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Ausgabe: | 1906 |
Spalte: | 704-708 |
Autor/Hrsg.: | Mingana, Alphonsi (Ed.) |
Titel/Untertitel: | Narsai, doctoris syri, homiliae et carmina primo edita cura et studio. Vol. I et II 1906 |
Rezensent: | Diettrich, Gustav |
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Theologifche Literaturzeitung iox>6 Nr. 26.
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wirkt hätten (die Inftanz des 3. Johannesbriefes wird j
überfehen). Unter den Eigentümlichkeiten beider fei hervorgehoben
, daß der englifche Theologe, deffen philolo-
gifch fchärfer urteilendes Gewiffen für die fprachliche
Schwierigkeit ungleich empfindlicher ift, feine Zuflucht
zu Lukas nimmt, der als amanuensis des Apoftels feine
Hand im Spiel gehabt habe (S. 154h 161), und daß dem
Epifkopaliften die 1 Tim. 4». 2 Tim. 10 vorliegende
Vorftellung einer Ordination im Sinne der Übertragung
von Amtsgnade natürlich unanftößiger erfcheint und bequemer
zu liegen kommt (S. ioif. nof.), als dem deut-
fchen Lutheraner, welcher fie einer ,wohlwollenden Auslegung
' benötigt findet (S. 23), indem er fie auf Handauflegung
,als Begleiterfcheinung für das Gebet' reduziert
(S. 158) und der fehr befremdlichen Erfcheinung mög-
lichft unbefangen und harmlos gegenüber fleht (S. 2641.).
Daß Timotheus I Tim. 412 noch als jung erfcheint, erklärt
jener aus dem Vergleich mit feinem ältern geift-
lichen Vater (S. 113), diefer aus Irenäus II, 333 (foll heißen
22 5), demzufolge die Jugend erft mit dem 40. Lebensjahr
abfchließt (S. 55. 156).
Eine Spezialität des englifchen Erklärers ift es, in
1 Tim. 418 ein Spur des Vaterunfers wahrzunehmen, leider
einfchließlich der matthäifchen Doxologie (S. I28f.); eine
folche des deutfchen, die ,Genealogien' der Irrlehre aus
dem Jubiläenbuch zu erklären (S. 30—36). Gegen den
Unterzeichneten haben beide einiges auf dem Herzen;
jener hält es für unnötig, in den beiden Siegeln außer
Num. 165. 20 auch Luk. 1325—27 = Mt. 723 berückfichtigt
zu finden (S. 128; vgl. jedoch auch v. Soden zu 2 Tim. 219);
diefer befchwert fleh, daß ich die Deutung der ayyeXoi
1 Tim. 3 ig ein ,Kuriofum' (S. 142; vgl. jedoch auch B.
Weiß) und ,die Kirche als Säule und Grundfefte der
Wahrheit' 315 einen ,gut katholifchen Gedanken' nenne
(S. 137). Letzteres ift indeffen nur um fo gewiffer, wenn
dabei an Mt. 1618 gedacht gewefen fein follte. Gegen
meine Erklärung von jtäaa ygacprj 2 Tim. 3 16 wird zwar
anerkannt, daß 7r«c ohne Artikel jeder beliebige' heiße,
aber trotzdem geleugnet, daß xäöa ygacpq jede (einzelne)
Schriftftelle' bedeuten könne, als ob mit ygcuprj nicht
oft genug, z. B. gleich 1 Tim. 5 rs, einzelne Bibelverfe
(dort fogar auch aus dem Neuen Teftament trotz James
S. 125t.) angeführt würden; aber auch ,die ganze Schrift'
fei falfch überfetzt, ,als ob r Jtäoa ygaep?] gefchrieben
ftände' (S. 311), und zum guten Schluß wird verfichert,
daß auch Paulus und alle Apoftel ihre fchriftlichen Kundgebungen
fo gut wie ihre mündliche Predigt unter dem
Dach der Infpirationslehre gefichert gewußt hätten (S. 312).
Finde ich die Vorftellung von der Verletzung in ,das
himmlifche Reich' II Tim. 41s unpaulinifch, fo foll der
wahre Sinn der Stelle fein, daß ,Pauli Seele wie die Seelen
aller Gläubigen nach dem Tode als anvertrautes Gut
wohlverwahrt bei Chriftus ruhen' (S. 333), wobei der Verf.
nur vergeffen hat, daß er felbft eine folche Bedeutung
von Jiaga&rjxrj fchon zu 112 widerlegt hat (S. 270). Halte
ich den Gedanken 1 Tim. 2 15, daß das Weib durch Kindergebären
feiig werden foll, für unpaulinifch, fo erfolgt
beffere Belehrung durch Hinweis auf die xtxvoyovia
Gen. 3 16 (S. 118), und dasfelbe ,Protevangelium' muß auch
herhalten zur Erklärung des über alle Erdenzeit hinauslangenden
Ausdrucks jegb ygövcov almvicov Tit. 1 2 (S. 213)
und 2 Tim. 19 (S. 267 f.). Nicht minder bezeichnend für
den Zwang, unter dem diefe Exegefe arbeitet, ift die
Verficherung, daß das Wort yvcöaig 1 Tim. 620 trotz der
Kennzeichnung durch rptvöcovvpoc. nicht als ,technifcher
Name'flehen foll (S. 25.209). Allzu rafch hinweggegangen
wird auch über manche Spezialitäten der Briefe, als da
find frtöc ocoxrjg (S. 53. 80. 214), svaeßsia und {Psooeßeta
und anderes.
