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Ausgabe:

1907 Nr. 1

Spalte:

7-10

Autor/Hrsg.:

Strack, Hermann L.

Titel/Untertitel:

Einleitung in das Alte Testament einschließlich Apokryphen und Pseudepigraphen. 6., neubearb. Aufl 1907

Rezensent:

Baentsch, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 1.

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Die Urkunden beweifen alfo, daß uns Pfeudo-Arifteas
trotz aller Fabeleien hier wie anderwärts eine richtige
Überlieferung erhalten hat. Allerdings find auch fchon
zur Zeit des Jeremia Juden nach Oberägypten gewandert
(Jer. 41, 17 —18 und c. 42—44, vgl. bef. 44, I, wonach
damals Juden bis Pathros, d.h. Oberägypten, kamen);
und die Drohung des Jeremia, daß fie alle untergehen
werden, wäre kein Beweis gegen ihre Fortexiftenz im
fünften Jahrhundert. Aber die Notiz des Aristeas ift in
jeder Beziehung zur Erklärung der Urkunden von Affuan
beffer geeignet als die des Jeremia.

Der Reichtum an neuen Auffchlüffen und zugleich
an Problemen, welche diefe Urkunden bieten, wird ficher-
lich noch viele Erörterungen veranlaffen. Die ungewöhnliche
Bedeutung des Fundes mag auch den Umfang diefer
Anzeige rechtfertigen. — Eine eingehende Würdigung
des fprachlichen Charakters hat bereits Nöldeke gegeben
(Zeitfchr. für Affyriologie XX, S. 130—150).

Göttingen. E. Schürer.

Strack, Prof. D. Hermann L., Einleitung in das Alte Telta-

ment einfchließlich Apokryphen und Pfeudepigraphen.
Mit eingehender Angabe der Literatur. 6., neubearbeitete
Auflage. München, C. H. Beckfche Ver-
lagsbuchh. 1906. (VIII, 256 S.) gr. 8°

M. 4.— ; geb. M. 4.80

Stracks Einleitung in das Alte Teftament, die zum
erftenmale im Jahre 1883 als Befiandteil des von
O. Zöckler herausgegebenen ,Handbuches der theolo-
gifchen Wiffenfchaften' erfchienen war, liegt jetzt in
6. Auflage vor. Damit hat das Buch felbft den durch
keine Kritik zu erfchütternden Beweis erbracht, daß es
fich weiten Kreifen als brauchbar und nützlich erwiefen
hat. Gegenüber der 5. Auflage (1898) ift das Buch um
24 Seiten gewachfen, doch würde nach des Verf. Berechnung
der neu hinzugekommene Stoff reichlich 4 Bogen
füllen, wenn er es nicht verftanden hätte, durch andre
Einrichtung des Satzes, Kürzung des Ausdruckes und
Tilgung entbehrlich gewordener Literaturangaben die
Vermehrung des Umfanges auf die oben angegebene
Seitenzahl zu befchränken. Neu hinzugekommen ift
§ 14 (befonders wichtige Stücke des Pentateuchs) und
§ 18 (Einrichtung der neueren Drucke des A. T.); ferner
find überall die neueften Forfchungsergebniffe, foweit fie
dem Verf. wichtig fchienen, nachgetragen und das Literaturverzeichnis
bereichert.

Dem Charakter und der Anlage nach ift das Buch
das alte geblieben. Charakteriftifch ift das Beftreben des
Verf., den Inhalt der einzelnen Bücher des A. T. mög-
lichft ausfuhrlich durch Mitteilung von oft bis in's Ein-
zelnfte gehenden genauen Dispofitionen zu fkizzieren.
Charakteriftifch find ferner die überaus reichen Literaturangaben
(vgl. namentlich S. 6 —14, 126—128,
232—256), die das Buch auch für den wertvoll machen,
der auf grundfätzlich anderem Boden als der Verf. fteht.
Charakteriftifch ift ferner der ausgefprochen konfer-
vative Zug des Verf., der zwar der Kritik grundfätzlich
nicht feindlich gegenüberfteht, mit ihr fogar auf weite
Strecken tapfer zufammengeht, aber doch von der Tradition
zu retten fucht, was fich nur immer, wenn auch
oft nur mit recht unzureichenden Mitteln, von ihr retten
läßt. Bietet fein Buch fo auch manchen Angriffspunkt,
fo ift es doch andrerfeits immer wieder als ein weit in
das fogen. pofitive Lager vorgefchobener Vorpoften der
Kritik zu bewerten, der es fich angelegen fein läßt, der
wiffenfchaftlichen Kritik ihr gutes Recht in Kreifen zu
erkämpfen, die ihr aus falfch verftandenen religiöfen Bedenken
noch immer prinzipiell ablehnend gegenüber-
ftehen zu müffen glauben (vgl. hierzu namentlich die
guten Bemerkungen auf S. 23 und auf der erften Seite
des Vorworts Z. 5 v. u.).

