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Ausgabe:

1906 Nr. 5

Spalte:

143

Autor/Hrsg.:

Kühl, Ernst

Titel/Untertitel:

Erläuternde Umschreibung der paulinischen Briefe unter Beibehaltung der Briefform. 1. Heft: Der erste Brief an die Korinther 1906

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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143

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 5.

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lichkeit betrachtet, ergibt (ich daraus allerdings das
Endurteil, daß der Apoflel auch in diefem Abfchnitt
(man dürfte fogar fagen: hier mehr, als irgend anderswo)
fich auf dem Boden der jüdifchen Beurteilung des Dafeins
und fo fern als nur immer möglich von griechifch beeinflußter
Denkweife hält. Es fällt doch wohl fchwer, einen,
auch vom Verf. behaupteten, zwifchen dem 1. und dem
2. Korintherbrief eingetretenen Fortfehritt der inneren
Anfchauung und Glaubensgewißheit des Apoflels darin
zu erkennen, daß nunmehr wenigftens an die Stelle des
bloß negativen Ausdrucks xoip?]&yvat die pofitive Vor-
ftellung von einem ,Zuftand relativer Seligkeit' (S. 44)
getreten fein foll.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Kühl, Prof. Dr. Emfl, Erläuternde Umlchreibung der paulini-
fchen Briefe unter Beibehaltung der Briefform. 1. Heft:
Der erfte Brief an die Korinther. Königsberg i. Pr.,
W. Koch 1905. (101 S.) gr. 8° M. 1 —

,Den Freunden aus dem theologifchen Kränzchen'
widmet der Verf. das vorliegende Heft, das in der Tat
geeignet ift, den Wert der .Stunden gemeinfamer wiffen-
fchaftlicher Arbeit', an die es erinnern will, in ein recht
vorteilhaftes Licht zu ftellen. Es find gründliche exe-
getifche Studien, deren wohlerwogene, offenbar in wiederholter
Prüfung herangereifte Frucht hier geboten wird.
Diefe Paraphrafierung ift zugleich eine Übertragung des
apoftolifchen Gedankenganges in die Denk- und Ausdrucksformen
von heute, ja geradezu in den heutigen
Briefflil, darum aber nichts weniger als etwa eine Mo-
dernifierung in fachlicher Beziehung. Sie erfetzt vielmehr
einen Kommentar, wenn man in folchem nur eine
möglichft deutliche, unmißverftändliche, zugleich aber
auch in knappften Grenzen gehaltene Reproduktion des
Textes fucht und gern den gelehrten Apparat vermißt,
der ja anderswo reichlich zu finden ift. Bei richtiger
Beurteilung der Aufgabe, die fich der Verf. geftellt hat,
wird man fich demnach nicht darüber aufhalten, wenn
man den Apoftel Ausdrücke gebrauchen fleht, wie .objektiv
' und .fubjektiv', .Adiaphoron', ,normales Verhältnis
', ,das Ich', ,Charakter der Überweltlichkeit',
,Emanzipierte', ,ab(ürde Konfequenzen' ufw. Eher wird
es Beanftandung finden, wenn man ihn zu 12, 5 vom
.dreieinigen Gott' oder zu 12, 31 vom .Hohenlied der
Liebe' fprechen läßt, dem er fich jetzt anfehicke einen
.begeifterten Hymnus' zu widmen. An fich begreiflich ift
es ja, wenn der Apoftel unter Vorausfetzung der Richtigkeit
der Exegefe des Verfaffers fchreiben muß. Gleichwohl
erfcheinen apologetifche Parenthefen, wie fien.io
(wegen 14, 34) und 15, 29 vorkommen, etwas gewagt;
ebenfo die Auslegung von 15, 13. 28 unter der Vorausfetzung
, die Korinther hätten gegen die Verkündigung
von der Auferftehung Jefu den Einwand erhoben, es fei
doch wenigftens feither keine Totenerftehung mehr zu
beobachten gewefen. Eingetragen wird auch 15, 5 die
Behauptung, die Erfcheinung vor Petrus und den übrigen
Apofteln habe gerade fchon am dritten Tag ftattgehabt.
Zu 11, 10 ift vom Zorn der Engel die Rede, den die
fchleierlos redenden Frauen erregen könnten. Doch das
und ähnliches hat der Verf. ja mit andern Auslegern
gemein. Eigentümlicher ift dafür die Faffung von 5, 4. 5
als Vorftellung von dem Verlauf, den die Sache eigentlich
hätte nehmen follen.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Allard, Paul, Haben die Chrilten Rom unter Nero in Brand
gefteckt? Genehmigte Überfetzung aus dem Fran-
zöfifchen. (Wiffenfchaft und Religion, Sammlung bedeutender
Zeitfragen. 8.) Straßburg i. E., F. X.
Le Roux & Co. (1905). (59 S.) kl. 8° M. — 50

