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Ausgabe:

1907 Nr. 8

Spalte:

228-229

Autor/Hrsg.:

Meyer, Heinr. Aug. Wilh.

Titel/Untertitel:

Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament. 16. Abth.: Die Offenbarung Johannis. 6. Aufl 1907

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 8.

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Eine Qual bereitet das Studium von S. 35—39 (die
öaog Jefu in Joh. 6). Für die Doppeldeutigkeit der johanneifchen
Begriffe fehlt dem Verf., der hier empört den
Gedanken an das Abendmahl abweift, aller Sinn. Chrift-
liche ,Irrlehrer, die Jefum als den Chrift verwarfen, aber
Gott (als ihren Vater?) für fich in Anfpruch nahmen',
erdichtet fich M., indem er wie felbftverftändlich annimmt,
daß die von Johannes bekämpften Richtungen in feiner
Schrift auch fcharf und objektiv abgezeichnet feien: daß
im Streit das Bild des Gegners verzerrt zu erfcheinen
pflegt, ift ein Gedanke, der für M. ausgefchaltet bleibt.
So bietet fein Büchlein eine unerwartet vollftändige

über den Triumphen der Kultur befprochen (S. 203 f.).
Kurz, wo man das treffliche Buch auch anfaßt, überall
weift es gründliche Umgeftaltung und Neuarbeit auf, bei-
fpielsweife über die Entwicklung der neuteftamentlichen
Kritik feit Strauß und B. Bauer bei Schürer, Baldens-
perger, Oskar Holtzmann, Johannes Weiß, Bouffet und
Albert Schweitzer (S. 68 f.). Richtige Wertung findet der
Einfluß A. Ritfchls auf die ,moderne Theologie' (S. 292 b),
wo auch A. Harnack und W. Herrmann gewürdigt find,
wie andererfeits Overbeck, Wellhaufen, Wrede, Wernle,
aber auch Bernoulli, P. Heyfe, Frenffen, Ibfen, Björnfon,
letztlich fogar auch Oskar Wilde (S. 285—290) in dem

Belehrung über die Antworten, die Konrad Meyer auf I weitgefpannten Rahmen diefer Darftellung Platz finden.

die große Zahl der exegetifchen, wie der literar-, über-
lieferungs- und religionsgefchichtlichen Fragen, die über
den johanneifchen Schriften lagern — fogar die nach dem
Verhältnis von Joh. 21 zu dem übrigen Evangelium ein-
gefchloffen — zu geben gewillt ift; in der einzigen P"rage,
wo er den Anfatz macht, etwas wirklich Neues zu bringen
, der nach den begrifflichen und fprachlichen Be-
fonderheiten der ,fpeziell johanneifchen' Stücke, ent-
täufcht er uns gründlich, denn er führt die Unterfuchung
nicht zu Ende und zieht keine Konfequenzen.

Vielleicht liegt die Schuld am Thema; über ,den
Zeugniszweck' eines Evangeliften kann man nicht anders
als molluskenhaft fchreiben.

Marburg i. H. Ad. Jülicher.

Baden. H. Holtzmann.

Kritifch-exegetifcherKommentar über dasNeueTeftament,
begründet von Heinrich Aug. Wilh. Meyer. Sechszehnte
Abteilung. Die Offenbarung Johannis. 6. Auflage
. Von der 5. Auflage an bearbeitet von Prof. D.
Wilhelm BoulTet. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1906. (IV, 468 S.) gr. 8° M. 8—; geb. M. 9.60

Da die Anlage des Kommentars im ganzen diefelbe
geblieben ift und auch die Einzelexegefe nur an untergeordneten
Punkten Änderungen erfahren hat, kann der
Unterzeichnete hier auf feine ausführliche Beurteilung der
vor 10 Jahren erfchienenen 5. Auflage in diefer Zeitfchrift
(Jahrgang 1897, Sp. 384—390) verweifen. Einfchlägige
Weinel, Heinrich, Jehls im neunzehnten Jahrhundert. Neue ; Arbeiten find in der Zwifchenzeit verhältnismäßig wenige
Bearbeitung. 8.—10.Taufend. (Lebensfragen. Schriften erfchienen. Als die bedeutendfte hat die Schrift von
und Reden, herausgegeben von Heinrich Weinel. j joh- Weiß, Die Offenbarung des Johannes, 1904, ge-
Bd. 16.) Tübingen, J. C. B. Mohr 1907. (III, 326 S.) 8° ^ bührende Beachtung gefunden (z B. S n6f 127;. 289f.
' *> >j ? k tut ! 349'-)- Neu gefchneben wurden der erfte Abfchmtt über

3—i geb. M. 4— ! den sty des Buches und der dritte über den Verfaffer

Das zuerft 1903 erfchienene Buch ift von mir in diefer nach Maßgabe der mittlerweile veröffentlichten bekannten
Zeitfchrift befprochen worden (Jahrg. 1904, Sp. 46f.). Es ! Arbeiten Bouffets über die Religion des Judentums im
hat in der neuen Bearbeitung nur wenig an Umfang, ' neuteft. Zeitalter 13902, H906 und über den Verfaffer

um fo mehr an Gehalt und Wert gewonnen, indem nicht
bloß frühere Lücken (Kant, Schleiermacher, Novalis, aber
auch Schenkel, E. von Hartmann u. a.) ausgefüllt, fondern
namentlich bis in die neuefte Zeit fortgeführte Ergän

des Johannesevangeliums in der ,Theologifchen Rund-
fchau' 1905.

