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Ausgabe:

1907 Nr. 7

Spalte:

205-209

Autor/Hrsg.:

Hegler, Alfred

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit 1907

Rezensent:

Bossert, Gustav

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205

Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 7.

206

Heft 3: Albrecht, Palt. Lic. O., Zur Bibliographie und Textkritik
des Kleinen Lutherifchen Katechismus (Schluß). — Loefche,
Prof. Dr. Georg, Zur Gegenreformation im Salzkammergut. (112 S.)
1906. M. 4.90.

Heft 4: Meißner, R., ,Ohne Hörner und Zähne1. Eine Unter-
fuchung. — B erb ig, G., Die erde kurfächfifche Vifitation im Ortsland
Franken I. — Koch, F., Fünf Briefe des Profeffors der Theologie
Franziscus Stancarus aus den Jahren 1551, 1552 und 1553. (94 S.)
1906. M. 4.20.

Hegler, fProf. D. Alfred, Beiträge zur Gefchichte der Mystik
in der Reformationszeit. Aus dem Nachlaffe herausgegeben
und mit einer biographifchen Einleitung ver-
fehen von Prof. Lic. Dr. Walther Köhler. (Archiv für
Reformationsgefchichte. Ergänzungsband I.) Berlin.
Ebd. 1906. (V, LVII u. 220 S.) gr. 8° M. 10 —
Der dritte Jahrgang des gutredigierten, durch die
Zeitfchriftenfchau noch befonders wertvollen Archivs
bietet für die erften Jahre der Reformation die fchöne
Arbeit Kalkoffs .Römifche Urteile über Luther und Erasmus
', S. 65—83, indem er einen römifchen Brief Jakob
Zieglers von Landau vom 16. Febr. 1522 an Erasmus
mitteilt und in den Erläuterungen als genauer Kenner
der damaligen Verhältniffe in Rom reiche Belehrungen
bietet. Wir fehen, wie man über Luther in Rom urteilte
(,Hurer, Säufer, Vorläufer des Antichrift'), während Erasmus
erft noch im vollen Genuß feines Ruhmes ftand,
bis der Spanier Stunica feine Angriffe begann und unter
Aleanders Einfluß ein vollkommener Umfchwung in der
Gefinnung der leitenden Kreife gegen Erasmus eintrat.
Sehr intereffant ift S. 77 das römifche Urteil über Eck,
der durch fein Gebaren Spott erregt. Die von C. Krafft
aus Zieglers Brief entnommene Nachricht, daß fchon 1521
dort über 300 Menfchen das Abendmahl unter beiderlei
Geftalt empfangen haben, bezieht fich nicht auf Rom,
nicht auf Bayern, fondern auf Deutfchland überhaupt,
vielleicht aber zunächft auf Sachfen. Zieglers Briefen
follte noch mehr nachgegangen werden, wie feinen
Schriften. Aus beiden ließe fich ficher noch vieles gewinnen
. Ausführlich handelt (S. 321—335) R. Meißner
über Luthers ,Ohne Hörner und Zähne', in dem er nicht
nur genau die Uberlieferung der Worte des Trierer Offi-
zials Eck und Luthers, fondern auch die mannigfaltige
Auffaffung derfelben bei den Uberfetzern und ncueften
Lutherbiographen feftftellt und dann nachweift, daß
Eck mit comutum responsum einen terminus teclinicus
der Logik anwendet, Luther aber wahrfcheinlich ,in
übermütiger Laune' cornututn finnlich deutete und mit
dentatum ,grotesk fteigerte'. Meißner fieht in Luthers
Ausdruck einen bizarren Einfall, in welchem fich die ungeheuere
Spannung des welthiftorifchen Augenblicks entlädt
. Doch find die denlatae cliartae zu beachten in den
Briefen des Ivrasmus ed. Enthoven S. 18. Noch ift hier die
fchöne Befprechung von Paftors Leo X (Gefch. derPäpfte
feit d. Ausgang des MA. IV. Bd., 1. Abt.) durch Kalkoff
(S. 199—204) hervorzuheben. Es gibt j'etzt doch für die
entfcheidungsvollen Jahre allmählich einen unanfechtbaren
Grundftock der Überlieferung, eine neutrale Zone, die
von beiden Seiten anerkannt ift. Dahin gehört z. B. der
umfichtige, tatkräftige Schutz, den Kurfürft Friedrich
Luther angedeihen ließ, aber mit Recht beftreitet Kalkoff,
daß Luther ein klares Bewußtfein von der Deckung durch
den Kurfürften hatte. Ebenfo dürfte er Recht haben,
wenn er Paftors Annahme eines herabgekommenen Zu-
ftands der deutfehen Auguftinerkongregation gegenüber
auf Proles und Staupitz verweift. Nicht zu überfehen ift
die Haltung Albrechts von Mainz und des Salzburgers
(S. 204). Albrecht fchließt feine große fcharffinnige und
gründliche Arbeit ,Zur Bibliographie und Textkritik
des kleinen Lutherifchen Katechismus' mit dem Wunfeh,
daß einige der urfprünglichen Tafeldrucke oder die erfte
Wittenberger Buchausgabe gefunden werden möchten,

