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Ausgabe:

1906 Nr. 24

Spalte:

660-662

Autor/Hrsg.:

Ehrle, Franz (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Martin de Alpartils Chronica actitatorum temporibus Domini Benedicti XIII. 1. Band: Einleitung, Text der Chronik, Anhang ungedruckter Aktenstücke 1906

Rezensent:

Haller, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 24.

660

siastica S. 184fr". 192 fr. haben wir es auch mit ernfl zu
nehmenden Hypothefen zu tun; ebenfo enthalten Kap. IV
über den libellus des Bifchofs Paftor und mehrere Ab-
fchnitte in Kap. V (die fpanifchen Regulae fidei und ihre
Bedeutung für die Entwicklung der abendländifchen Glau-
bensbekenntniffe) willkommene Bereicherungen unfers
Wiffens um das Einzelne. Daß die Symbolgefchichte
des Abendlandes vom 4. bis 7. Jhdt. aber von anderen
Strömungen intenfiver als von dem vor Künftles Auge aller-
wärts auftauchenden Priscillianismus und dem Streit gegen
feine Irrlehre beeinflußt wird, das hilft Künftles neueftes
Buch, gegen die Abficht feines Verfaffer?, kräftig zu ver-
anfchaulichen. Der ,abfolute Grundfatz', den er S. 224
aufflellt: jede in der Kirche neu auftretende Glaubensregel
ift durch eine beftimmte häretifche Bewegung hervorgerufen
(ausdrücklich zieht er als Beifpiel auch das Vaticanum
herbei!) kann fchon aus dem reichlichen Material
von Künftles Antipriscilliana widerlegt werden; den Wahrheitskern
, den er enthält, und der die Härefie als den
in der Kirche Weiterentwicklung und Fortfehritt veran-
laffenden Faktor zu Ehren bringt, braucht für uns niemand
erft zu verteidigen.

Marburg. Ad. Jülicher.

Rudorff, Hermann, Zur Erklärung des Wormler Konkordats.

(Quellen und Studien zur Verfaffungsgefchichte des
Deutfchen Reiches in Mittelalter und Neuzeit. Herausgegeben
von Karl Zeumer. Band I, Heft 4.)
Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1906. (VIII, 66 u. XII S.)
gr. 8° M. 3 —

D. Schäfers Studie ,Zur Beurteilung des Wormfer
Konkordats' (Abhandlungen der Königl. Preußifchen
Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin 1905, vergl. dazu
den Nachtrag im Neuen Archiv 31, S. 482) galt dem
Nachweis, daß von den beiden Urkunden des Jahres 1122
die kaiferliche der Kirche für alle Zeiten Rechte eingeräumt
, die päpftliche dagegen die in ihr aufgezählten
Befugniffe hinfichtlich der Investitur der deutfchen Bi-
fchöfe und Reichsäbte nur für Heinrich V., nicht alfo
auch für feine Nachfolger am Reich verbrieft habe. Die
Refultate Schäfers haben wie Zuftimmung (vgl. Neues
Archiv 30, S. 748. Hiftorifche Zeitfchrift 95, S. 529 f.) fo
Widerfpruch erfahren, von A. Hauck (Kirchengefchichte
Deutfchlands III, 3. und 4. Aufl., S. 1047 ff.), von E. Bernheim
(Das Wormfer Konkordat und feine Vorurkunden
hinfichtlich Entftehung, Formulierung, Rechtsgültigkeit.
Breslau 1906), endlich vom Verfaffer der hier anzuzeigenden
Schrift, deren zweite Hälfte (S. 39 ff.) Schäfers
Darlegungen zu bekämpfen unternimmt. Wie für Bernheim
ift auch für R. das wichtigfte Argument der —
die alte Anfchauung aufrechterhaltenden — Beweisführung
ein von Schäfer erft nachträglich verwerteter Bericht
Gerhohs von Reichenberg über das Laterankonzil 1123
(MG. Libelli de Ute 3, S. 279 f.). In der Tat benimmt er
den Schlußfolgerungen Schäfers ein gut Teil ihrer Beweiskraft
. Kalixts Urkunde wurde auf jener Verfamm-
lung als .ertragenswert' angenommen, demnach zu einem
dauernden Kirchengefetz erhoben. So wird man denn
Schäfers Gegnern zuftimmen müffen, mag immerhin die
Befetzungsart der deutfchen Reichskirchen nach 1122
fchwere Bedenken erwecken. Gedacht war jedenfalls das
Wormfer Konkordat als ein pactum zwifchen Imperium
und sacerdotium, als ein Vertrag, dem freilich die kaiferliche
und die päpftliche Politik der Folgezeit hier und
dort derogierte. R. bringt aber noch mehr als eine
Widerlegung. Sein Augenmerk ift zunächft darauf gerichtet
, den Inhalt der Vortragsurkunden felbft zu klarer
Anfchauung zu bringen, fie in Verbindung zu fetzen zu
den Verhandlungen zwifchen Heinrich V. und PafchalisII.
vom Jahre im, das Maß endlich der königlichen und
kirchlichen Befugniffe gegenfeitig abzugrenzen. Von

