Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1907

Spalte:

338-339

Autor/Hrsg.:

Müller, Johannes

Titel/Untertitel:

Hemmungen des Lebens 1907

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

337

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. n.

338

Lebenden fühlen fich ihm für erfte Anregung oder Belehrung
auf dem betreffenden Gebiet zu Dank verpflichtet.
Und fo darf denn jeder einfchlägige Beitrag aus feiner

Folgt der zweite und erheblich längere Teil, der ein
Bild der wichtigflen gefchichtlichen Religionen entwirft.
Es werden gefchildert: Die ,chineflfche' Religion, das

Feder von vornherein eines befondern Intereffes flcher fein, heißt, nach einer kurzen Skizzierung des gemeinfamen
Allerdings beanfprucht was hier dargeboten vvird,nicht Ausgangspunktes der Taoismus und der Konfuzianismus;

den Wert neuer fundamentaler Erkenntniffe. Es handelt fleh
vielmehr um die Reproduktion bereits bekannt gegebener
und relativ abgefchloffener Anfchauungen in der leichteren
Form freier akademifcher Vorträge, die im Winter-
femefler 1905 06 [an der Berliner Univerfltät vor einem
größeren Publikum gehalten worden find. Was aber dem
Verf. in letzter Zeit wiederholt nachgerühmt worden ill,
bewährt fich auch diesmal an mehreren Stellen: daß
er an einer angeeigneten Auffaffung keineswegs un-

- — —,.'.A'.a~*m »,„rl narVl

die ägyptifche Religion unter mannigfacher Berück-
fichtigung der Darftellung Ermans; die ,babylonifche'
Religion, wobei den an das A. T. anklingenden Mythen
und den Bußpfalmen befondere Beachtung gefchenkt
wird; die ,Religion Zarathuftras' und, wefentlich im An-
fchluß an Cumont, der Mithraskult; der Brahmanismus,
der Buddhismus unter Bevorzugung der nördlichen Überlieferung
; die ,griechifche' Religion (homerifche Mythologie
, Demeter- und Dionyfoskult, ürphismus, Philofophie);

— an ' Iii' 1 rtll^ttlglii-ii-ii - -—--------0 ---

beweglich fefthält, fondern diefe zu revidieren und nach | die Religion Israels; die Religion des nachexilifchen
der einen oder andern Seite hin zu vertiefen und zu r*u~ift~nt„wn. jor iti,m (*ii-nr*u;rrU*><,

vervollkommnen, fich unverdroffen beftrebt zeigt. Wie
weit ift doch allmählich, um nur ein Beifpiel anzuführen,
feine ganze Theorie vom eigentlichen Intellektualismus
abgerückt!

Die fünfzehn Vorlefungen gliedern fich von felbfl in 1 Bouffets paralleles und gleiche Zwecke verfolgendes Buch

Judentums; das Chriftentum; der Islam (altarabifches
Heidentum, Mohammed, Schiiten, Mutaziliten und Sufiten ).

Selbftverftändlich ließe fich bei diefer Charakteriftik
der verfchiedenen Religionen vieles anders denken und
wenden, als es hier gefchieht: allein fchon ein Blick auf

würde genügen, um davon zu überzeugen. Es wäre
denkbar, daß manchem an einzelnen Stellen etwas mehr,
an andern etwas weniger Referve erwünfeht fcheinen
könnte: jenes beifpielsweife in den Ausführungen über
die Anfänge der Religion und über die Genefis des
Mazdeismus; diefes etwa inbezug auf die der homerifchen
Religion voraufgehenden und neben und nach ihr fort-
fie in fich fchließt, nicht in vollem Sinne des Wortes be- J wuchernden Kulte. Die Frage ift nicht ausgefchloffen,
weisbar ift kann er doch als vernünftig dargetan werden, ob nicht durch Vergleiche wie den zwifchen Kongtfe

• - •«-- « tr ' j---tr--------1 j---tt:-Li.r.i___/-_r_i_ j__

zwei ungleiche Hauptteile, die durch einen Ubergang
lofe verknüpft find. ,,, r ,

Der erfte (Vorlefung I—III) handelt vom Wefen der
Religion und deren wichtigflen Beziehungen. Sie darf
in methaphyfifch-pfychologifcher Hinficht kurz gekennzeichnet
werden als Gebundenheit an Gott in Furcht,
Dankbarkeit und Vertrauen. Obwohl der Glaube, den

fofern er den Gegenfatz zwifchen dem Reich der theo-
retifchen Vernunft, dem Sein, einerfeits und dem Reich
der praktifchen Vernunft, dem Sollen, anderseits in
einer höchften Einheit überwindet. Eben aus der Art,
wie diefe Synthefe vollzogen wird, laffen fich zugleich die

