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Ausgabe:

1907 Nr. 6

Spalte:

176-177

Autor/Hrsg.:

Delisle, Léopold

Titel/Untertitel:

Notice sur les manuscrits du ‚Liber floridus‘ de Lambert, chanoine de Saint-Omer 1907

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1907 Nr. 6.

176

einer Schrift des Irenaus Elg hmöei^iv tov dsiooroXixov
xrjQvyfiaroq, gewidmet einem chriftlichen Bruder Marcian.
Jetzt hat das Armenifche, wie fchon fo manche Schätze
der altchriftlichen Literatur, auch diele Schrift uns dargereicht
. Zwei bereits in Deutfchland wohlbekannte
armenifche Gelehrte haben fie armenifch herausgegeben
und ins Deutfche übertragen. Entdeckt ward die Schrift
durch Karapet Ter-Mekerttfchian, Archimandriten zu Et-
fchmiadfin; durch Amtsgefchäfte jedoch zunächft an der
Herausgabe verhindert, hat er erft zufammen mit Erwand
Ter-Minaffiantz den armenifchen Text mit beigefügter
deutfcher Überfetzung edieren können. Finck, der veranlaßt
von Harnack den Text und die Überfetzung
durchgefehen, hat ihre Zuverläffigkeit und Trefflichkeit
beftätigt. Die Handfchrift, welche die Epideixis erhalten
hat, ift wie viele andere auf Befehl des Erzbifchofs
Johannes, Bruders des Königs Hetums von Cilizien, eines
eifrigen Bücherfreundes gefchrieben, wahrfcheinlich 1270— 1
1289. Sie enthält u. a. auch das 4. und 5. Buch von j
Adv. haereses des Irenäus. Beide Schriften des Irenaus,
die Epideixis wie Adv. haereses, werden fchon in einer
armen. Abhandlung zitiert, die in einer Handfchrift des 1
IO. Jahrh.s erhalten ift und wahrfcheinlich einem bekannten
Schriftfteller des 8. Jahrh.s, Stephan Siunienfis, angehört;
zwei diefer Zitate finden fich aber auch in einer vermutlich
von dem Patriarchen Sahak III verfaßten Schrift
aus .dem Ende des 7. Jahrh.s. Karapet nimmt an, daß
die Überfetzung ins Armenifche von der Mitte des 7. bis
Anfang des 8. Jahrh.s erfolgt fei. Die Frage, ob die
Übertragung unter Vermittlung des Syrifchen gefchah,
wollen die Herausgeber offen laffen.

Nicht nur der Zufammenhang in der textlichen Überlieferung
mit den Büchern IV und V von Adv. haereses
beftätigt das handfchriftliche Zeugnis für die Verfaffer-
fchaft des Irenäus, fondern c. 99 der Epideixis weift
diefer ausdrücklich auf fein ketzerbeftreitendes Werk hin.
Aber auch der ganze Inhalt der Schrift ftellt ihre Herkunft
von Irenäus außer Zweifel. Harnack urteilt S. 56
richtig, daß man faft zu jedem Kapitel mehrere Parallel-
ftellen aus Adv. haereses beifügen könnte. Als ein
Hilfsmittel, den Beziehungen zwifchen beiden Schriften
nachzugehen, hat er in dankenswerter Weife in dem von
ihm verfaßten Regifter der Bibelftellen die auch in Adv.
haereses verwerteten angemerkt (zu Phil. 215 und Eph. 40
ift IV, 5:1 und V, 182 zu lefen). Die Epideixis gibt nach
einer Darlegung des in der Taufe überkommenen Glaubens
an Vater, Sohn und Geift (c. 3—8) einen Überblick
über die altteftamentliche Heilsökonomie bis auf die
Verkündiguug der Propheten hin (c. 9—30) und eine
Charakterifierung der Erlöfung durch die Menfchwerdung
des Sohnes Gottes (c. 31—42), um dann die Erfüllung
der Weisfagung in Chriftus nachzuweifen (c. 43—97). Die
das polemifche Werk des Irenäus beherrfchenden Gedanken
kehren auch hier in pofitiver Ausführung und
fchlichterer Darftellung wieder. Die in Chriftus gipfelnde
Heilsökonomie will Irenäus zeigen. Es ift überrafchend,
in welch fefter Form er feine Theologie zu eigen befaß;
aber diefe Lehre war ihm in ihren Hauptpunkten die
Religion felbft (Plarnack S. 66). Noch heute wirkt das
von ihm vorgetragene Gefüge chriftlicher Heilserkenntnis
im Unterricht fort. Offenbar hat er es aber felbft in
feinen Grundzügen bereits überkommen (Loofs, Dogmen-
gefch.4 S. 139fr.). Manches die altteftamentliche Ge-
fchichte Betreffende ift aus dem Judentum empfangenes
Erbe; z. B. die Schilderung Abrahams als des Gott-
fuchers c. 24, Harnack S. 58 (vgl. m. Ausg. der Apokalypfe
Abrahams S. 42 ff.). Auf die ,Älteften, die Schüler der
Apoftel', beruft fich Irenäus auch hier (c. 3. 61). Ent-
fprechend älterer Ausdrucksweife lehrt er, ,daß Chriftus,
Geift Gottes feiend, leidensfähiger Menfch' geworden
(c. 71), er habe ,den Geift Gottes des Vaters mit dem
Gefchöpfe Gottes vermifcht' (c. 97); aber Irenäus fpricht
auch (c. 6) von einem Wirken des vom Sohn unterfchie-

