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Ausgabe:

1906

Spalte:

108-109

Autor/Hrsg.:

Batiffol, Pierre

Titel/Untertitel:

Études d‘histoire et de Théologie positive. Deuxième Série. L’eucharistie 1906

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 4.

108

Kap. 1 handelt nach einer allgemeinen Einleitung
über die Bedeutung der Efchatologie in der Religion
überhaupt und fpeziell bei Paulus von dem unfyftemati-
fchen, aber deshalb nicht widerfpruchsvollen Charakter
feiner Äußerungen darüber. Ob auch keine Entwicklung
bei ihm anzunehmen ift, kann fich erft fpäter zeigen.

Das nächfte Kapitel befpricht die vier Quellen der
paulinifchen Efchatologie: den Einfluß des alten Tefta-
ments, des Judentums, der chriftlichen Erfahrung des
Apoftels und der chrifllichen Tradition. Daß Paulus
feine Vorftellung vom Ompa nVEvparixov und der doga
der Verklärten von feiner Chriftophanie und der durch
den Geift vermittelten Gemeinfchaft mit dem Erhöhten
entlehnt habe, würde ich nicht fagen; im erften Falle
liegt die Sache m. M. n. umgekehrt.

Der Tod (Kap. 3) foll bei Paulus one indivisible ex-
perience (113) und zwar the ruin of the whole personaliiy
bedeuten (137). Aber K. zeigt doch felbft, daß fchon
das Judentum eine Aufhebung des Todes erwartete; die
auch bei Paulus noch nachwirkende Beurteilung des
Todes war alfo eine Inkonfequenz. Bei der Krage nach
dem Zufammenhang des Todes mit der Sünde hätten
deffen verfchiedene Formen unterfchieden werden müffen;
vgl. meine Lehre von der Sünde I, 233 ff.

In Kap. 4 (Wiederkunft und Gericht) kommt K. nochmals
auf die Frage einer Entwicklung bei Paulus zurück
und beftreitet, daß Paulus z. Z. des zweiten Korinther-
briefs die Erwartung, die Parufie noch zu erleben, aufgegeben
habe. Aber was er zum Beweis dafür beibringt,
zeigt nur, daß Paulus, wie niemand beftreitet — K. führt
auch noch ausdrücklich eine entfprechende Äußerung
Holtzmanns an — auch fpäter noch an ein baldiges
Ende geglaubt hat.

Dagegen nehme ich auch felbft nicht mehr eine
Umbildung der Auferftehungshoffnung des Paulus an,
auf die K. in Kap. 5 zu reden kommt. Seine Erklärung
von II. Kor. 5 ift freilich unhaltbar, richtig dagegen die
Beziehung des öxEiQErai I, 15, 42 ff. auf das Begräbnis,
für die nur merkwurdigerweife gar nicht geltend gemacht
wird, daß andernfalls ein Widerfpruch gegen die fonftige
Anfchauung des Apoftels vom Tod herauskäme.

Im letzten Kapitel endlich handelt K. von der Vollendung
der Herrfchaft Gottes bei Paulus, bekämpft aber
die Erklärung von I. Kor. 15, 23 ff. von einem fog. Millennium
. Ich kann das wieder nicht richtig finden; Kol.
2, 15 bezieht fich fpeziell auf die Aufhebung des Gefetzes
und würde, auch wenn man es allgemeiner faßte, nicht
hierher paffen.

Eine Anhangsnote zu Kap. 2 befpricht noch den
helleniftifchen Einfluß auf die paulinifche Efchatologie,
der mit Recht als gering bezeichnet wird. Bei Unter-
fuchung des Verhältniffes der Sünde zur tfapg hätten dagegen
die verfchiedenen darüber aufgeftellten Theorien
fchärfer auseinandergehalten werden müffen; ich darf
dafür wieder auf meine Lehre von der Sünde I, 188 ff.
verweifen.

Höchfter Anerkennung wert ift die vollftändige und
forgfame Benutzung der einfchlägigen Literatur; auch
der Druck ift, wie man das ja bei englifchen Büchern
gewöhnt ift, ausgezeichnet. Nur ganz wenige Druckfehler
find mir aufgefallen: S. 102 Z. 11 v. u. fehlt ein Buchftabe
und hat fich dadurch das übrige verfchoben, S. 206 Z. 4
v. u. fleht ein falfcher Akzent, S. 269 Z. 3 v. u. fehlt er
ganz, aber das kommt in einem Bande von 370 Seiten
nicht in Betracht.

Bonn. Carl Clernen.

Batiffol, Pierre, ritudes d'histoire et de Theologie positive.

