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Ausgabe:

1907 Nr. 9

Spalte:

273-275

Titel/Untertitel:

Anicii Manlii Severini Boethii in Isagogen Porphyrii commenta. Copiis a Georgio Schepss comparatis suisque usus recensuit Samuel Brandt 1907

Rezensent:

Dräseke, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 9.

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Kopialbücher des Libanius zurückgeht, fo ift bei den
Briefen, welche auch die Hf. enthält, die Echtheit be-
wiefen.' Und das find gerade die Briefe, auf Grund
deren Maranus die ganze Sammlung anzufechten verfucht
hat. Es würde zu weit führen, Seecks fcharffinnige Beweisführung
für die Echtheit gerade diefer und der damit
in engftem Zufammenhange flehenden anderen hier
wiederzugeben, man lefe fie S. 30—34 felber nach.

Zu Seecks umfangreichem Werke über die Briefe des
Libanius wird fortan jeder mit Freuden greifen, der in
dem Namengewirr des durch eine Unmaffe von zeit-
genöffifchen Briefen ungewöhnlich hell beleuchteten
vierten Jahrhunderts an der Hand eines zuverläffigen
Führers fich zurecht finden möchte.

Wandsbeck. Johannes Dräfeke.

AniciiManliiSeverini Boethii in IsagogenPorphyrii commenta.

Copiis a Geörgio Schepss comparatis suisque usus
recensuit Samuel Brandt. (Corpus scriptorum eccle-
siasticorum latinorum vol. XXXXVIII.) Lipsiae, G.
Freytag MDCCCCVI. (LXXXVF423 p.) gr.8° M. 16 —

Der erfle, von Brandt, dem verdienffvollen Lactan-
tius-Herausgeber, vorgelegte Band der neuen Gefamt-
Ausgabe des Boethius in dem immer ftattlicher fich aus-
geftaltenden Wiener Corpus Script, eccl. lat. muß mit
Freuden begrüßt werden. Nicht als ob durch diefe neuen
Ausgaben nunmehr die gleichfalls doch ziemlich neuen
Teubnerfchen Boethius-Ausgaben, der Consolatio phil.
von Peiper, der Commentarii in Aristot.libr. xBQliQprjvüaq
von Me'ifer, der Institutio arithm. und Institutio musica
von Friedlein, völlig überholt fein würden. Es gehört
vielmehr zur Würde eines fo grundlegenden Werkes wie
jenes Corpus ift, daß derjenige Mann mit feinen Werken
darin vertreten ift, der zwar nicht in demfelben Sinne
wie die dort veröffentlichten anderen Männer des chrift-
lichen Altertums als scriptor ecclesiasticus zu gelten hat,
der aber dem chriftlichen Mittelalter lateinischer Zunge
die logifchen Schriften des Ariftoteles und die neupla-
tonifchen Lehren in anmutiger Form überliefert und vertraut
gemacht und damit demfelben den Anftoß und
die Mittel zu einer außerordentlich ergebnisreichen,
philofophifch-theologifchen Entwicklung, wie fie, aus bescheidenen
Anfängen allmählig fich ergebend, in der
Scholaftik immer breiter und tiefer fich entfaltete, gegeben
hat. Dem Ausweis des Umfchlags zufolge fcheinen
ja für alle Werke des Boethius jetzt die geeigneten Bearbeiter
gefunden zu fein. Daß der Tod aus deren
Reihen fo früh fo treffliche Boethius-Kenner wie R. Peiper
und den unermüdlichen, fo erfolgreichen G. Schepß hinweggerafft
, kann immer nur wieder beklagt werden. Es
ift gewiß nicht leicht, der großen Vergangenheit des
chriftlichen lateinifchen Schrifttums gegenüber jedem
feiner Vertreter und Streiter gerecht zu werden. Als ich
vor nahezu 20 Jahren zum erften Male feit langer Zeit
in der Ztfchr. f. kirchl. Wiff. u. kirchl. Leben (1889. VII,
335—343; VIII, 391—407) in zwei eingehenden Abhandlungen
auf ,Phöbadius von Agennum und feine Schrift
gegen die Arianer' aufmerkfam machte und in Hilgenfelds
ZfwTh. (XXXIII, 78—98) ,Zu Phoebadius von
Agennum' zahlreiche Beiträge zu einer verbefferten Text-
geftaltung jener Schrift vorlegte, fchaute ich, allein auf
Bezas editio princeps von 1570 und Caspar Barths Ausgabe
von 1623 angewiefen, in den Ankündigungen des

