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Ausgabe:

1906

Spalte:

697-700

Autor/Hrsg.:

Minocchi, Salvatore

Titel/Untertitel:

Storia dei Salmi e dell‘idea messianica 1906

Rezensent:

Küchler, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.
Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 26. 22. Dezember 1906. 31. Jahrgang.

Minocchi, I Salmi messianici (Küchler).

— , Storia dei Salmi (Derf.).

— , II Salterio Davidico (Derf ).

— ,1 Salmi tradotti (Derf).
Briggs, A critical and exegetical Commentary

on the Book of Psalms (Frankenberg).
Leeuwen, Bijbelsche Anthropologie (H. Holtz-
mann).

Wohlenberg, Die Paftoralbriefe (H. Holtz-
mann).

James, The Genuineness and Authorship of

the Pastoral Epistles (Derf).
Narsai homiliae et carmina ed. Mingana

2 Bde. (Diettrich).
Bibliotheca reformatoria Neerlandica uitg. door

Cramer en Pijper, 3. deel (Köhler).

Der Hexenhammer, ins Deutfche übertragen von

l Vf. R. Schmidt (Köhler).
Thilo, Jacobis ReligionsphUofophie (E. W.

Mayer).

Westermarck, The Origin and Development
of the Moral Ideas, vol. I (E. W. Mayer).

Niebergall, Wie predigen wir dem modernen
Menfchen? 2. Teil (Baflermann).

Minocchi, Salvatore, I Salmi messianici. (Extrait de la
Revue biblique 1903.) Paris, V. Lecoffre 1903. (22 p.)
gr. 8»

— Storia dei Salmi e dell'idea messianica. Cinque letture
fatte nel R. Istituto di Studi superiori a Firenze dur-
ante la quaresima dell' anno 1902. Firenze, Biblioteca
scientifico-religiosa 1904. (143 p.) gr. 8°

_ J| Salterio Davidico. Nuove ricerche di critica biblica.

(Estratto dagli Studi Religiosi, anno 1905, fasc. IV.)
Firenze, Biblioteca scientifico-religiosa 1905. (24 p.)
gr. 80

— I Salmi tradotti dal testo originale e commentati. Se-
conda edizione interamente nuova. Roma, F. Pustet
1905. (XXXI, 448 p.) 8°

Die Arbeiten des italionifchen Gelehrten haben alle
den Pfalter zum Gegenfland, dem er feine befondere
Liebe zugewandt zu haben fcheint. Er kennt und benutzt
vorurteilslos die von proteftantifchen Gelehrten
flammenden Werke über dies biblifche Buch. Die Namen
Baethgen, Duhm, Nowack, Wellhaufen begegnen allenthalben
, befonders in dem oft etwas zu kurzen Kommentar
, den er feiner Überfetzung der Pfalmen beigegeben
hat. Doch find es hauptfächlich die Bemühungen diefer
Gelehrten um die Herflellung des Textes und die Einzel-
erklärung, die er verwertet, nicht fo fehr ihre Anflehten
über die Entftehungszeit der einzelnen Pfalmen. Hierüber
hat Minocchi vielmehr feine eigene Meinung, die er in
dem die Gefchichte der Pfalmen behandelnden Hefte
weitläufig auseinander fetzt. Darin ift er freilich mit den
neueren Erklärern einig, daß die eigentliche Zeit der
Pfalmendichtung erft nach dem Exil beginnt. Vorexilifche
Stücke findet er nur ganz vereinzelt im Pfalter. Zu
ihnen rechnet er in erfler Linie Pf. 18, der ihm eine
Dichtung Davids ift, die freilich in der erften Zeit nach
dem Exil eine Neubearbeitung erfahren habe. Als wahr-
fcheinlich vorexilifch gelten Minocchi ferner Pf. 19, 2—7.
24, 7—IO. 20 f. und mit aller Sicherheit Pf. 29, in dem
er eines der in Pf. 137 erwähnten Zionslieder wieder erkennen
will. Ich frage mich vergeblich, was wohl gerade
in diefem Pfalm auf ein ,Zionslied' hinweifen könnte.