denen Geiftes in den Propheten und Gerechten des Alten
Bundes (unter dem Finger Gottes, dem, ,was vom Vater
zum hl. Geift ausgeftreckt ift', c. 26 möchte ich den fonft
,Hand Gottes' genannten Sohn verftehen, wenn nicht ein
Überfetzungsfehler vorliegt; vgl. übrigens Hippol. In
Dan. III, 140). Als den Zweck der Erlöfung bezeichnet
Irenäus auch hier, durch Vereinigung des Menfchen mit
Gott und den Gehorfam des Menfchgewordenen den
durch feinen Ungehorfam an den Tod Gebundenen der
Unverweslichkeit teilhaft zu machen. ,Deswegen hat
unfer Herr diefelbe Leibbildung des Erftgefchaffenen
angenommen, damit er herantrete zum Kampf für die
Väter (vgl. Adv. haer. III, 18 g erat horno pro patribus
certans et per obedientiam inobedientiam persolvens) und
fiege durch Adam über den, der uns durch Adam geichlagen
hat' (c. 31; Adv. haer. III, 21 10); denn es war
die nochmalige Vollendung des Adam in Chrifto notwendig
, damit das Sterbliche von der Unfterblichkeit
Verfehlungen werde' (c. 33). ,Durch den Gehorfam, den
er bis an den Tod fefthielt, an das Holz gehängt, löfte
er den alten mit dem Holz verbundenen Ungehorfam
auf (c. 34). Der vor der Welt bei Gott war (c. 43) und
durch den alle Offenbarung des Alten Teftaments erfolgt
ift (c. 40. 44ff.), ift es auch, durch den Gott ,den Menfchen
von neuem berufen' (c. 40) und der die Erlöfung vollbracht
hat, ,indem er felbft die Welt durchzog und in
ihr Ordnung fchaffte' (c. 39). Gekreuzigt ward Chriftus
unter Pilatus, dem ,Prokurator des Kaifers Claudius' (74,
vgl. Adv. haer. II, 22 5 f.). Auch hier wird auf die Hadesfahrt
Gewicht gelegt und dabei wie Adv. haer. III, 20 .
IV, 221. 331. 12. V, 311 der (fchon von Juftin Dial. 72
zitierte) apokryphe Jeremiasfpruch angeführt. Sehr ener-
gifch wird betont, daß die Erlöften nicht ,zur Gefetzge-
bung des Mofes zurückgeführt'werden, fondern in Glauben
und Liebe ,nach dem neuen Wefen des Wortes leben
follen' (c. 89). Als Kinder des gläubigen Abraham
,werden auch wir nicht durch das Gefetz gerechtfertigt,
fondern durch den Glauben' (c. 35). ,Denn wir haben
den Herrn des Gefetzes, den Sohn Gottes, empfangen.
Und durch den Glauben an ihn lernen wir Gott von
ganzem Herzen lieben und den Nächften wie uns felbft'
(c. 95). — Schon dies Wenige genügt um die Bedeutfam-
keit diefer Schrift, durch die wir Irenäus auch als Katecheten
kennen lernen (Harnack S. 55), klarzuftellen.

Göttingen. N. Bonwetfch.

Delisle, Lcop., Notice sur les manuscrits du .Uber floridus'
de Lambert, chanoine de Saint-Omer. (Tire des Notices
et Extraits des Manuscrits de la Bibliotheque nationale
et autres bibliotheques, Tome XXXVIII.) Paris,
C. Klincksieck 1906. (215 p. [577—791] m. 1 Tafel.)
4° fr. 8.60

In der Einleitung zu feinem Liber floridus fagt Lambert
, daß ihn die Abficht geleitet habe, die Großtaten
Gottes und feine Wunderwerke genau zu erforfchen und
fie den Lefern zu erzählen. Da zu feiner Zeit die heiligen
Studien ganz darnieder gelegen hätten, fo hätte er ,/ibeuum
istum de diversorum auetorum floribus' zufammengcftellt
und ihn floridus genannt, ,quia et variorum libroruiu
ornatibus floret, rerumqne mirandaruiu narratiouc pre-
polleb. Diefe Blütenlefe, die im Jahre 1120 vom Autor
veranftaltet oder wenigftens vollendet wurde, war bisher
nur fehr wenig bekannt; einige Stücke gefchicht-
lichen Inhalts waren daraus publiziert und verwertet
worden; aber felbft über den Inhalt der Sammlung
im allgemeinen waren genaue Angaben nicht vorhanden
. Ein wiffenfehaftliches Bedürfnis war es immerhin,
hier Abhilfe zu fchaffen. In feiner gewohnten lichtvollen
und erfchöpfenden Art hat Delisle die Aufgabe gelöft
und für die Kenntnis des Liber floridus die wiffen-
fchaftliche Grundlage gefchaffen. Zunächft werden die in