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Ausgabe:

1907 Nr. 8

Spalte:

247-250

Titel/Untertitel:

Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation. 1. Bd., 1. - 8. Heft 1907

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 8.

248

vom 24. Mai 1535 S. 152, von K. Pellican vom 18. Nov.
1535 S. 161, von Thom. Venatorius vom 6. Sept. 1531
S. 121, von Paul Volz vom 12. April 1536 S. 185 auf-
merkfam gemacht. Leider find die Ziffern der Noten
und der erläuternde Anhang mit fo kleinen Lettern gedruckt
, daß fie nur bei ganz hellem Tageslicht und bei
Augen, wie fie die Gelehrten meift nicht mehr befitzen,
ohne Mühe zu lefen find. Ähnlich ifts ja neuerdings
bei trefflichen Werken in Anmerkungen auch fonft der
Fall, z. B. in Roths Augsburger Ref.-G. und Schornbaums
Markgraf Georg, wodurch die Benützung er-
fchwert wird.

Nabern. G. Boffert.

Flugfchriften aus den erlten Jahren der Reformation. 1. Bd.,
1—8. Heft. Halle a. S., R. Haupt 1906. 8°
Subf kriptionspreis pro Band (ca. 30 Bogen) M. 9 —

Inhalt: i. Ein Sendbrief von einem jungen Studenten zu Wittenberg
an feine Eltern im Schwabenland von wegen der Lutherifchen
Lehr zugefchrieben (1523). — Ein Dialogus oder Gefpräch zwifchen
einem Vater und Sohn die Lehre Luthers und fonft anderer Sachen
des chriftlichen Glaubens belangend (1523). Herausg. von O.
Cl em en. (50 S.) M. I —. 2. Verhör und Akta vor dem Bifchof von
Meißen gegen den Bifchof zu der Lochau (1522), und Handlung des
Bifchofs von Merfeburg mit den zwei Pfarrern von Schönbach und
Buch, gefchehen am Dienstag nach Bertholomäi (1523), herausg. Von
H.Barge. (44 S.) M. 1—. 3. Die fcharf Metz wider die, die fich
evangelifch nennen und doch dem Evangelio entgegen find (1525),
herausg. von W. Lücke. (36 S.) M. ■—70. — 4. Ein Gefpräch
zwifchen vier Perfonen, wie fie ein Gezänk haben von der Wallfahrt
im Grimmental, was für Unrat oder Büberei daraus entftanden fei
(1523 oder 1524), herausg. von O. Clemen. (37 S.) M. I—. — 5.
Ein Frag und Antwort von zweien Brüdern, was für ein feltfams Tier
zu Nürnberg gewefen im Reichstag nächft vergangen, gefchickt von
Rom zu befchauen das deutfch Land (1524) herausg. von O. Clemen.
Von der rechten Erhebung Beunonis ein Sendbrief (1524) herausg. von
A. Götze. (41 S.) M. 1 —. — 6. [Sebaftiau Meyer] Ein kurzer Begriff
von Hans Knüchel (1523) herausg. von A. Götze. (42 S.) M. 1 —. —
7. Commentum seu lectura cuiusdam theologorum minimi super unam
seraphicam intimationem doctoris Joaunis Romani Vuonneck rectoris
Basileensis, herausg. von H. Zwicker. (58 S.) M. 1.20. — 8. Ge-
fprächbüchlein von einem Bauern, Belial, Erasmo Rotterodam und
Doctor Johann Fabri (1524), herausg. von Otto Clemen. (122 S.)
M. —60.

Mit Freuden ift das Unternehmen zu begrüßen, Flugfchriften
aus den erften Jahren der Reformation herauszugeben
und fo das von D. L. Enders und M. Niemeyer
in der Sammlung von Neudrucken des XVI. und XVII.
Jahrhunderts begonnene Werk fortzufetzen. Die Grund-
fätze für den Neudruck find nur zu billigen. Die Bibliographie
ift, wie fich bei O. Clemens Leitung des
Unternehmens nicht anders erwarten läßt, forgfältig.
Willkommen ift die Beigabe der intereffanteren Titelholz-
fchnitte S. 21, 69, 138, 320. Der Text der Urdrucke ift
genau wiedergegeben. Doch dürfte S. 32 Z. 14 henften
in hengllen, S. 23 Z. 9 heltnan in helt man (vgl. auch
S. 39 Z. 16, 92 Z. 14,) S. 33 Z. 3 dafman in das man,
S. 36 Z. 5 baneden in bareden, S. 89 Z. 9 zugel in zu gel,
S. 91 Z. 25 quaffen in gaffen, S. 133 Z. 11 weych in
reych, S. 156 Z. 4 v. u. I in 1, S. 158 Z. 27 gefetzt in
gefretzt (abgegraft), S. 162, Z. 12, aide in ade, S. 275
Z. 24 lurista inlutista = lutinista, S. 329 Z. 4 guerlickeyt
in geuerlicheyt vgl. Z. 15 zu ändern fein.