Der wichtigfte Fund, den Minocchi in den Pfalmen
gemacht zu haben glaubt, ift eine Dichterperfönlichheit:
der davidifche Sänger. Von ihm rühren nach unferm
Verfaffer weitaus die meiften von allen den Pfalmen der
beiden erften Bücher her, die jetzt die Überfchrilt ,von
David' tragen, und die andern wollen bewußte Nachahmung
feiner Gedichte fein. Der Dichter war nach
Minocchi ein hochgeftellter Priefter aus der Zeit zwifchen
der erften Rückkehr und der Reform Esras, der einen

großen Anhang unter den armen und machtlofen
Leuten hatte, aber von feinen Standesgenoffen aufs
grimmigfte befehdet wurde, weil er an dem ,meffianifchen
Glauben' fefthielt, den jene aufgegeben hatten. In einem
Bürgerkriege, der zwifchen feiner Partei und feinen Gegnern
, den perferfreundlichen Ariftokraten, entbrannte,
erlitt er mancherlei Niederlagen, doch konnte er auch
ab und zu die Oberhand gewinnen. Der Wiederhall
diefer Kämpfe tönt uns aus feinen Liedern entgegen, die
Niederlagen aus Pfalm 51 und ähnlichen, die Minocchi
nicht namhaft macht, die Siege aus Pfalm 9—10. 23. 30.
34. 37. 40. Aus anderen erfahren wir, daß der Dichter
in feiner Jugend felbft ein Ungetreuer, Abtrünniger und
Götzendiener war (51. 52. 55. 22. 25. 32. 38. 39. 40), der
fich aber fpäter bekehrte und der Retter der ,meffianifchen
Idee' wurde, die folgenden, auf Mofe zurückgehenden
Inhalt hatte: ein Gott und ein Volk, ein Kult, Gottes
Allmacht, Israels Herrfchaft über die ganze Welt (!) und
feine Unfterblichkeit in der Gefchichte. Diefe Idee zeitigte
fchon früh eine Tendenz zur priefterlichen Theo-
kratie, die unter Eli und Samuel verwirklicht^), von
David und Salomo vorübergehend mit ihren dynaftifchen
Intereffen in Einklang gefetzt und von den fpäteren
Propheten (!) gegen die Könige verfochten wurde. In
Israel brachte fie(!) den Staat zu Falle, in Juda die jofi-
anifche Reform zuwege, in der das Königtum fein eigenes
Todesurteil unterzeichnete, um für eine Priefterdynaftie
die Bahn frei zu machen. Auf diefes Ziel hin arbeitete
nach Minocchi auch der davidifche Dichter und erreicht
wurde es, wenigftens vorläufig, durch die Einführung
des priefterlichen Gefetzes mit feiner im Hohenpriefter-
tum verkörperten Theokratie, die das meffianifche Ideal
in gefchichtliche Wirklichkeit umfetzen follte. Der Erreichung
diefes Zieles habe der davidifche Dichter feine
ganze Kraft gewidmet und ihm zuliebe eine pädagogifche
Propaganda entfaltet, zu der ihm die babylonifchen Pfalmen
, die er während des Exils kennen gelernt hatte, den
Anftoß gaben. Diefer propagandiftifchen Tätigkeit des
Pfalmiften dienten nach fvlinocchi die Pfalmen 15. 25. 34.
36. 37- 39-

Das lieft fich ganz fchön in der dritten Vorlefung
über die Gefchichte der Pfalmen. Aber wo es nun an
den Einzelnachweis geht (Jl salterio Davidico), da hapert
es bedenklich. Zuzugeben ift ja, daß der Inhalt fehr
vieler Pfalmen faft identifch ift, und daß fie in Sprache
und Gedankenaufbau fehr viel gemeinfames Gut haben.
Aber gerade diefe Beobachtung follte davon abhalten,
all diefe .Gedichte', die zum Teil auf diefe Bezeichnung
nur fehr wenig Anfpruch erheben können, vielmehr, wie
Duhm gezeigt hat, vielfach fekundäre Kompilationen
fchreibluftiger Juden find, einer hervorragenden Dichter-
perfönlichkeit zuzufchreiben. Das müßte ein merkwürdiger
Dichter fein, der fich fo oft wiederholte, fo oft die-

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