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Ausgabe:

1906 Nr. 3

Spalte:

80-81

Autor/Hrsg.:

Schermann, Theodor

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der dogmatischen Florilegien vom V.-VIII. Jahrhundert 1906

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 3.

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die von dem bisher fo gut wie unbekannten Apa Viktor
als Unterhändler Cyrills am Kaiferhofe gefpielte Rolle !
glänzend ausmalt, es dabei mit der Wahrheit in Einzelheiten
nicht genau nimmt und auch da, wo er die
griechifchen Urkunden überfetzt, die cyrillifche Auf-
faffung hineinfälfcht. Sicher wird fich für eine fchärfere
Zeichnung der Stellung des Kaifers, der feinen Patriarchen
nicht fallen laffen wollte, vielleicht auch der Vorgänge
auf dem Konzil der eine oder andere Zug gewinnen
laffen. Sonft wüßte ich nicht, daß allzuviel gewonnen
wäre. Ob man einzelne, von den griechifchen Urkunden
nicht beglaubigte Züge, wie den, daß Neftorius vor Eröffnung
der Sitzungen fich ohne Erfolg bemüht habe,
feine Gegner zu einer gemeinfamen Abendmahlsfeier zu
veranlaffen, als gefchichtlich hinnehmen darf, will ich
nicht entfcheiden, da das füglich niemand wiffen kann.
Die beim Kopten ohne griechifche Parallele erhaltenen
Briefe hält Kraatz mit einer Ausnahme für echt. Jedenfalls
enthalten fie keine Unmöglichkeiten. Im Anhang
nimmt Kraatz zu einer Abhandlung des Ruffen Bolotov
Stellung, der die Akten in unfreundlicherem Lichte fieht,
insbefondere die Unterhändlertätigkeit Viktors in Kon-
ftantinopel ganz in Abrede ftellt, wozu m. E. hinreichender
Grund nicht vorhanden ift.

Gießen. G. Krüger.

Labourt, DD. J., Le christiansmie dans l'empire perse sous
la dynastie Sassanide (224—632). (Bibliotheque de
l'enseignement et d'hiftoire ecclesiastique.) Paris,
V. Lecoffre 1904. (XIX, 372 p.) 8° Fr. 3.50

Labourt, Hyronimus, De Timotheo I. Nestorianorum pa-
triarcha (728—823) et christianorum orientalium condici-
one sub caliphis Abbasidis. Accedunt XCIX eiusdem
Timothei definitiones canonicae e textu syriaco ine-
dito nunc primum latinc redditae. Thesis. Parisiis,
V. Lecoffre 1904. (XI, 89 p.) gr. 8° Fr. 4 —

Die Redensart, daß etwas eine Lücke in der Literatur
ausfülle, ift man geneigt als trivial zu empfinden.
Ich wüßte aber nicht, wie ich mich dem Labourtfchen
Buche gegenüber anders und beffer ausdrücken follte.
Eine Darfteilung der Anfänge der perfifchen Kirche ift
mir nicht bekannt, und feit Jofef Affemani den Neftori-
anern den dritten Band feiner großen /Bibliothek' gewidmet
hatte, ift auch über ihre Gefchichte im Zufammen-
hang nichts von Belang gefchrieben worden. Die Ge-
fchichtsfchreibung hat mit der regen Arbeit, die für die
Publikation von Quellen in neuerer Zeit geleiftet ift — ich
erinnere nur an Brauns und Chabots Arbeiten —, nicht
Schritt gehalten, vielleicht nicht Schritt halten können.
Dem Petermannfchen Artikel in der Real-Enzyklopädie
hätte eine gründlichere Umarbeitung, als Keßler fie vorgenommen
hat, immerhin nicht gefchadet. Labourt ift
in den Quellen gut bewandert und zugleich ein gefchickter
Darfteller. Sein Buch zerfallt in zwei, äußerlich als folche
nicht bezeichnete Teile, deren erfter in acht Kapiteln
uns die Gefchichte des perfifchen Chriftentums bis zum
Sturz der Saffaniden vorführt (1. Les ortgines du Christi-
a?iisme en Perse; 2. LOrganisation de l'eglise de Perse
au commencement du IV' Steele; 3. La persecution de
Sapor II; 4. La reorganisation de l'eglise de Perse; 5. Les
persecutions du V' Steele; 6. Le triomphe de la doctrine
nestorienne; 7. La reforme du VI' Steele; 8. Chosrau II
et les chretiens), während die vier Kapitel des zweiten
Teils die innere Entwicklung behandeln (9. Le developpe-
ment de la theologie tiestorienne; 10. Les ecoles nestori-
ennes; II. L'institution monastique; 12. Le droit canoni-
que de l'eglise de Perse. Das Buch ift feinem Zwecke
nach wie monographie qui, tout en groupant les resultats
acquis, put servir de depart commode pour des recherches
ulterieures.' Diefen Zweck dürfte es vollftändig erfüllen,

und wir wollen es dankbar benutzen. Beigegeben ift
eine Karte der werblichen Provinzen des Perferreiches,
die Duvals Gefchichte der fyrifchen Literatur entnommen
ift.