Hinfichtlich der Anlage ift zu bemerken, daß det
Verf. die fpezielle Einleitung in die einzelnen Bücher
(einfchließlich der altteft. Apokryphen und Pfeudepigraphen
) mit gutem Grunde der allgemeinen Einleitung
vorangestellt hat. Am wertvollften erfcheint Ref. die
allgemeine Einleitung, in der der Verf. in knappfter
Form ein ungemein reiches Material betr. den altteft.
Kanon, feine Bildung und Schickfale, die Gefchichte des
Grundtextes, die wichtigften Handfchriften und Ausgaben,
die Einrichtung der neueren Drucke des A. T. und die
Überfetzungen (mit Einfchluß der deutfchen, englifchen
und franzöfifchen) zufammengeftellt hat. Vermißt hat
Ref. hier nur eine prinzipielle Erörterung über den Begriff
des Kanons, und im Zufammenhang damit eine
Erwähnung und Erläuterung der termini ,die Hände verunreinigen
' und ,verbergen'. Eine folche Erörterung
hätte dann notwendig weiter dazu führen müffen, die
Begriffe ,Sammlung' und ,Kanon' voneinander abzugrenzen
; für Str. fcheinen, wie feine Ausführungen in
§ 87 nahe legen, beide ohne weiteres ineinanderzufließen,
was den Tatfachen kaum entfprechen dürfte. Das der
allgemeinen Einleitung einverleibte Literaturverzeichnis,
das z. T. geradezu eine Gefchichte der Exegefe und
Kritik repräfentiert, kann trotz feiner Reichhaltigkeit
begreiflicherweife hier und da eine Ergänzung vertragen.
So hätte — Ref. begnügt fich mit einigen aufs Geradewohl
herausgegriffenen Beifpielen — für die Pfalmen
Salomos die Arbeit von Felix Perles, Zur Erklärung
der Pfalmen Salomos, Berk 1902, 56 S. [S.-A. aus der
Oriental. Literaturzeitung, Bd. V] und unter Ascensio
Jesaiae (S. 256) die Ausgabe von R. H. Charles, The
Ascension qfIsaiah, Lond., Black, 1900. LXXIV., 155 p.,
Erwähnung verdient. Die Arbeiten von Hugo Winck-
ler fcheinen prinzipiell übergangen zu fein, obwohl man
aus ihnen doch mancherlei Gutes und Richtiges lernen
kann, wie z. B. das vom Verf. auf S. 85 felbft angeführte
Beifpiel zeigt. Und dann noch eine Gewiffensfrage:
warum hat unter der fprachlichen Literatur die hebräifche
Grammatik von Steuernagel und die aramäifche von
Marti keine Erwähnung gefunden?

Auch die fpezielle Einleitung enthält reichhaltiges,
mit Sorgfalt zufammengeftelltes Material. Neben feinen
eigenen Ergebniffen, die fich in faft allen entfcheidenden
Fragen nach der traditionell-konfervativen Seite hin
neigen (fo z. B. hinfichtlich des Priefterkodex, des Deu-
ternomiums, der Bücher Joel, Sacharja (Kap. 9—11),
Pfalmen, Proverbien, Hiob, Ruth), hat der Verf. auch
die Ergebniffe anderer Forfcher, darunter auch die der
Anhänger der hiftorifch - kritifchen Schule Wellhaufens
mit Sorgfalt und fichtlichem Willen zur Objektivität
' gebucht. Auf diefe Weife find faft zu allen Büchern
I wohlgeordnete Überfichten über die Anflehten der nam-
hafteften Vertreter der Disziplin zuftande gekommen,
die dem Lefer eine fchnelle und bequeme Orientierung
ermöglichen. Freilich hängt mit diefem Vorteil nun
auch gleich ein Nachteil hinfichtlich der Darftellung zu-
fammen. Des Verf. Einleitung lieft fich auf weite Partien
wie eine große Regiftrande. Und regiftriermäßig
muten felbft diejenigen Partien an, in denen der Verf.
feine eigenen Anflehten vorträgt. Vor lauter Regiftrie-
rung von an fich wertvollen Einzelheiten kommt er nicht
recht dazu, feine Ergebniffe aus dem dargelegten Tat-
beftande allmählich und organifch vor den Augen des
Lefers herauswachfen zu laffen und fie zu einer großzügigen
Darftellung zu verarbeiten, die durch ihr eigenes
Schwergewicht und ihre innere Wahrfcheinlichkeit allein
fchon überzeugend wirkt. Diefer Mangel ift Ref. namentlich
bei den hiflorifchen Büchern aufgefallen. Wie
lohnend wäre es hier doch gewefen, die fo verfchiedenen
Beftandteile des Richterbuches genau zu kennzeichnen,
den doppelten Erzählungsfaden, der fich in I. Sam.
I bis II Sam. 8 fo genau verfolgen läßt, aufzuwickeln und
die auseinandergewickelten Fäden einzeln zu charakteri-