remonter, on la trouve a ebte
des autres formes de la religion semitique: culte des ar-
bres, des sources, des pierres, des montagnes, des animaux,
des astres. La crainte et la veneration des esprits tri

Israel allerdings nicht ausdrücklich bezeugten Sitte des
Kleideropfers an die Toten anzunehmen, und für die kultifche
Bedeutung der Nacktheit L. auf K. Weinholds Abhandlung
,Zur Gefchichte des heidnifchen Ritus' verweife
(AbhBAW 1896, 1—50). Dagegen mag L. mit einer ent-
fprechenden Erklärung der Sitte des Bartverhüllens, das
auch dem Ausfätzigen vorgefchrieben ift, auf der richtigen

passes a ete chez les Semites, comme dans la plus grande Spur fein. Ich erinnere daran, daß zur Vermeidung der Ge-
Partie de /''humanite. l'unc des manifestations primordiales fahren des gefchlechtlichen Tabu bei den Griechen noch
du sentiment reli^ieux' (vgl. auch I, 11). in hifforifcher Zeit zu Argos und auf Kos die Sitte wollte,

Diefes Refultat bedeutet aber keineswegs, daß L. nur j es müffe die Braut im Brautgemach einen Bart tragen und
blindlings in die Pofitionen Stades und Schwallys ein- ; dt r Bräutigam in Frauenkleidern feine Frau empfangen (vgl.
getreten wäre. Er bezeichnet felbft (II, 125) die Haupt- l Edv. Lehmann in .Kultur der Gegenwart I, III, 1, 19).

enterfchiede feiner Auffaffung gegenüber der der Genannten
wie folgt: i°) les rites funeraires ne sont pas tous
des rites propitiatoires: ce sont en grande partie des rites

Es legt allerdings gerade diefes Beifpiel zugleich den
Gedanken an abfichtliche Verftellung und Unkenntlich-
machung nahe. Diefem Zweck, fich dem Totengeift un-

Prhernat'ih ' 2°) le culte des ancetres liest pas le fonde- kenntlich zu machen, foll nach L, der hier der Hypothefe
mStlSSSor 2 o^Porgamsation sociaUdes Seiutes: Frazer's u. a. folgt die Verwendung von Maubund Afche
ni lafam le fatriarcale, ni la nulpähäh (NB. es follte als Trauerbrauch dienen wahrender

»'Upab h gefchrieben werden wie l 117 sa/ad ftatt sä/ad), kultifche Deutung beachtenswerte Grunde ins Feld fuhrt.
quis lon W est anterieure a la famille, ne sont nees I Als Stutze hatte L. vielleicht noch der Hinweis auf.TJß =
* scion nous tsi «« / trauern, eigentlich: trübe, fchwarz fein, helfen können.

M^t (fem SÄr beiden Sätze ift gefagt, daß : Vielleicht kommt diefem Motiv der Unkenntlichmachung
L. nicht meint das gefamte Verhalten den Toten gegen- , m den israelit.fchen Trauerbrauchen im Allgemeinen fo-
über ausdeinem einheitlichen Prinzip ableiten zu können gar eine größere Bedeutung zu, als L fie ihm im Ganzen
(vgl auch I 80 26A Fr hat damit unzweifelhaft Recht; einzuräumen geneigt ift. Ich verweife dafür z. B. auf die
u&Ä'lS^JLDI^rHta eher zu erwarten : fchr charakteriftifche jüdifche: Sitte die ich aus mündlicher
»1« Konfccmenaund Svfleml Es gilt von Fall zu Fall zu Mitteilung kenne, daß wahrend des Trauerjahres d,e
entfSeicf^ mir L.s gründliches Trauernden ihre Plätze in der Synagoge wechfeln Beim

Vorgehen ä„«ae7eirhnet Fs leitet ihn ein ruhiges, ge- 1 Verbot fich zu wafchen, wurde ich weniger daran denken,
CS ^ glägn«enden > daß Wafter die Geifter vertreibe daß man alfo hätte ver-

ßeherrfchung des Materiales, nicht allein des biblifchen | hüten wollen, fie^ durch zu frühzeitige Vertretung zu reizen

jondern des allgemein-religionsgefchichtlichen, in weitem
Dmfang verbindet.

Schon dieanthropologifchenund pfychologifchen Vor-
ausfetzungen der Israeliten, deren Darftellung L. nach einem

(I, 114), als vielmehr daran, daß man das Kontagium mit
Waffer, das durch einen Todesfall befonders leicht tabuiert
wird (vgl. Num. 19, 15), zu vermeiden fuchte. Von der
Furcht vor folch tabuiertem Waffer fpricht L. felbft in

Anleitenden kritifchen Überblick über die Gefchichte der ; anderm Zufammenhang (I, 178). Daß es bei den fpätern
W'ffenfchaftlichen Behandlung des von ihm unterfuchten j Juden ausgegoffen zu werden pflegte, bezeugt z. B. auch,
yoblems den erften Teil feines Buches widmet, ,La notion 1 worauf mich ein jüdifcher Hörer einft aufmerkfam machte.

de ränte dans fanden Israel', fpotten jeder fyflematifchen
Einheit: ,Le langage renfermait engermeplusieurs coneep-
tons anthropologiques divergentes, qui ont ete developpees
y*r a tour selon les tendances des diverses epoques' (I, 66).

on Alters her aber herrfcht in Israel wie andeiwärts die
.vorflellung, daß der Menfch ein zweites Ich (un double)

Jore Deah Cap. 339. Der Kommentator Jofeph Caro begründet
die Sitte mit der hüblchen und lehrreichen Um-
deutung: .weil der Todesengel den Gifttropfen, mit dem
er tötet, in das Waffer wirft'!

Ift es alfo die Furcht des Kontaktes mit dem Totengeift
, woraus die genannten und weitere Trauerfitten

----- - . 11 neu

•fweilig ' Twie z B daß man feinen Sitz verläßt und fich auf den
"» Ach habe, das ihn belebe -feiner1 Korper «irweiij , fo fprechen fie an fich noch nicht

verlaffe und ihn nach dem Tode überlebeS -°w,em für Totenkult, aber fie find feiner Annahme nicht ungünftig;
mefes zweite Ich identifch fei mit dem Hauen oaer m ; Geeentei] ift Furcht ja doch ein wefentliches Element
(== nefes, in gewiffen Fällen ;«"//). Diefer animmncn ^ r^mitiv^n Religion der Semiten. Und nun find für
Ledanke ragt noch bis in die Zeit hinein wo tiie m j Tote«;kull. direkt beweifend die Trauerbräuche, die L.
theologifche Vorftellung eines dem Menlcnen oe' , ^ entlichen Sinne religiöfen nennt: darunter ver-
^chöpfung von Seiten Gottes eingegebenen unperion 1