Die vorliegende Auflage ift zweifellos der befte unter
den, der unmittelbaren Gegenwart angehörigen, gelehrten

zungen eingetreten find (z. B. S. 187f. Kretzers Romane ' Kommentaren zur Apokalypfe. Infonderheit gilt dies,
und Julius Harts Gedichte, S. 145 W. von Polenz, S. 224t. ; worauf fchon Jülicher (Einleitung 1906, S. 224) aufmerk-'
Winten s Vegetarianismus). Der Wegfall des Urteils über j fam gemacht hat, von dem methodologifchen Abfchnitt
Häckels ,Welträtfel' (1. Aufl. S. 201 f.) war durch die 1 S. 141 —170. Es wird auch künftighin bei dem Urteil
einftweilen eingetretene Kollegialität in Jena, der Wegfall j fein Verbleiben haben, daß diefes Produkt der urchrift-
der Beziehung auf die Gelegenheitsurfache der Solinger j liehen Prophetie als einheitliches Werk nun einmal nicht
Vorträge (1. Aufl. S. V) durch die Aufnahme in den j zu begreifen ift. Darauf beruht das Recht der literar

Zyklus der ,Lebensfragen', der Wegfall einer Kritik der
Auferftehungsberichte (S. 51, vgl. I. Äufl. S. 37—41) durch
das mittlerweile in denselben Zyklus aufgenommene Buch
von A. Meyer bedingt. Weggefallen mit Recht ift auch
der ,deutfche' Wuodanschriit (1. Aufl. S. 184k), und
wefentliche Verkürzung haben die Mitteilungen über die
1896 erfchienenen ,Finfterniffe' (S. 179), Kirchbach (S. 147k
vgl. 1. Aufl. S. 107k), Chamberlain (S. 290k vgl. 1. Aufl.
S. 186k) erfahren. Aus den 5 Teilen der früheren
Anlage find durch Spaltung des erften in 2 (,An der
Jahrhundertwende' und ,Die wiffenfehaftliche Arbeit am
Leben Jefu') jetzt 6 geworden. Im 3. Teil (Jefus als
Prediger liberaler Reformideale') zeigt fich eingreifende
Neuarbeit in dem Abfchnitt über ,die liberale Theologie'

kritifchen Methode, welche die alte Rekapitulationstheorie
zum guten Teil verdrängt hat, felbft aber wieder einer
Ergänzung durch die traditions- und religionsgefchicht-
liche Weife der Forfchung bedarf (S. 119k 122k 140k).
Es ift das Verdienft Bouffets — eines unter fo vielen —
einen haltbaren Ausgleich zwifchen diefen, vielfach noch
in einem unberechtigten Gegenfatz erfcheinenden, Methoden
getroffen zu haben, wobei er fich gewöhnlich
auf der mit den Namen Weizfäcker, Sabatier, Schön,
bezw. Pfleiderer und Jülicher gekennzeichneten Linie hält
(S. 116. 314k 324. 357) und von da aus Fühlung mit
Gunkel herltellt, ohne diefem jedoch durch dick und
dünn zu folgen. Das Refultat lautet: ,Wir nehmen keine
Grundfchrift mit allmählichenErweiterungen, keine Quellen

(S. 13g—141), und erft am Schluffe folgt jetzt, was zuvor j und keinen mechanifch arbeitenden Redaktor an, fondern
an früherem Ort über die Verfuche, Jefus als liberalen ! einen apokalyptifchen Schriftfteller, der jedoch in vielen
Reformer darzuftellen, gefagt war (S. 151—158, vgl. 1. Aufl. Punkten nicht aus freier Hand fchuf, fondern ältere
S. 8g—98). Das zuvor erft gegen Ende des Ganzen ent- I apokalyptifche Fragmente und Überlieferungen, deren

worfene Charakterbild Jefu bildet jetzt den Abfchluß des
2. Teiles (S. 77—115, vgl. I. Aufl. S. 247—290). Dafür
jetzt ein neues Finale von befonderer Zugkraft: Jefus
unfer Heiland' (S. 305—321). Ausgiebiger noch als früher
ift der ewige Wert der Religion (S. 263 k, vgl. 1. Aufl.
S. 226k), daneben auch die Gefahr des Seelenverluftes

Überlieferung vorläufig noch dunkel bleibt, verarbeitete'
(S. 129). Wie gleich die 6 erften Kapitel fein Werk find,
fo gehört ihm, dem ,Apokalyptiker letzter Hand' wefent-
lichauch das Ganze an, alfo namentlich Kap. 13 mit feiner
Beziehung auf die Kaifer; aber er hat jüdifche An-
fchauungen und Traditionen, beifpielsweife 7 i-k und