Wiener Corp. scr. eccl. lat. vergeblich nach einer neuen I zu eigen gemacht, mit befonderer Rückficht auf die Be

logen aus den Confessiones des Auguftinus bekannt, verdient
es doch in erfter Linie, ebenfo wie Boethius, daß
feine Schriften im Wiener Corp. scr. eccl. lat. veröffentlicht
würden. Noch fehlt fein Name im Verzeichnis der
in Vorbereitung befindlichen Schriftfteller; man wird
noch keinen Bearbeiter für ihn gefunden haben. Aber
follte nicht unter den gelehrten Benedictinern ein Solcher
vorhanden fein? Ich fühle mich zu diefer r>age durch
die Tatfache veranlaßt, daß wir gerade einem Benedictiner,
dem Gymnafial-Affiftenten (Profeffor) P. Godhard Geiger
eine fehr gründliche, f. Z. in zwei Beilagen zu den Jahresberichten
der Studienanftalt Metten vom Jahre 1888 und
1889 niedergelegte Arbeit verdanken, des Titels: ,C.
Marius Victorinus Afer, ein neuplatonifcher Philofoph'
(118 S.), die von eingehender Sachkenntnis zeugt und
die Berechtigung zur Aufnahme der Schriften gerade
diefes Mannes im Wiener Corpus außer Zweifel Stellt.
Kein chriftlicher Schriftfteller des patriftifchen Zeitalters,
auch nicht Origenes, nicht Synefius, hat fo folgerichtig
und überzeugend wie Victorinus das philofophifche
Denken mit der chriftlichen Lehre in Beziehung gefetzt,
keiner insbefondere den Neuplatonismus enger mit dem
Chriftentum verfchmolzen, keiner die Dreieinigkeitslehre
in ihrer Entwicklung fo tief erfaßt und allfeitig durchdrungen
, wie Victorinus. Darum wird es hier am Platze
fein, fich an Ufeners Urteil zu erinnern, der in feinem
Anecdoton Holderi (S. 61 f.) Victorinus ,den Vermittler der
neuplatonifchen Literatur und Begründer der Schul-
philofophie der Römer, den Ausgangspunkt jener abend-
ländifchen Entwicklungsreihe' nennt, ,die in einer faft
ftetigen Folge zur Scholaftik hinführt; deffen im Greifenalter
vollzogener Übertritt zum Chriftentum vorbildlich
geworden ift für die Verbindung von Dogmatik und
Philofophie'. — So wird es, wie fchon diefe Bemerkungen
erkennen laffen, jedesmal eine Gruppe von befonderen
Fragen fein, die durch jeden der Bände der neuen Boe-
thius-Ausgabe von neuem zur Erörterung geftellt werden.
Greifen wir darum auf die durch den I. Band veranlaßten
zurück, fo ift es zunächft die Frage nach Form und Art
der beiden von Boethius zu Porphyrius' Ifagoge verfaßten
Commentare, welche von Brandt in f. Prolegom.
(S. VII—XXVI) erörtert wird. Der erfte Commentar ift
in Form eines Gefprächs abgefaßt und erläutert des
Victorinus Überfetzung in zwei Büchern; der zweite
Commentar dagegen umfaßt 5 Bücher und lehnt fich an
Boethius' eigene Überfetzung an. Bei diefen Darlegungen
geht Br. auch auf den Unterfchied diefer beiden Übersetzungen
ein (S. XIV f.). Er beruht im wefentlichen darin
, daß Victorinus den Text des Porphyrius nicht gekürzt
, fondern ganz lateinifch wiedergegeben, doch fich
nicht völlig frei von Fehlern und Willkürlichkeiten gehalten
hat, während Boethius dem Griechifchen oft zu
wörtlich und zu fklavifch gefolgt ift. Die Beobachtung
der befonderen Art der beiden Commentare führt Br.
auf die wichtigere, bisher kaum noch in Betracht gezogene
Frage nach Boethius' Quellen, freilich nicht in
dem Sinne, daß Boethius' Lehre als von gewiffen Gewährsmännern
unmittelbar abhängig zu denken ift. Zu
den Vorgängern in der Erklärung der Ifagoge gehört
befonders der Neuplatoniker Ammonius, des Hermias
Sohn, des fleißigen Ariftoteles- und Platon-Commentators
(t 485), deffen Ausführungen auf weiten Strecken mit
Boethius derartig übereinstimmen, daß die Annahme zu
Recht befteht, diefer habe, trotzdem er von der Tatfache
fchweigt, des Ammonius Schrift mehr oder weniger fich

Ausgabe des wackeren, philologifcher Fürforge befonders 1 Stimmung feiner Schrift für römifche Landsleute und mit
würdigen Phoebadius aus. Jetzt endlich ift ein Bearbeiter J Ausfchluß aller in befonderem Sinne griechifchen Gelehr-
in A. Wilmart gefunden. In Bezug auf die wichtige famkeit, hier und dort unter Hervortreten eigenen UrGrundlage
der erften im vorliegenden Bande enthaltenen teils, anderswo unter Hinzuziehung anderer Schriftfteller.
Schrift des Boethius liegt die Sache ähnlich. Boethius Dem Verhältnis zwifchen Ammonius und Boethius bat
erklärt darin die Überfetzung der Ifagoge des Porphyrius Br.einen befonderen7:>r«r.nAf(I) gewidmet: S.LXXVIII/IX
von Victorinus. Und diefer Mann gerade, jedem Theo- Was (II.) die Abfaffungszeit beider jetzt vorliegenden