,damit es die mühfamen Unterfuchungen nicht mehr
brauchte und des Haders ein Ende wäre' (S. 291).
Es ift wahr, nicht nur die Unterfuchungen find mühfam,
fondern auch ihre eingehende Verfolgung und Prüfung.
Aber dafür ift auch die literarhiftorifche Überficht über
die bisherigen Arbeiten von Riederer bis Knoke fehr
lehrreich, wie auch die freilich (tark in Einzelheiten
gehende Verhandlung mit Knoke, die doch fehr viele
wertvolle geficherte Ergebniffe bietet. Als befonders
glücklich erfcheint die Heranziehung der Schönwalder
Kirchenordnung, die Charakteriftik von Bugenhagens
Arbeit für die Herftellung der erften niederdeutfehen
Buchausgabe aus dem Tafeldruck, das Verhältnis von
E2, E1 und M unter einander und zur erften Wittenberger
Buchausgabe, der Nachweis, daß die Tafeldrucke
kein Vorwort oder Nachwort Luthers hatten,
fondern ein Geleitswort, das der Drucker aus Luthers
deutfeher Meffe nahm. Albrecht gelingt es, ein annehmbares
Bild der erften Buchausgabe Luthers herzuftellen.
Die Eifenacher Kirchenkonferenz wird davon Kenntnis
zu nehmen haben, daß nicht Schirlenz' Druck von 1542
die letzte bei Luthers Lebzeiten entstandene Ausgabe ift,
fondern der von 1543, welcher allerdings durch einen
Druckfehler (M.D.LXiij ftatt M.D.XLiij) entstellt ift.

Für unfere Kenntnis der von der Reformation überkommenen
kirchlichen Zuftände, der Wirkung der refor-
matorifchen Prinzipien auf das Leben der Kirche und
die Gefchichte der evangelifchen Kirchenverfaffung find
die Vifitationsberichte von großem Wert. P. Drews gibt
den Bericht des Mykonius über die von ihm und Joh.
Drako veranstaltete Vifitation des Amtes Tenneberg im
März 1526(8. I—17) und G. Berbig den erften Teil der
Vifitation im Ortsland Franken im November 1528 durch
Hans von Sternberg, D. Nik. Kind, Pfarrer zu Eisfeld,
Balth. Düring, Prediger zu Koburg, und Paul Bader,
Kästner. Man erkennt hier die Grundfätze, nach denen
Mykonius uud Drako verfuhren. Mykonius ,Conciliuml(1)
zeigt deutlich die Einwirkung der Briefe Luthers an den
Kurfürften vom 31. Okt. und 30. Nov. 1525, wirkt aber
auf die künftige Geftaltung der Vifitation ein, während

I für die Vifitation in Franken ,der Unterricht der Vifitatores
' und ,Inftruktion und bevelch, darauf die Vifitatores
abgefertigt fein', maßgebend wurden. Wünfchenswert
wären Worterklärungen wie z. B. S. 15 Z. 15 schioippen,
S. 389 Z. 7 schtitfreyhe, masshols S. 394, 396 conventor.
Da und dort erregt der Text Bedenken. Infinitivformen,
wie merk S. 15 Z. 11, seh Z. 13, annem Z. 22 find unmöglich
etwas anderes als aufzulötende Abkürzungen.
S. 15 Z. Ii 1. das man predigern allein ans hass zuwider
ist. Die vertreibt man. S. 392 Z. 21 1. conventor
ftatt comenter, vgl. S. 394, 396. Verfchiedene Auf-
ftellungen Berbigs erfordern Fragezeichen, fo wenn er
S. 342 Z. 2 v. u. die Bewegung der Täufer fozialiftifch
nennt. Der Kern des Täufertums ift doch religiös; wo
fich kommuniftifche Bildungen zeigen, gehen fie aus reli-
giöfer Wurzel hervor. S. 345 nennt er Mag. Wolfgang
als Superintendenten für den Bezirk Königsberg. Erft
S. 356 und 357 erfahrt man, daß er Hoffmann hieß.
Unrichtig ift, wenn 8. 348 lebenslängliche, unwiderrufliche
Anstellung als Folge des character indelebilis hin-
geftellt wird. Es gab doch auch ,MovendclPfründen'.

353 Z. 14 nimmt er an, der Brief Melanchthons an
Spalatin C. R. 1, 477 beziehe fich auf Balth. Düring, ftatt,
wie Bretfchneider will, auf Ge. Mohr, und fagt, Melanch-
thon nenne ihn dort einen Grammaticus. Nun aber redet
dort Mel. vom grammaticus urbis nostrae, alfo vom Schulmeister
in Wittenberg. Das war aber damals Georg Mohr.
Vgl.O. Clemen, Beitr. zur Ref. G.2, 27. Dafür, daß Düring
je Schulmeifter in Wittenberg gewefen fei, fehlt es bis
jetzt an jedem Beweis. Intereffant ift, wie genau jetzt
in Franken die kirchlichen Vermögensverhältniffe geordnet,
die Stolgebühren abgefchafft werden, die Baulaft der Pfarr-

| häufer auf die Gemeinden übergewälzt wird. Das Licht,