Deuxieme Sdrie. L'eucharistie. La presence reflle
et la transsubstantiation. Paris, V. Lecoffre 1905.
(388 p.) 80 ^ fr. 3.50

Der erfte Band diefer Etudes (La discipline de VArcane,
les origines de la Penitence, la Hierarchie primitive, l'Agape)
ift vor kurzem in dritter Auflage erfchienen. Das vorliegende
Buch, die zweite Serie der kirchen- und dogmen-
hiftorifchen Studien, handelt von der ,Euchariftie', der
,wirklichen Gegenwart' und der ,Verwandlung'. Es zer-
ifällt in fünf Teile: die Euchariftie im Neuen Tefta-
ment (1 —133), der Realismus im 2. Jahrhundert
(134—178), erfte Theorien des Realismus (179—254),
Herausarbeitung des Begriffs der Metabole (255
bis 315), Metabole und Verwandlung (316—383).

Die neuteftamentliche Darfteilung beginnt der Verf.
mit der Prüfung der Auffaffung des Paulus: daß er die
Euchariftie als eine zu wiederholende Einfetzung Chrifti
betrachtet, geht auf die ältefte kirchliche Tradition zurück,
und entfpricht der ausgefprochenen Weifung des Stifters.
Demfelben haben Brot und Wein dazu gedient, den
neuen Bund, der durch das Blut Chrifti beftätigt werden
follte, feierlich zu verkündigen (proclamer). Brot und
Wein des Abendmahls vermitteln eine xoivcovta rov
cäparoq, rov öcoftaroq rov XpiOrov, deren Modus nicht
näher beftimmt wird. Die religionsgefchichtlichen Er-
klärungen Gardners und Heitmüllers find zurückzuweifen.
Sehr umfichtig ift die Unterfuchung der fynoptifchen Berichte
, die tcxtkritifch, lterarifch, theologifch eine eingehende
Beleuchtung erfahren. Der Verfuch, die paulinifchen
und fynoptifchen Berichte in eine höhere Synthefe
aufzuheben, wirft ein helles Licht auf die Art, wie der katho-
lifche Theologe das Traditionsprinzip zu verwenden weiß:
la foi de l'Eghse naissante (54. 56 u. ö.) enthält bereits
keimartig den Gedanken der realen Gegenwart Chrifti,
die bleibende Inflitution des Sakraments, den Opferbegriff,
die Meffe. An der durchaus fachlich gehaltenen, auf
gründlicher Kenntnis der Literatur ruhenden Kritik der
neueren Theorien (58—82) follten auch die proteftantifchen
Theologen nicht vorübergehen. Die Erörterung der Rede
Johan VI führt zu genauen Auseinanderfetzungen mit
Loisy: B.s Erklärung gelangt zu Ergebniffen, die Ref.
in feiner franzöfifchen, dem Verf. offenbar unbekannt gebliebenen
Monographie über das heilige Abendmahl
(18) vertreten hat. In der Deutung der Gebete der
Didache begegnet fich B. mit v. der Goltzs Anficht in
feinem Buch über ,Das Gebet in der älteften Chriftenheit
1901', Die höchft einfeitige Auslegung, welche Anderten
den euchariftifchen Stellen der ignatianifchen Briefe zuteil
werden läßt, findet eine wohlverdiente Abfertigung.

Ref. muß fich vertagen, den dogmenhiftorifchen Ausführungen
B.s im einzelnen zu folgen; wäre er doch nicht
imftande über die Unterfuchungen eines auf dem Gebiete
der patriftifchen Literatur fo hervorragenden Forfchers
ein maßgebendes Urteil abzugeben. Zahlreich find die
Stellen, in denen ein Diffenfus mit der Erklärung prote-
ftantifcher Gelehrten hervortritt; namentlich bieten die
Auseinanderfetzungen mit Harnack und Loofs ein hohes
Intereffe. Der Scharffinn, mit welchem B. die kontro-
verfen Punkte der dogmengefchichtlichen Entwicklung erörtert
und oft in ein neues überrafchendes Licht rückt,
wird den Hiftoriker nötigen, die angeregten Fragen einer
wiederholten Prüfung zu unterwerfen: fo feien beifpiels-
weife die Abfchnitte über Tertullian (219—224), Auguftin
(232—252), Chryfoftomus (268-278) erwähnt. Es kommt
indeffen nicht in erfter Linie auf Einzelheiten an: das
Hauptintereffe haftet hier an dem von B. gefchilderten
Entwicklung-gange; das Ganze ift es, was die Aufmerk-
famkeit und die innere Teilnahme in Anfpruch nimmt.
In diefer Beziehung wird man fich vielleicht enifchließen
müffen, an einzelnen Punkten umzulernen; mit welcher
Virtuofität B. auch den fo dehnbaren Traditionsbegriff