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Ausgabe:

1906 Nr. 24

Spalte:

656-659

Autor/Hrsg.:

Künstle, Karl

Titel/Untertitel:

Antipriscilliana. Dogmengeschichtliche Untersuchungen und Texte aus dem Streite gegen Priscillians Irrlehre 1906

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 24.

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in Dalmatius eine uralte, auch dem Theodoret bekannte
Arbeit vor (ich zu haben. Gleiche Zuverläffigkeit wird

2) dem Bekenntnis des Hofius II 12 zugefprochen, ebenfo

3) dem zwifchen dem Philofophen Phädon und einigen
Wortführern der nicänifchen Orthodoxie gehaltenen Dialog
II 14—23; bei den öia-cvjtmöeiq begnügt fich L. mit der
Erklärung, daß fie keine Merkmale nachnicänifchen Ur-
fprungs enthalten und daß darum nach den bisherigen
Ergebniffen feiner Forfchung über Dalmatius die Neigung,
fie für ein echtnicänifches Produkt zu erklären, berechtigt
fei. Stolz fchließt er diefen Teil feiner Unterfuchung mit
dem Ausruf, es hätten fich alle ficher aus dem Buch des
Dalmatius (lammenden Urkunden ,als echt erwiefen', und
zweifellos habe Gelafius ein echtes, von der Synode felbft
publiziertes Exemplar der Akten von Nicäa in Händen
gehabt.

Daß der junge Forfcher, der uns diefe kühne Entdeckung
vorführt, eine gute Schule durchgemacht hat,
verrät fich auf jeder Seite feiner Differtation: er hatte
ein Recht, fie dem Gedächtnis Ufeners zu widmen. Akribie
auch in Kleinigkeiten, liebevolle Aufmerkfamkeit auf
das von anderen Vernachläffigte, klare Gedankenfolge
und eine vortreffliche Methode der Beweisführung zeichnen
ihn aus, von gründlichem Wiffen auf feinem Gebiet
und Scharffinn nicht zu fprechen. Aber deshalb find
keineswegs feine Refultate ohne weiteres anzunehmen;
fein Enthufiasmus hat für die Gegengründe die Augen
nicht immer genügend offen.

Am vorzüglichften erfcheint mir Kapitel II: von den
Perfonalien des rätfelhaften Johannes, die für die Sache
nichts austragen, abgefehen, halte ich den Beweis für
erbracht, daß jene Konftantin-Reliquien echt find; und
dem Gewicht der gleichen Argumente für die Echtheit
der Anfprache Konftantins an das Konzil (L. S. 48ff.)
kann ich mich auch nicht entziehen. Wenn fich hier
der 8. Juni 328 als Datum der Ordination des Athanafius
uns aufzwingt (S. 36—40), fo ift das den Thefen Löfch-
ckes nicht gefährlich; ich habe auch ohne Rückficht auf
Gelafius niemals an der Richtigkeit des Datums 328 gezweifelt
. In Kap. I nehmen die Hypothefen über die
Beteiligung des Gelafius von Caefarea Palaeft. und feines
Vetters Cyrill von Jerufalem an der fjberfetzung des
Rufin ins Griechifche etwas viel Raum ein: ich finde, daß
der eine Gelafius dem andern im Wege fleht; die Vermutung
S. 8, daß unfer Bithynier Gelafius fpäter noch
Bifcliof von Caefarea geworden fei, verdient gar keine
Erwähnung. — Gegen den Inhalt von Kapitel III habe ich
aber die ftärkflen Bedenken. Daß das Buch des Dalmatius
einiges Alte und Echte enthalten haben kann, darf
man zugeben, ohne mit L. die Folgerung daraus zu ziehen,
daß es ein Exemplar der Akten von Nicäa war. Für
Hofius' Bekenntnis reichen die beigebrachten Empfehlungen
nicht aus; es enthält bloß nichts Chalcedonenfifches.
Aber Fiktionen kann man auch im 4. Jhdt. fchon vollzogen
haben, und die Disputation zwifchen dem philofophen
' und den Bifchöfen ift mir als Beftandteil der
Akten von Nicäa fchlechthin unerträglich. Gewiß verdienen
die Berührungen, die L. aufzeigt zwifchen den
hier verzeichneten Reden des caefareenfilchen Eufeb und
feinen ficheren Schriften, ernfte Beachtung; ich bin bereit
, Benutzung von echt eufebifchem Gut in diefer Aktion
zuzugeben, aber dann wäre der Dichter hier bloß
klüger als gewöhnlich verfahren; fein Dialog ift als Ganzes

