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Ausgabe:

1906 Nr. 3

Spalte:

76-78

Autor/Hrsg.:

Turner, Cuthbertus Hamilton

Titel/Untertitel:

Ecclesiae Occidentalis Monumenta Juris Antiquissima. Tom. I, fasc. 1, pars 2 1906

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 3.

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hüttenfeft 781 bis zum nächften Laubhüttenfeft gedauert
habe. Nicht länger: das toll aus 9, 7. 11 erhellen. Denn
darin, daß der genannte Teich identifch mit dem Bethesda
ift, befteht ja die fechfle Neuigkeit, die man abermals
dem oben genannten ,ebenfo fcharffinnigen als be-
fcheidenen Gelehrten' verdankt. Ernfthafter kann man
die fiebente Entdeckung nehmen, wonach die Rede 6,
a7—59 einheitlichen Charakters und von vornherein darauf
angelegt ift, in der euchariftifchen Theorie 51—57 zu
gipfeln. Doch haben das Gleiche auch andere Exegeten
und biblifche Theologen fchon nachgewiefen, ohne darum
in der genannten Stelle gerade fchon das Meßopfer und
die Transfubftanziation ausgefprochen zu finden. Achtens
foll der Ausdruck 01 'Iovöuloi vom Evangeliften in 3-
oder 4fachem Sinne gebraucht und von diefer Erkenntnis
das richtige Verftändnis der Kapitel 2 und 5—11 abhängig
fein. Wenn Wrede den Ausdruck mit ,die Juden'
überfetzt, fo zeige er nur, daß er fich mit dem Problem
noch zu wenig befchäftigt hat (S. 16). Im Kommentar
find allerdings 2 bis 3 Begriffsbeftimmungen zu unter-
fcheiden, fofern Judäer', wie unfer Verf. mit pedantifcher
Konfequenz überfetzt, bald überhaupt die Volks- und
Religionsgemeinde im gefchichtlichen, bald die Bewohner
der Landfchaft Judäa als Kern diefes Volkstums im geo-
graphifchen Sinn, bald die pharifäifch gefinnten, obrigkeitlichen
Perfonen als die eigentlichen Gegner Jefu
heißen. Aber der zweite Sinn paßt doch höcnftens für
7,1 und wird forgfamft auch hier gleich durch 7, 2 richtig-
geftellt. Mit dem erften und dem dritten aber verhält
es fich fo, daß jener der zeitlichen, diefer der innerlichen
Entfernung und Getrenntheit gilt. Als Nation gehören
,die Juden' der Vergangenheit, als Feinde der Gegenwart
des Evangeliften an; daher der Unterfchied nur ein
fließender bleibt. Grundlos dagegen will unfer Verf.
11,19.31.33.86 nicht ,die bekannten Gegner Jefu oder überhaupt
die Jerufalemiten', fondern , Anhänger Jefu aus der
Landfchaft Judäa' verliehen, was doch nach Ii,46. 12,11
nur einige von ihnen, wie 8, 81.88 im Gegenfatz zu allen
andern, nachträglich geworden find, während II, 54 zum
Schluß die Konftanz des Sprachgebrauches dartut. An
der neunten Entdeckung, daß nämlich Johannes ,in vollendeter
Übereinftimmung mit den Synoptikern als Tag
des Abendmahls den 14. und als Tag des Todes Jefu
den 15. Nifan angibt', gehe ich vorüber, da es fich nur
um unverdroflene Wiederholung harmoniftifcher Sophismen
handelt, die, wiewohl hundertmal widerlegt, aus der
theologifchen Diskuffion nicht verfchwinden werden, fo
lange es Menfchen gibt, welche derartige Bemühungen
für einen Gottesdienft halten. Von Belang ift bloß der
letzte Punkt, die Theorie von der nur einjährigen Wirk-
famkeit Jefu, für die unfer Verf. abermals in der Nachfolge
van Bebbers (,Zur Chronologie des Lebens Jefu',
1898) eintritt. In der Tat verdienen die für Unechtheit
von to jiaöya 6, 4 geltend gemachten Gründe alle Beachtung
, und es bedarf nur noch der Beziehung der
namenlofen hoQT?] 5,1 auf Pfingften und der dann gleichfalls
namenlofen 6,4 auf Laubhütten 7,2, um der herkömmlichen
Anfchauung allen Boden zu entziehen. Sowohl
hierüber als auch über andere Fragen der Leidens-
gefchichte fetzt fich der Verf., der fonft keine Notiz von
abweichenden Auffaffungen der Kritik nimmt, mit den
katholifchen Rezenfenten feines 1903 erfchienenen, jenem
Gegenftand gewidmeten, Buches auseinander.

