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Ausgabe:

1907

Spalte:

259-262

Titel/Untertitel:

Biblica Hebraica cum commentariis criticis adjuvantibus doctorbus edidit Abraham Kahana 1907

Rezensent:

Poznański, Samuel

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 9.

260

ift die Wanderung des Namens nicht zu erklären. Sie ift
fomit zugleich ein Zeugnis für die Echtheit der Überlieferung
, die das erfte Mutterhaus der Chriften auf die
Oberftadt verlegt.

Desertum Ruba hat doch wohl den Namen von
Wadi Arrub empfangen und ift füdlich von Thekoa zu
fuchen.

Für einen Bibelatlas ift es kaum nötig, eine Karte
der gegenwärtigen Ortfchaften Paläftinas beizugeben, zumal
wenn man bei den wichtigften biblifchen Namen den
gegenwärtigen anfügt.

Zürich. K. Fu rrer.

Wn »Iiis dj> oiairoi disiüd min Biblia Hebraica cum

commentariis criticis adjuvantibus doctoribus edidit
Abraham Kahana. Prophetae. Liber duodecim pro-
phetarum pars I explicuerunt: Librum Oseae et Joelis
J. D. Wijnkoop. Librum Arnos H. P. Chajes. Librum
Obadiae J. D. Wijnkoop.1 Librum Jonae Abraham
Kahana. Kiew 1906. (120 p.) gr. 8° R. 1.25

Der Anteil jüdifcher Gelehrter an dem Ausbau der
biblifchen Wiffenfchaften im XIX. Jahrh. war, worauf
bereits mehrfach hingewiefen und wofür auch verfchiedene
Urfachen angegeben worden find (f. z. B. Bacher, Jew.
Encycl. III, 173b), nur ein geringer, wenn es auch unter
ihnen nicht an einzelnen tüchtigen Arbeitern gefehlt hat
(z.B.Luzzatto,Geiger, Graetz; dann Halevy, Hoffmann ufw.).
Befonders aber mangelt es bisher an einem, allen An-
fprüchen der heutigen Wiffenfchaft genügenden, jüdifchen
Kommentar zur ganzen Bibel, der an die Leiftungen der
klaffifchen Bibelexegeten des Mittelalters anknüpfend,
es verftanden hätte, die Refultate der modernen Bibel-
forfchung und Bibelkritik zu verwerten. Diefem Mangel
foll nun zum Teil das Unternehmen des Herrn Abraham
Kahana in Kiew (früher Schitomir) befeitigen, der,
eine Anzahl fachkundiger Mitarbeiter um fich fcharend,
an die Herausgabe eines hebräifchen wiffenfchaftlichen
Bibelkommentars gefchritten ift, deffen Programm folgendermaßen
lautet: ,Der Kommentar beftrebt fich, die Schrift
nach ihrem urfprünglichen Sinne ohne jedes Vorurteil
zu erklären und hält fich von allen theologifchen Kon-
troverfen und Anflehten fern. Der Kommentar beruht
auf der Grundlage der gegenwärtigen Fjorfchung und
Bibelkritik mit Heranziehung der alten Überfetzungen,
der femitifchen Philologie, der Archäologie ufw. Der
wiffenfchaftliche Kommentar ift für Leute freien und
wiffenfchaftlichen Sinnes beftimmt, die fich in Allem, was
die Vertreter der Kritik ausgefprochen haben, orientieren
und die ein gründliches Verftändnis der biblifchen Schriften
fich aneignen wollen1.

Von diefem Kommentar find bisher folgende 4 Teile
erfchienen: 1) Pfalmen erklärt von H. P. Chajes-Florenz
(2 Lieferungen, 1903—05); 2) Genefis vom Herausgeber
(1904); 3) Jefaja von Samuel Krauß-Budapeft (jetzt Wien;
1905) und 4) Daniel von Mayer Lambert-Paris (1906; beigegeben
ift hier auch eine hebr. Überfetzung der aramä-
ifchen Stücke), und nun liegt vor uns die in der Über-
fchrift genannte erfte Hälfte des Dodakapropheton, unter
deren Kommentatoren ein neuer Mitarbeiter (J. D. Wijnkoop
, Privatdozent für die hebr. Sprache in Amfterdam)
genannt ift und in der eine gewiffe Abweichung von dem
bisherigen Programm zu konftatieren ift. Die bisher er-
fchienenen Kommentare nämlich repräfentierten faft alle
die äußerfte Linke der Bibelforfchung. So z. B. nimmt
in dem Pfalmenkommentar Chajes' die konjekturale Textkritik
den größten Platz ein und werden fämtliche Pfalmen
als nachexilifch, zum Teil als makkabäifch, erklärt, im
Genefiskommentar wiederum folgt Kahana ganz den Fußtapfen
Gunkels ufw., weswegen ihnen auch von der Kritik

1) Auf dem Titelblatt beidemal irrtümlich: Wynkoop.

der Vorwurf der Einfeitigkeit gemacht worden ift1, hier
aber ift, befonders bei den von Wijnkoop erklärten
Büchern, nicht nur eine gewiffe Zurückhaltung, fondern
auch ein großes Maß von Konfervatismus zu beobachten.