* _ m 1 ___r_1_ " _ L 4 1 ! 1, ^_ D / Ji.Tinnnn

und Kant, dem Karma und dem Fichtefchen Gefetz der
fittlichen Weltordnung und viele ähnliche den didak-
tifchen Intereffen zu viel geopfert worden ift. Am Ende
fleht aber da durchweg Anfchauungsweife gegen An-
fchauungsweife; und es wäre kleinlich, einer großzügigen,
zwei vornchmften Typen der gefchichtlichen Religionen [ gerade in ihrer einfachen und klaren Linienführung fehr
begreifen, von denen bei dem Ausgleich die einen dem | anfehaulichen und lehrreichen Schrift gegenüber derartige
bein, die andern dem Sollen die größere Bedeutung ein- Skrupel geltend zu machen. Ein Bedenken indeffen kann
räumen, während das Chriftentum, wenigftens prinzipiell, Ref. nicht unterdrücken. Es betrifft die Darftellung
die genaue Mitte einhält. Da an der Religion nicht bloß des Chriftentums. Auch wer geneigt wäre, die Pfleiderer-
die Vorftellung, fondern ebenfo das Gefühl und der ! fche Auffaffung diefer Religion grundfätzlich gut zu
Wille beteiligt find, fleht fie immer in feftem, freilich heißen, müßte zugeben, daß fie in der vorliegenden
bald mehr bald weniger engem Zufammenhang mit der j Publikation keinen befonders glücklichen Ausdruck
Moral : die Meinung, " daß beide Faktoren ,urfprünglich ; gefunden hat. Oder ift es wirklich eine durch keiner-
völlig getrennt gewefen feien, ift grundfalfch, ein faft un- lei Formalismus beeinflußte Charakteriftik, wenn das
begreiflicher Irrtum'. Da ferner bei der Ausbildung reli- j fpezififche Merkmal des Chriftentums darin aufgezeigt
giöfer Lehre auch die Phantafie mitwirkfam ift, find Kon- j wird, daß es die ,drei Grundformen des Erlöfungs-
fbkte mit der Wiffenfchaft unvermeidlich (was einiger- [ glaubens'. nämlich an eine .zukünftige', an eine .vermaßen
einfeitig nur am Chriftentum veranfehaulicht wird), i gangene' und an eine .gegenwärtige Erlöfung', in fich be-
Und es ift nun ganz verkehrt, die Zwiespältigkeiten ab- faßt? Wird dabei nicht mit Begriffen operiert, die doch
leugnen oder vertufchen zu wollen. Sie follcn aus- wohl nur feheinbar keine disparaten find? Noch viel
gefochten werden, nicht zum Schaden, fondern im In- anfechtbarer allerdings dünkt den Unterzeichneten die Betereffe
der Religion. Denn wenngleich diefe fich hier [ hauptung über den genetifchen Zufammenhang zwifchen
und dort Korrekturen wird gefallen laffen müffen, fo den Bräuchen des Adoniskults in Antiochien und der
bann fie doch alles in allem getroft in die Auseinander- paulinifchen Lehre vom Werte des Todes und der Auffetzung
eintreten, da fchließlich die Wiffenfchaft, wie aus , erftehung Chrifti. So geiftreich fie klingt, fie gehört zu
ihren wichtigflen Grundbegriffen einer Gefetzmäßigkeit denjenigen, die eher geeignet find, die religionsgefchicht-
und Entwicklung; des Alls erhellt, den Gottesglauben als liehe Methode zu diskreditieren als zu empfehlen. Allein

ihre unentbehrliche Vorausfetzung involviert

fchon die auffallend hohe Gefühlstemperatur, in die

Den Übergang vom erften zum zweiten Teil bildet I gerade die betreffenden Auslagen des Apoftels getaucht
Vorlefung IV über die Anfänge der Religion. Obwohl find, bedeutet einen gewichtigen Einwand gegen fie, von
der Verf mit einem Bekenntnis der Unzulänglichkeit ] Stellen wie Gal. 4,10f. gar nicht zu reden,
unteres diesbezüglichen Wiffens einfetzt, insbefondere , Straßburg i. E. E. W. Mayer

dle'^SSn^ ablehnt ^$£$££2% Müller, Dr. Johannes, Hemmungen des Lebens. München

legung der pfychologifchen Vurze^SG^ubensformen | C. H. Beckfche Verlagsbuchhandlung 1907. (III, 202 S.)

der ,theoretifchen Grundlage der en ^ die Vef. go M ^ geb M 3_. |n Leder M

begnügen will, läßt %[^^oni ,n der Natur- und j Bändchen fünf Auffätze

AS^J&L^^if waren, ein na, - ! Es ft

"höheren Stufe begegnet uns dann der Polytne smu , , hören zu dem Beften was m feinem Organ geboten

fich endlich entwedir zum Pantheismus oder zum Mono ^ .ft ^ fo gründUch durchgearbeitet und gut
theismus weiter entwickelt.