Vorliegendes, ftatt der Jahreszahl mit bifchöflichem
Imprimatur vom 17. Juli 1905 verfehenes, achtes Bändchen
eines katholifchen Parallelunternehmens zu bekannten pro-
teftantifchen Sammlungen ift die deutfehe Wiedergabe der
1904 in der ,CollectionScience etreligion1,(Paris) erfchienenen
Schrift ,Les chretiens ont-ils incendie Rotne sous Neron',
deren Verf. fich durch zahlreiche, zwar meift der katholifchen
Tradition folgende, aber gelehrte und beachtenswerte
Arbeiten, darunter eine in drei Auflagen erfchienene
,Histoire des persecutions pendant les deux pr emiers Steeles',
bekannt gemacht hat. Das dem gleichen Gegenftand gewidmete
große Werk Profumos war ihm noch nicht bekannt
. Er bekämpft durchweg die Auffaffung, welche
Carlo Pascal in mehreren Schriften [Studi di antichith
e mitologia 1896, üincendio di Roma e i primt Cristiani
1900, 3. Aufl. 1903, Fatti e /eggende) niedergelegt hat,
derzufolge der Fanatismus der Chriften für den Brand
verantwortlich zu machen wäre. Dem entgegen wird
gezeigt, daß fchon Tacitus neben der Alternative forte
an dolo prineipis keine dritte Hypothefe kennt, daß auch
keiner der literarifchen Gegner, die dem Chriftentum im
Laufe der vier -erften Jahrhunderte erftanden, eine folche
Befchuldigung erhebt, daß endlich auch keiner unter den
Apologeten irgend welches Bedürfnis fühlt, die Chriften
wie fonft gegen die Anklagen auf Atheismus, Unzucht
und Kannibalismus, fo überdies auch gegen den Verdacht
der Brandftiftung zu verteidigen. Die Stelle bei Tacitus
wird auf entfeheidenden Punkten {^qui fatebantur' und
,reos subdidit') wohl richtiger als bei Pascal und auch
bei Profumo erklärt. S. 20 Z. 10 v. u. lies Nero ftatt
Rom.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Wuftmann, Lic. theol. Georg, Die Heilsbedeutung Chrifti
bei den apoftolifchen Vätern. (Beitr äge zur Förderung
chriftlicher Theologie. Herausgegeben von A. Schlatter
und W. Lütgert. Neunter Jahrgang 1905, zweites
und drittes Heft.) Gütersloh, C. Bertelsmann 1905.
(229 S.) gr. 8° M. 4 —

Die Arbeit zeugt von fleißiger Lektüre der apoftolifchen
Väter' I. und II. Klemens, Barnabas, Ignatius,
Polykarp, Hermas, und auch von guter Begabung, die
chriftologifchen Ausfagen, foviel fich davon bei jenen
finden, in gewiffenhafter Abwägung und im ganzen
unparteilich der Reihe nach aus jenen fyftematilch zu
erheben. Wo fich gelegentlich Spuren unhiftorifchcr
Auffaffung finden, rühren lie von der Neigung des Verf.
her, die Daten der evangelifchen Dogmatik an die Schrift-

; fteller heranzutragen und die Ausfagen diefer nach jenen
zu bemeffen (z. B. S. 135 f. über allgemeines Sünden-

1 verderben bei Hermas). Am Schluffe jedes Kapitels
findet fich noch einmal eine Zufammenfaffung. Infofern
in jedem Falle auch ein Licht auf das ganze Chriftentum
des nachapoftolifchen Schriftftellers fällt, leiftet die Dar-
ftellung eigentlich mehr als fie verfpricht. Befondere
Acumina weift fie nicht auf, am wenigften im letzten
Kap., das ,die gefchichtliche Stellung der unterfuchten
Schriften' behandelt und einen kurzen Ausblick auf die
nächfte weitere Entwicklung anfchließt. Auch darf man
wirklich (mit dem Verfaffer S. 121) fragen, ob Gelegenheitsprodukte
wie der Polykarpbrief ausreichen, die Ge-
famtanfehauung des kirchlichen Schriftftellers genügend
zu beleuchten.

Betheln (Hann.).

E. Hennecke.