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Ausgabe:

1907 Nr. 7

Spalte:

212-214

Autor/Hrsg.:

Lemme, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die unsichtbare Welt 1907

Rezensent:

Zillessen, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 7.

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Buch doch nur ein fehr unvollständiges Bild der vielseitigen
wiSSenSchaStlichen Tätigkeit des VerfaSSers liefert.

Aus der Christlichen Welt find nur zwei Auffätze
hier abgedruckt worden: Der Glaube an Gefchichts-
tatfachen 1902 (91—100), und Zur Frage der leiblichen
AuferSSehu ng Jefu ChriSti 1900 (S. 101 —115).
Gerne hätten wir zu dem hier Gebotenen noch einiges
hinzugefügt, was der Gefahr kaum entgehen wird, in jenen
Blättern begraben zu werden, während es doch verdiente,
nicht vergehen zu fein, fo z. B. Miffionswerk ein
Glaubenswerk 1888, Welche Philofophie liefert
die beften Waffen zum Kampf gegen die materia-
liftifche Sozialdemokratie? 1894, R. A. Lipfius und
feine dogmatische Arbeit (1896), Gedanken über
Konfirmation 1902, Erlöfung 1903. — Hatte man
einmal den im Winter 1897 in Göttingen gehaltenen, im
Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht erfchienenen Vortrag
Das Spielen der Kinder in feinem Erziehungswert
hier wiedergegeben (wofür gewiß alle Lefer aufrichtig
dankbar fein werden), fo wäre auch ein neuer
Abdruck des in der Feftfchrift für Haym publizierten
Auffatzes Jefu Worte von der ewigen Bestimmung
der Menfchenfeele in religionsgefchichtlicher
Beleuchtung' von vielen gewiß freudig begrüßt worden.
— Den Deutfch-evangelifchen Blättern ift der auf
der Verfammlung der Ev. Vereinigung Halle 1901 gehaltene
Vortrag (S. 116—141) entnommen worden. Dem
weiteren Leferkreis neu und unbekannt ift der am 16.
Januar 1905 in Halle gehaltene Vortrag Simultan- und
Konfeffionsfchule (168—189), der nach R.s Konzept
herausgegeben wurde. Sehr dankenswert ift auch die
Mitteilung einer bisher nur als Manufkript gedruckten
Predigt, der in der Univerfitäts-Kirche zu Göttingen am
7. Februar 1897 gehaltenen Rede über Hebräer 137—9.
Aus dem Schlußverzeichnis der Publikationen R.s erhellt,
daß noch mehrere Predigten vorhanden find, entweder
als Manufkript gedruckt, oder in Stages Sammlungen
erfchienen. Sollte die eine oder die andere nicht auch
einer zweiten Ausgabe würdig gewefen fein? Diefelbe
Frage drängt Sich auf, wenn man die reiche Mannigfaltigkeit
längerer Artikel überblickt, oder auch einzelne Vorträge
und Auffätze angezeigt rindet, die bisher eine
weitere Verbreitung nicht gefunden haben. Doch es foll
die Klage über das in diefem Band Vermißte den Dank
für die uns dargereichten Gaben nicht beeinträchtigen.
Das Buch wird gewiß, dem Wunfche der Herausgeber
entfprechend, alten und neuen Freunden zu vielfeitiger
und nachhaltiger Förderung dienen, indem es ,einen
lehrreichen Einblick in die reiche Gedankenwelt des
unterrichteten und umfichtigen, klaren und frommen
Theologen gewährt', deffen Gedächtnis Sie durch diefe
Veröffentlichung geehrt haben.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Feine, Prof. D.Paul, Inwiefern iltJelus der Offenbarer Gottes?

Dekanatsrede. Leipzig, J. C. HinrichsTche Buchhandlung
1906. (24 S.) gr. 8° M. —50

,Das religiöfe Gut, welches Jefus gebracht hat, beruht
in feiner Perfon und ift von diefer unabtrennbar' (9).
,Die Offenbarung Gottes in Jefus war die Kundmachung
der Sündigkeit der getarnten Menfchheit in der Perfon
Jefu und im Zusammenhange damit die in Jefus, dem
wefenhaften Sohne, offenbare Abficht Gottes, die Menfchheit
aus der Sünde in die vollkommene Gemeinschaft
mit Gott zu führen. Weil Jefus als folcher in der Menfchheit
dafteht, hat er feines Gleichen nicht, darf auch nicht
fo weit herabgedrückt werden, daß er mit andern Re-
ligionsftiftern, Lehrern oder Führern der Menfchheit auf
eine Stufe käme' (17). Mit diefen aus den Synoptikern
zu belegenden Anfprüchen Jefu deckt Sich vollkommen
das paulinifche (17—20) und das johanneifche (20—24).
Verftändnis deffen, was jefus war und gebracht hat. Dies