Das 1. von Clemen bearbeitete Heft fpiegelt die
Begeifterung der Wittenberger Studenten» für Luther und
Wittenberg wieder, eines Schwaben, der Jfcngft von Leipzig
nach Wittenberg übergefiedelt war, und eines Thüringer
Bauernfohns, der ins Vaterhaus zurückgekehrt war. Der
Sendbrief, womit der Schwabe feine altgläubigen Eltern
über feine Überfiedlung an die Ketzeruniverfität beruhigt,
verdient es, an die Spitze geftellt zu werden, denn Clemen

fagt mit Recht, daß ihm ,in der reformatifchen Flugfchrif-
tenliteratur bisher noch kein Stück wieder begegnet fei,
das fo erfüllt wäre vom Bellen in Luthers Geilt, von
herzinniger, lauterer evangelifcher Frömmigkeit, Zartheit
des Gefühls, fröhlicher Siegeszuverficht und erquickendem
Humor. Clemen hat Bedenken gegen die Annahme des
Ref. in Th. Stud. a. Württb. 1886, 30fr. daß der Verfaffer
ficher aus Ulm flammte, fein Vater ein Kaufmann und
er felbft ein Mediziner gewefen fei. Aber aus der Einleitung
geht wenigftens das letztere m. E. ficher hervor.
Seine Heimat wird fich aus der Vergleichung der Leipziger
und Wittenberger Matrikel ergeben ünd wird, wenn nicht
in Ulm fo in Leipheim oder Laupheim (Leubheim), Riedlingen
, Dietenheim, Biberach, Isley oder Ravensburg zu
fuchen fein. Mit Recht weift Cl. die Annahme ab, daß
Magenbuch der Verfaffer fei. — Der Thüringer Vater und
Sohn reden frifch und lebendig, aber Clemen findet mit
Recht den Stil nicht recht gewandt und klar, nicht ohne
Längen und Wiederholungen. Dabei finden fich Derbheiten
, auf die der Schwabe glücklich verzichtet hatte.
Schön ift die Schilderung des eifrigen Bibelftudiums unter
Luthers Leitung und feines Verzichtes auf gewalttätiges
Vorgehen.

Im 2. Heft läßt H. Barge uns einen Blick in das
Vorgehen der Bifchöfe von Meißen und Merfeburg gegen
Vertreter der neuen Lehre in kirchlichen Ämtern tun.
Er gibt erft ein handfchriftlich in Zwickau erhaltenes
Verhör des Predigers zu Torgau durch den Bifchof von
Meißen und Doktor Ochfenfart am 4. April 1522, dann
das gedruckte Verhör des Bifchofs (Pfarrers) von Lochau
vor den beiden ebengenannten Männern am 3. April 1522
und endlich die ebenfalls gedruckte Handlung des Bifchofs
von Merfeburg mit den Pfarrern von Buch und Schönbach
am 26. Aug. 1522. Die Verteidigung der altkirchlichen
Sache durch den Bifchof und Ochfenfart in Betreff
Prieftertum, Kirche, Papft, beiderlei Geftalt im Abendmahl,
das Gelübde der Ehelofigkeit, ift keineswegs glücklich
und geht nicht tief. Sehr hübfch ift der verblüffende
Schluß S. 76, 10, wenn Chriftus das Abendmahl nur den
Apofteln gegeben habe, könne man es fernerhin weder
Laien noch Prieftern geben, wie die Äußerung S. 77,
Z. 14: Ich hab in meyner Grammatica nicht gelefen das
Commemoratio ein priefter heilt, die Mahnung an den
Bifchof, der fich für das Falten auf Chrifti Vorbild beruft,
auch 40 Tage in die Wüfte zu gehen und zu fallen S. 89.
Bedenkliche Blößen gibt fich der Bifchof S. 89 mit dem
Ausfpruch: es ift leidlicher, daß ein Priefter aus Gebrechen
und Schwachheit fall, mit einer armen Dirne zu fündigen,
als freventlich ein Eheweib nehme, wie mit der Behauptung
, daß Pauli Briefe nicht Evangelium feien S. 90, und
der Artikel von der Höllenfahrt fich nicht in der Bibel finde.

Im 3. Heft gibt Wilh. Lücke eine eindringliche,
gefchickt in Kriegsbilder eingekleidete biblifche Mahnung
an die unter Berufung auf die evangelifche Freiheit
fich erhebenden Bauern, indem der Verfaffer das Wort
Gottes mit dem Gefchütz der Nürnberger ,die fcharpff
Metz' vergleicht. Die Schrift fällt ficher in den Anfang
der Bauernbewegung, da der Verfaffer noch erwartet,
daß Gottesfurcht die Regungen der Leidenfchaft noch
befiegen könne (S. 97). Lücke fucht den Verfaffer auf
fchwäbifchem Gebiet und möchte an Haug Marfchalk,
genannt Zoller, Reifigen der Stadt Augsburg, denken. M. E.
ift er da zu fuchen, wo I. F. und P. R. als ,Anlefer' d. h.
Anführer (vgl. Anfprenger) der Bauern nachzuweifen find,
an welche die Schlußermahnung geht, wo fich ferner im
Volksdialekt .betrogen' im Sinn von betrüglich findet
S. 110, Z. 30, 120 Z. 11, und wo aus läuft ,leff wird.
Letzteres hat Ref. in Franken gefunden. Betrogen erinnert
an das füddeutfche,ein verfoffener, verlogener, verhohlener
Kerl'.

Das 4. von Clemen bearbeitete Heft gibt ,Ein
Gefpräch zwifchen vier Perfonen, wie fie ein Gezänk
haben von der Wallfahrt im Grimmental', worin in fehr