Die meifle Arbeit des englifchen Theologen fleckt
in den Abfchnitten über die äußern Zeugniffe, wo er fleh
befonders um den römifchen Clemens bemüht (S. 13 f.),
und über die kirchliche Organifation (S. 58—106), wo ihm
allerdings fein Landsleute Lightfoot, Hort und Gore tüchtig
vorgearbeitet hatten. Der monarchifche Bifchof ift zwar
noch nicht erreicht, aber vorbereitet in_ der Stellung der
Adreffaten und in der Abftufung der Ämter in Ephefus
und Kreta. Richtig wird bemerkt, daß der zu jener
Spitze aufftrebende Prozeß auf keinen Fall ein allenthalben
gleichmäßiger gewefen ift (S. 104). Für Abfaffung
noch in der letzten Lebenszeit des Apoftels muß der
xaxovgyog 2 Tim. 29 zeugen; das einfache Bekenntnis
zum bvoua reicht zur Verurteilung noch nicht aus (S. 36h).
Was Situation, Gedanken- und Sprachbildung betrifft,
ftellt der Philipperbrief die Verbindung mit dem älteren
Paulinismus her (S. 151). Bezüglich des Stils glaubt der
Verf. analoge Diftanzen zwifchen den Produkten ver-
fchiedener Lebensalter auch bei Shakefpeare zu bemerken
(S. 145). Zuletzt kehren längft bekannte Generalbeweife
wieder, wie daß die Briefe unter Vorausfetzung der Un-
echtheit noch fchwerer zu verliehen feien als bei der
traditionellen Auffaffung (S. 112), und daß zwifchen ihm
und wirklich pfeudonymen Produkten kein Grad-, fondern
ein Artunterfchied beftehe (S. 161). Wie um diefes letzte
Argument augenfeheinlich zu machen, läßt der deutfehe
Exeget im Anhang noch den Brief an die Laodicener und
den Briefwechfel zwifchen Paulus und den Korinthern,
fowie zwifchen ihm und Seneca abdrucken, was auch
aus anderweitigen Gründen in einem Kommentarwerk zu
den Paulusbriefen gut angebracht erfcheint.
Während das englifche Werk wenigftens gelegentlich
Bekanntfchaft mit den deutfchen Beftreitern der paulini-
fchen Authentie zeigt, richtet fich das deutfehe cxprofesso
gegen Jülicher, v. Soden, Klöpper und uns alle, die wir
,fchnell und oberflächlich, um nicht zu fagen leichtfertig'
bei der Beftreitung zu Werk gehen (S. 24). Dafür wird
die Erlanger Tradition auch hier, wie in den Beiträgen
von Bachmann und P. Ewald, in der Weife feilgehalten,
daß Hofmanns Auslegung (verlaffen z. B. S. 117f. 137.
144. 182, mit vollem Recht jedenfalls S. 250) zurücktritt
hinter der hegemonifchen Autorität Zahns, die felbft auf
bedenklichen Punkten Nachfolge findet. So wenn das
Verbot der Wiederverheiratung kirchlicher Standesper-
fonen in ein Verbot der Unzucht umgewandelt wird
(S. 24. I20f. 169), das Bekenntnis 1 Tim. 612 auf die
Taufe bezogen wird (S. 201; ähnlich übrigens auch die
Stellen Tit. 2 14 S. 239. 249, Tit. 3 5 S. 247 und 2 Tim. 2 19
S. 292). Mit Zahn (f. Sp. 432 diefer Zeitfchrift) und Hofmann
im Bunde wird auch hier die orthodoxe Auffaffung
des öixaiovöd-ai Tit. 37 abgelehnt (S. 248). Nach Zahn
(vgl. Einleitung 2 I, S. 469. 486f.) wird der Begriff £T«po-
öiöaOxaXslv möglich!! auf ein unfehädliches Maß (S. 28f. 83)
herabgedrückt. Wenn der bekenntnismäßigen Formel
1 Tim. 316 der Charakter eines Hymnus abgefprochen
wird (S. 139. 144), fo wird wohl Vergeßlichkeit mitfpielen.
Denn in der Tat hat nicht etwa bloß Weinel, fondern
auch Zahn felbft gelegentlich fo erklärt (I, S. 490: Pfalm).
Verdienftlich ift, daß auch die Gegner, zumal Jülicher,
zuweilen ausgiebig zu Wort kommen, fo daß den geneigten
Lefer doch auch eine Ahnung befchleichen kann, wie
andere Leute denken mögen.
Baden. H. Holtzmann.
Narsai, doctoris syri, homiliae et carmina primo edita cura
et studio prof. D. Alphonsi Mingana. Cum praefa-
tione editoris. Vol. I et II. Mausilii, typis fratrum
praedicatorum 1905. (LIX, 368 et 411 p.) gr. 8° M. 25 —
Die Homilien des Mar Narfai von Maalta (refp.
Dilebb) brauchten in Deutfchland nicht mehr ganz unbekannt
zu fein. Kleinere oder größere Fragmente einzelner
Homilien find fchon von )x( Cardahi {Ltber tliesauri de
artepoetica, Rom 1875,/orr. 47 fr.), von Bedjan {Breviariurn
chaldaicuvi, Paris 1886), von -X< Gismondi {Linguae syria-
caegrammatica, Beirut igoo,pag. 103 h), von h<< Grabowski