der Grundgedanke der Feinefchen Dekanatsrede. In
der näheren Begründung und Ausführung desfelben kehrt
der Verf. die polemifche Spitze feiner Erörterungen gegen
die moderne religionsgefchichtliche Auffaffung. Unter
dem befonders Beachtenswerten, was die Rede enthält,
lefe man z. B. die den Synoptikern entnommenen Äußerungen
über die wichtige Rolle, die der Gedanke des
Gerichtes in Jefu Gottesbewußtfein fpielt (14), die aus
dem A. T., der griechifchen Philofophie, der jüdifchen
Literatur, den babylonifchen Hymnen und Gebeten ge-
fchöpften Beweife, daß Nächstenliebe, Feindesliebe, Demut,
Sanftmut, Freundlichkeit, nicht erft von Jefus geprägte
Tugenden find (3—8); treffend weift F. auch auf die
.zeitgeschichtlich bedingten Gedankengänge' des Apoftels
Paulus hin, auf feine ,rabbinifche Dialektik', auf die ,Ein-
feitigkeit', mit welcher er das Wirken Jefu in deffen Tod
konzentriert hat. Auch fonft fehlt es nicht an feinen
Beobachtungen und Winken. Dagegen kann Ref. feinen
Diffenfus befonders in bezug auf zwei Hauptpunkte nicht
verfchweigen. Einmal hat der Verf. die an Sich richtige
Beobachtung, daß ,der Gedanke an Gottes richtende
Gerechtigkeit ein unveräußerliches Element in Jefu Gottesglauben
ift', in einer Weife verwendet, die von Dogmatismus
nicht frei zu fprechen ift, vielmehr eine Verfchiebung
der Pofition F.s bedingt, und die Verkündigung Jefu in
das Licht des durch Luther erneuerten paulinifchen
Christentums rückt. Zum zweiten hat das Beftreben,
den religiöfen Konfenfus der neuteftamentlichen Zeug-
niffe herauszuarbeiten, den Verf. zu Äußerungen getrieben
, die an die harmoniftifchen Verfuche einer gewagten
Apologetik erinnern: die letzten Seiten der Rede
enthalten hiefür charakteriftifche Belege.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Hoffmann, Paft. Priv.-Doz. D. Georg, Das Wiederfehen jen-

feits des Todes. Eine gefchichtliche Untersuchung.

Leipzig, J.C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1906. (79 S.)

8° M. 1 —

Lemme, Pfr. Friedrich, Die unfichtbare Welt. Halle, C.

Nietfehmann 1906. (VIII, 100 S.) gr. 8° M. 2 50

1. Anknüpfend an Jüngfts ihm nicht ausreichenden
Dialog entwickelt Hoffmann in knappem Überblick
die Gefchichte des Gedankens vom Wiederfehen bis in
die neuefte Zeit. Während Rig-Veda, eranifche Religion,
das AT. und das Griechentum (vom Wiederfehen im
Schattendafein des Hades bis zu höheren, teils finnlicheren,
teils geistigeren Vorstellungen) die Hoffnung fefthalten,
gehören Plato (Apol.) und Cicero (Cato m., Somnium),
die Sich auch wieder fkeptifch äußern, nicht, wie Seneca,
zu ihren unbedingten Vertretern. Das NT. reflektiert
nicht mehr auf die Fortfetzung natürlicher Lebensbeziehungen
in einem andern Dafein, hingegeben der Haupterwartung
: Gott und Chriftus von Angefleht zu fchauen
in der triumphierenden Gemeinde der Engel und Men-
fchen. Wohl aber vertreten mit dem hochkommenden
Glauben an Auferstehung des Fleifches und Erftarkung
des christlichen Familienfinns die Kirchenväter den
Gedanken. Ihnen folgen Scholaftik, Myftik und die
eine förmliche Biologie des Jenfeits ausbildende kath.
Kirche. Der Humanismus lehnt an den altphilofophi-
fchen halben Skeptizismus an (Zwingli bejaht). Die
reformatorifchen Bekenntnisfchriften erwähnen den Gedanken
nicht, Luther nur 2 Mal. Die luth. Dogmatiker
des 16. und 17. Jhdts folgen dem M.-A., viele fchweigen.
Der Verf. Stimmt Strauß zu: das Wiederfehen bilde nur
ein untergeordnetes Moment im alten Kirchenglauben.
Die beginnende Aufklärung tritt in eine Kritik der
! Begriffe ein. Ablehnend äußern fleh u. a. Amyrault,
j Ernefti, Wieland, J. G. Münch (diefer fkeptifch), zu-
i Stimmend Leß, J. J. Engel u. a., vorflehtig Bretfchneider.
I Die Romantik patronifiert die Hoffnung. Schleier-