diefen Gefichtspunkten aus bedeutet die Schrift eine
wertvolle Ergänzung zur obengenannten Abhandlung
Bernheims, die in erfter Linie die formale Abhängigkeit
der Urkunden von 1122 von denen des Jahres im betrachtet
(der Inhalt der Abhandlung foll hier nicht er-
fchöpft werden), und umfomehr, als R. es verftanden
hat, dem oft genug behandelten Gegenftand neue Seiten
abzugewinnen. Dazu möchten namentlich zu rechnen
fein die Ausführungen S. 14 ff. über den päpftlichen
Einfluß auf die kirchlichen Wahlen und das königliche
Präfenzrecht, S. 27 ff. über den Regalienbegriff in den
Urkunden von IUI und 1122, deffen Identität fich u.a.
aus der Verwertung von lange unbenutzt gebliebenen
Bemerkungen Gerhohs von Reichersberg ergibt, S. 37 ff.
über die Klaufel exceptis omnibus quae ad Romanam
ecclesiam pertinere noscuntur (in der Urkunde Kalixts II.),
die als auf das Patrimonium Petri bezüglich erwiefen
wird. Der Unterfuchung kommt eine ausgebreitete Be-
lefenheit und juriflifche Schärfe zuftatten; ihre Ergebniffe
find um fo wertvoller, weil fie unfere Kenntniffe in mehr
denn einer Hinficht bereichern.

Berlin. A. Werminghoff.

Martin de Alpartils Chronica actitatorum temporibus Domini
Benedicti XIII. Zum erftenmal veröffentlicht von Franz
Ehrle, S. J. 1. Band: Einleitung, Text der Chronik,
Anhang ungedruckter Aktenflücke. (Quellen und
Forfchungen aus dem Gebiete der Gefchichte XII.)
Paderborn, F. Schöningh 1906. (XLII, 616 S.) Lex. 8°

M. 25 —

Ein reichhaltiger und höchft intereffanter Band, mit
dem der unermüdliche Präfekt der Vaticana feine auf-
fchlußreichen Forfchungen zur Gefchichte des letzten
Papftes von Avignon fortfetzt. Nur etwas über ein
Drittel wird von der Chronik gefüllt, die der Titel nennt.
Alles übrige find Aktenflücke verfchiedenfter Herkunft
und verfchiedenften Inhalts. Es läßt fich nicht leugnen,
daß die Mannigfaltigkeit ftellenweife etwas fehr weit
geht. Aber das war wohl kaum zu vermeiden, da es
nach Lage der Dinge nur gelten konnte, Ergänzungen
und Zufätze zu früher bekannten Materialien zu bieten.
Der Inhalt diefer Aktenfammlung — um zunächft von
ihr zu reden — ift auch nicht immer vom gleichen
Werte; aber nur weniges würde man überhaupt entbehren
wollen. So die Stücke über den Hoftienraub
S. 266 ff. 506 ff, auch das Fragment aus dem Pamphlet
gegen Benedict S. 410 ff., deffen oft wiederholte Anklagen
, aus dem Zufammenhange geriffen, wie fie hier
erfcheinen, leicht ein falfches Gewicht erhalten. Weitaus
das Meifte ift wertvoll und intereffant. In erfter Linie
gilt dies von den Akten aus dem Archiv der Krone
von Aragon (Barcelona), über das Ehrle S. 246ff. fehr
lefenswerte Mitteilungen macht. Ein befonderer Hinweis
gebührt den Schriften Peters von Ailli S. 462—506, die
freilich wohl etwas anders beurteilt werden müffen, als
durch E. gefchieht. Wertvoll und verdienftheh ift auch
die Zufammenftellung von Zeugniffen über die nationalen
Gegenfätze im Schisma (S. 413—429).

Nun zu der Chronik Alpartils. Man kannte von ihr
nur einige Stellen, die Zurita anführt, bis Valois fie in
feinem breit angelegten Werke über das Schisma, dank
Ehrles. Gefälligkeit, ausgiebiger benutzen durfte. Ehrle
war die Wiederauffindung nicht ohne Mühe geglückt,
und für diefe Mühe muß man ihm aufrichtig danken.
Das Werk erweift fich, wie Ehrle mit Recht fagen darf,
als ,eine der reichften, intereffanteften und individuellften
1 Gefchichtsquellen einer fonft quellenarmen Periode'. Der
j Verfaffer, in Zaragoza und Tortofa befreundet, war Kaplan
I Benedicts XIII. und hat in den kritifcheften Momenten
j an der Seite feines Herrn geweilt, insbefondere die lange
; Belagerung im Palaft zu Avignon 1398—1403, dann auch