Seinen Plan, die Gefchichte des neftorianifchen
Kirchentums auch unter der Herrfchaft der Ommajaden
und Abaffiden zu verfolgen, hat Labourt mangels ausreichenden
Materials wieder aufgegeben. Mit feiner
Studie über Timotheus I., der die neftorianifche Kirche
zur Zeit der Blüte der Abaffidenherrfchaft lenkte — fein
Leben wird durch die Jahre 728 und 823 eingegrenzt —.
glaubt er den Kirchen- wie den Profanhiftorikern einen
Dienft zu tun. Einem Index operum Timothei läßt er
drei Kapitel folgen: 1. De vita T.; 2. de inferiore regi-
mine ecclesiae nestorianae sub prineipatu T.; 3. de Nestorianorum
missionibus apud exteras gentes et eivitates. Den
Befchluß bildet der Abdruck (latein.) von 99 Kanones
des T. nach einem Cod. Borgiattus. Von Brauns Abhandlungen
zu den ,Briefen des Katholikos Timotheos I.'
im Oriens Christianus fcheint L. merkwürdigerweife nur
die erfte (1901) zu kennen oder doch zu berückfichtigen
(S. XIII A. 1 Z. 2 ift 1903 Druckfehler für 1901). Zum
Index operum vgl. man auch die Bemerkungen von
W. H. Andrews in der Revue d'histoire ecclesiastique 1905,
S. 475.

Gießen. G. Krüger.

Schermann, D. Theodor, Die Gefchichte der dogmatifchen
Florilegien vom V —VIII. Jahrhundert. (Texte und Unterluchungen
zur Gefchichte der altchriftlichen Literatur.
Herausgegeben von Oscar von Gebhardt und Adolf
Harnack. Neue Folge. Dreizehnter Band. 1. Heft.)
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1904. (VI,
104 S.) gr. 8° M. 3.50

Wer fich mit der Gefchichte der dogmatifchen Streitigkeiten
im 5.—8. Jahrh. zu befchäftigen hat, der weiß,
welche Rolle darin die Berufungen der ftreitenden Parteien
auf die Zeugen der Vergangenheit fpielen. Hat
doch Harnack die 6. allgemeine Synode als das .Konzil der
Paläographen und Antiquare' bezeichnen können. Nachdem
diekatalogifierende Arbeit der Gelehrten die Parallelen-
und Katenenfammlungen für die Wiffenfchaft benutzbar
gemacht bzw. den Zugang zu ihnen eröffnet hat, ift es
an der Zeit, daß auch die yorjOeic, die dicta probantia
die gleiche Wohltat erfahren. Seit Mai ift für fie nur
wenig gefchehen, und was Mai tat, unterliegt fcharfer
Kritik. Diekamp ift, wie er uns vor kurzem (Theol.
Quartalfchr. 1904, S. 5CX3) verraten hat, mit einer Neuausgabe
der von Mai im 7. Bande feiner Nova Collectio
fo mangelhaft (f. Loofs, Leontius, 92 ff.) herausgegebenen
Doctrina Patrum befchäftigt. Unter folchen Umftänden
ift Schermanns Verfuch, einen Uberblick über die Entwicklung
diefer wunderlichen, aber dem Forfcher höchft
wertvollen Literatur von ihren Anfängen im neftorianifchen
Streit bis zu ihren Ausläufern im 9. Jahrh. zu geben,
dankbar zu begrüßen. Vorangeftellt ift eine Überficht
über die dogmatifchen Enzyklopädien in Handfchriften
und bei Schriftftellern vom 5.-8. Jahrh. Den Ausgangspunkt
bildet eben die Doctrina Patrum, das wichtigfte
der uns bekannten Florilegien, das höchft wahrfcheinlich
nicht lange vor dem Konzil von 681 zufammengeftellt
worden ift. Die Vermutung von Loofs, daß Sophronius,
und die von Serruys (früher fchon Le Quien), daß Ana-
ftafius Sinaita der Redaktor gewefen fei, lehnt Schermann
ab. Wenn, wie Sch. (S. 6) fagt, in dem in Kap.
35 enthaltenen Auszug aus einer Schrift des Sophronius
diefem das Prädikat äyioq erteilt wird, fo kann freilich
Sophronius der Redaktor nicht gewefen fein. Das aber
konnte wieder Loofs nicht wiffen, da Mai das Kapitel
nicht abgedruckt hat. Was Sch. gegen Anaftafius einwendet
, fcheint mir deffen Redaktorfchaft nicht auszu-