So ift Wijnkoop zunächft ein prinzipieller Gegner
von Emendationen und ergeht fich darüber ausführlich
in einem förmlichen Exkurs zu Hof. VII, 3, wo er gegen
die Emendation von IfpaiBi in irrttSHüi heftig polemifiert.
Wo er daher den mafforetifchen Text auf keinen Fall
zu erklären vermag, da gefleht er lieber feine Unwiffen-
heit ein, als daß er eine Konjektur annehmen follte
(fo z. B. in Betreff ronblEri Ob. 13), fonft aber nimmt er
zu ganz gekünftelten Erklärungen feine Zuflucht. Allerdings
folgt er hierbei meiftens den jüdifchen Bibelexegeten
des Mittelalters (die er aber nicht immer nennt; vgl. z. B.
zu Hof. IX, 13 und dazu Kara und Kimhi; zu XI, 9 die
Erklärung von "|ij>a Sias sbl mit Berufung auf I Kön.
VIII, 27 und dazu ibn Ezra ufw.), aber es fehlt auch nicht
an eigenen derartigen Erklärungen. So erklärt er z. B.
1piÜ»n Q1T3© rrarrOl Hof. V, 2a: und ihr Graben (rron» =
ntino!) haben mutwillige Sünder (Qiülö Adjektiv wie
QinB und ähnlich 2TD ifflö Pf. XL, 5) noch tiefer gemacht!
Bltl ßbasi ib. 7: der Neumond, an dem der Kreditor
kommt um feinen Zins einzuheimfen, wird fie freffen, d. h.
zu Grunde richten (vgl. den mifchnifchen Ausdruck:
)ra nbais rYO/l) ufw. (f. z. B. zu Hof. VI, 9; VII, 6; XIV, 9). —
Andererfeits aber begegnet man bei W. auch fehr anfpre-
chenden Erklärungen, fo z. B. die von ybft SÜ52Ü3 BJ>B ibm
Qi"lB Hof. VIII, IO: und fie fingen an fich zu vermindern
(t35H Infinitiv, fo punktiert anft. 13213 wegen des
gutturalen 2), d. h. gefchwächt zu werden, von wegen
der Laft, die ihnen König und Herren auferlegt haben.

Ebenfo ift W. ein Anhänger der Integrität der von
ihm erklärten Bücher und er wirft die Frage nach etwaigen
Zufätzen, die fich doch z. B. bei Hofea jedem aufdrängen,
gar nicht auf. Die alten Überfetzungen zitiert er fehr
oft, von den modernen Exegeten aber nennt er nur hin
und wieder Wellhaufen und Marti, nicht aber Nowack,
I den er gar nicht zu kennen fcheint, und auch nicht feine
holländifchen Landsleute. Von allgemeinen Einleitungsfragen
, die W. berührt, fei erwähnt: Hofea prophezeihte
in der Tat bis in die Zeit Hiskias, alfo bis in die Zeit
Hofea b. Elas. Daß aber von den ifraelitifchen Königen
in I, 1 nur Jerobeam erwähnt wird, gefchah deshalb, weil
die anderen keine dauerhafte Dynaftie gegründet haben!
In Kap. I und III wird über zwei verfchiedene Tatfachen
berichtet. Die Gomer heiratete der Prophet wirklich und
zeugte mit ihr Kinder, da fie nur eine d1d13t mtös, ein
ausfehweifend lebendes, lediges Weib, aber keine Ehebrecherin
gewefen, und die Heirat mit einer folchen ift
nicht verboten. Dagegen hat Hofea in dem in Kap. III erwähnten
Weib nur Liebe geweckt, aber fie nicht geheiratet,
da fie eine n£S3t3, eine Ehebrecherin, gewefen (daher wird
auch IV, 14 von den noch ledigen Töchtern HDiSTtl, von
den verheirateten Schwiegertöchtern dagegen ri3BS3H ge-
J fagt). Das Sprunghafte in den Reden Hofeas erklärt
I fich dadurch, daß er wie ein ftrafender Vater fpricht,
der, wenn er auch fein Kind fcharf tadelt, doch von den
Gefühlen väterlicher Liebe überwältigt wird und daher
auch oft von der dritten in die zweite Perfon übergeht,
was ein Zeichen ganz befonderer Aufregung fein foll (vgl.
z. B. zu II, 8; IX, 10 ufw.). — Joel prophezeihte nach
W. einerfeits als nur noch Jehuda, nicht aber mehr Israel,
exiftiert hat, andererfeits aber als Altar und Tempel noch
ftanden, alfo wahrfcheinlich zur Zeit Menaffes, wo die
Hellblickenden fchon den Untergang vorausfehen konnten
(f. II Reg. XXI, 10—15). Aus I, 9 aber ergibt fich, daß
Joel nach der Buße Menaffes geweisfagt hat! Obadja
endlich prophezeihte gleich nach der Zerftörung des

1) Vgl. die Befprechungen von Bacher (Monatsfchr. f. Gefch. u.
Wiflenfch. d. Judent. 1904, 98—110): J. E[lbogen] (Zeitfchr. f. hebr. Bi-
bliogr. 1904, 2—4.161 —164; 1905, 132) und Jofeph Halevy {Revue semi-
tique 1904, 384; 1906, 378—380).