von der Verteilung der ganzen Welt behufs Inflruktion
über die nicänifche Weisheit unter eine kleine Zahl von
Bifchöfen II 36 (Schluß) = II 27, doch deutlich den
Stempel fpäterer Mache tragen und bereits mit den Mitteln
der kirchlichen Geographie als nachnicänifch erwiefen
werden können. Endgültig entfcheiden darf man hier
erft, wenn das Werk des Cyziceners als Ganzes voll
gewürdigt worden ift: diefe Würdigung liegt bei L. nicht
vor; es ift wahrlich verdienftlich genug, wenn er eine
Reihe einzelner Urkunden aus demfelben der jahrhundertelangen
Mißachtung entzogen und ihnen zu ihrem Recht
verholfen hat. Jene weitere Aufgabe kann aber gar nicht
gelöft werden, folange wir uns die Brocken des Gelafius
bei Manfi II — den belferen Urdruck des Balforeus konnte
ich nicht einfehen — und Ceriani zufammenfuchen müffen
und von diefen beiden doch weder einen vollftändigen,
noch einen halbwegs zuverläffigen Text erhalten. Die
Notwendigkeit philologifcher Vorarbeiten fieht auch L.
ein: haben wir einen diplomatifch ficheren Text des
Gelafius, fo werden wir ihn mit anderen auf Nicäa bezüglichen
Fälfchungen konfrontieren; L. wird dann vielleicht
zugeftehen, daß von einem großen Teil der pfeudonicäni-
fchen Canones (f. bei ihm 45 n.) gerade fo Günftiges wie
von den Diatyposeis feines Dalmatius ausgefagt werden
kann, ohne daß doch dadurch ihr nicänifcher Urfprung
wahrfcheinlicher wird. Wenn Löfchcke fich nicht damit
begnügen wollte, den Brief des Kaifers an die Nikome-
dier, wie er S. 31 n. 1 verheißt, zu edieren, fondern fo-
gleich das ganze Syntagma nach den Handfchriften re-
konftruierte, fo übernähme er eine Arbeit, für die er fich
als geeignet bereits erwiefen hat und durch die er fein
Verdienft um die Frage der nicänifchen Akten und nicänifchen
Legenden krönen würde. Daß wir nicht bloß im
Intereffe des Konftantin, fondern auch um Eufebius, Rufinus,
Sokrates und Theodorets willen eine wortgetreue Wiedergabe
der Texte diefes einfältigen Gelafius dringend nötig
brauchen, hat Löfchcke jedenfalls auch dem fkeptifchften
Lefer feiner Studie klargelegt.

Marburg. Ad. Jülich er.

Kiinftle, Prof. Dr. Karl, Antipriscilliana. Dogmengefchicht-
liche Unterfuchungen und Texte aus dem Streite
gegen Priscillians Irrlehre. Freiburg i. B., Herder
1905. (XII, 248 S.) gr. 80 M. 5 —

,Den Mittelpunkt vorliegender Unterfuchung bilden
die Regulae definitionum, ein bisher ungedruckter trini-
tarifcher Traktat des galläzifchen Bifchofs Syagrius aus
der Mitte des 5. Jahrhunderts'. So beginnt das Vorwort.
Der zum erften Mal edierte Text füllt die Seiten 142 —
159, S. 126—141 die Einleitung dazu. Für die Publikation
des Traktats verdient Künftle unfern Dank, trotzdem
diefer Fund nicht gerade, wie er felber einfieht, von
hervorragendem Werte ift; den Pflichten eines Herausgebers
ift er im ganzen gerecht geworden. Aus 6 Handfchriften
bezieht er feinen Apparat, er hat fie wohl
fehr forgfältig verglichen. Selten find kleine Unebenheiten
in diefem Material, wie zu 144, 6f. (vielmehr 7),
wo nesciamus ,alle Hff.' bieten follen und doch gleich
darauf zu lefen fleht: . . . nescimus fehlt in OPR. Die
Noten zu 153, 22f. verlieht man bloß, wenn man im
Text Jhesum auch an der Stelle lieft, wo K. Christum
fo unnatürlich, wie nur einer fein kann. Der Philofoph I druckt; S. 142, 8 fcheint K. nachträglich den Text von A
ift eine Theaterpuppe, die in den nicänifchen offiziellen i verworfen zu haben, den die Note als den echten voraus-
Akten keinen Platz hat; und die Krude, in der uns diefe fetzt. In der Wertung der Zeugen ftimme ich K. darin
vermeintlichen Stenogramme bei Gelafius geboten werden, nicht zu, daß A, ein Augiensis, ^mit feiner vortrefflichen
hängt fo feft mit dem Teig zufammen, daß ich nicht Textform' der gemeinfamen Vorlage am nächften flehe;
fehe, wie man das Eine hochfchätzen, das Andre — L. trotz der Unwiffenheit und vieler Auslaffungen des Schrei-
fchweigt freilich über diefe Schwierigkeit — als gefchmack- bers ift B {Berolinensis) beffer. S. 155, 22 z. B. wird
lofe Einkleidung verwerfen kann. Offizielle Akten von doch das der Vulgata konformierte ,opera tua non indigeo'
Nicaea, und keinem der großen Streiter im 4. Jhdt. bekannt? im Zitat I Kor. 12« in A nicht beftehen gegenüber B's:
Auch ein Rätfei, zumal abenteuerliche Fabeln, wie die | operam tuam non desidero, 159, 5 (dasfelbe Zitat!) erft