Zur weiteren Charakteriftik des Kommentars mag
dienen, daß die Stellen 3,13—21. 31—36. 12,37—43 richtig als
Reflexionen des Evangeliften gefaßt werden. Von zweiter
Hand hinzugefügt find die Stellen 1,15. 5,3.1. 7,53—8,11
und 21, 21.23. Sehr unfymmetrifch geftaltet fich die Dis-
pofition nach der Zweiteilung 1,19—4,54=1,0—13 und
ij, t—20,31= 1,14—18. Nach van Bebbers Anleitung weiß
der Verf. faft fämtliche vom Evangeliften berichteten
Vorgänge genau nach Jahr, Monat, Tag und oft auch
Stunde zu datieren. Als Todestag gilt der 7. April 783.

| Zuträglicher im Intereffc des wiffenfchaftlichen Charakters
feines Werkes wäre es gewefen, wenn der Verf., ftatt

| unmöglichen Datierungen nachzujagen, ein Werk wie

I dasjenige feines Konfeffionsgenoffen Calmes, den er
unter die ,modernen Theologen' rechnet (S. 198), mehr
auf fich hätte wirken laffen. Daran aber hindert ihn
eine dogmatifche Voreingenommenheit, die fo weit geht,
daß er die johanneifche Chriftologie durchweg im Sinne
nicht etwa bloß der im Evangelium bezeugten, fondern

1 geradezu der nicänifchen ,Wefensgleichheit' unter Ignorierung
der fo ftark ausgedrückten Subordination faßt
(z. B. S. 17. 179. 184h 228. 241. 283. 333). Ganz infonder-
heit aber befleißigt fich der Verf. des Nachweifes gut
katholifcher Sakramentsbegriffe bezüglich der Taufe (f. zu
3, 3.5. s) und der an allen möglichen und unmöglichen
Orten gefuchten Euchariftie (z. B. S. 136h 241. 323. 386h
390. 407. 457 f.). Sogar die Magdalenerin 20, 17 ,wollte,
nachdem fie ihren Herrn wiedergefunden, von ihm ge-
fpeift werden mit feinem heiligen Leibe und Blute, fie
wollte kommunizieren' (S. 532)- DR 8,50 bezeugte Freude
Abrahams galt der in den Hades dringenden Stimme
Jefu bei Erweckung der Jairustochter (S. 296). Daß die
Juden den Herrn 7,31. 8,21 dereinft fuchen, aber nicht

| finden werden, bezieht fich auf das vergebliche Suchen
nach dem Leichnam (S. 265. 284). Doch genug! Zumal
da ich auch auf meine Anzeige verfchiedener Vorarbeiten
zu dem vorliegenden Buch im ,Theologifchen

Jahresbericht' (1903, S. 265 f. 286. 1904, S. I27f) ver-
weifen kann.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Müller, F. W. K., Eine Hermas-Stelle in manichäifcher Verlion

(Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Akademie derWiffen-
fchaften 1905, S. 1077—1083, m. e. Tafel.) Berlin,
G. Reimer 1905. Lex. 8° M. — 50

In Bezug auf die Gefchichte des Hirten des Hermas
im früheren und fpäteren Mittelalter konnte man nach
dem bisher fchon Bekannten auf die größten Überra-
fchungen gefaßt fein; aber daß fich ein Abfchnitt diefes
Buchs in Zentralafien in manichäifcher Überlieferung finden
würde, überfteigt doch die kühnften Hoffnungen.

Bekanntlich find in den letzten zwei Jahren in das
K. Mufeum für Völkerkunde zu Berlin aus Zentralafien —
Dank den planmäßigen und ausgezeichnet geleiteten
Expeditionen — große handfchriftliche Schätze und unter
ihnen auch manichäifche Originalfchriften gekommen. Auf
einem Fetzen in mittelperfifcher Sprache (M. 97) erkannte
der Scharfblick Profeffor F. W. K. Müllers ein Stück
aus dem Hermasbuch, nämlich die Befchreibung der Berge
in Simil. IX (Berg 2—7, cc. 19—24) nebft Einleitung.
Gegeben ift nur ein Exzerpt, welches fich aber wörtlich
an den griechifchen Text anfchließt, wie Müller in feiner
Tabelle gezeigt hat. Fremdes ift nicht eingemifcht. Über
das Alter des Stücks hat fich der Entdecker nicht geäußert
. Je junger es ift (zweite Hälfte des Mittelalters?),
um fo wichtiger ift es wie für die Gefchichte des Hermas
fo für die des Manichäismus. In welchem Zufammenhang
der Benutzer das Stück verwertet hat, läßt fich leider
nicht erfehen.

Berlin. A. Harnack.

Turner, Cvthbertvs Hamilton, A. M., Ecclesiae Occiden-
talis Monvmenta Ivris Antiqvissima. Post Christophorvm
Ivstel, Paschasivm Ovesnel, Petrvm et Hieronymvm
Ballerini, Ioannem Dominicvm Mansi, Franciscvm An-
tonivm Gonzalez, Fridericvm Maassen edidit. Fascicvli
primi pars altera. Nicaeni concilii praefationes capi-
tvla symbolvm canones. Oxonii e Typographeo Cla-
rendoniano MDCCCCIV. (VIII, 280 p.) 40. s. 21 —
Vor 6 Jahren erfchien das erfte Stück des den latei-
fchen Überfetzungen der Akten des nicänifchen Konzils