Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1906 Nr. 23

Spalte:

634-635

Autor/Hrsg.:

Thilo, Chr. A.

Titel/Untertitel:

Kants Religionsphilosophie 1906

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

633

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 23.

634

rung des religiöfen Lebens, dann im Zufammenhang mit begünstigten Familie, befleißigt fleh trotz feiner Gegner-
der Gefchichte Alexanders VI. eine Darfteilung des 1 fchaft einer rühmlichen Unparteilichkeit in der Schildegroßen
florentinifchen Bußpredigers und Theokraten ge- | rung des Mönches. Unter dem Eindruck der weitern
geben, die auf die Forfchung vorzugsweife durch den ! Schickfale feiner Vaterfladt und der zunehmenden Ver-
Wider'fpruch, den fie erweckte, höchft befruchtend ein- j weltlichung der Kirche entwickelt er fleh fogar immer
gewirkt hat' Über das erfte Stadium des Streites hat mehr zu einem Verehrer des Märtyrers, fo daß feine
in diefer Ztg. 23, Sp. 611—613 K.Benrath berichtet. Auch zweite Schrift mit ihren auffallenden Urteilen über
hier begegnet uns fchon unter verdienter Anerkennung Reuchlin, Erasmus und Luther zu einem hervorragenden
der Name Jofeph Schnitzer. Er hat feitdem in emfiger Dokument der beginnenden italienifchen Reformation
Arbeit die Forfchung weiter geführt in feinen .Quellen wird. In der textkritifchen Herstellung der wichtigsten
und Forfchungen', von denen das 2. und 3. Heft Abfchnitte diefer nur in einer fehr mangelhaften Ab-
uns hier vorliegen. In dem erStcn unterfucht er den fchrift erhaltenen Schrift hat fleh Schnitzer ein befonderes
Wendepunkt zur Katastrophe, die Feuerprobe, und er Verdienst erwroben.

legt mit Recht das größte Gewicht auf die peinliche Halle (Saale). B. Beß.

Erforfchung aller Details. Denn ob Savonarola felbft
diefes Gottesurteil provoziert habe, ob er dann aber
durch Ausflüchte es vereitelt und fo den Glauben feiner
Anhänger untergraben habe, das find Fragen, die für
die Beurteilung des ganzen Mannes recht erheblich ins
Gewicht fallen. Schnitzer bahnt fleh den Weg zu ihrer
Beantwortung durch ein genaues Verhör der Quellen,
von denen er einige hier zum erften Mal bekannt macht.
Acht Ausfagen der Savonarola freundlichen Fratesken
Stehen 11 gegnerifche gegenüber. Daran Schließen fleh
noch 5 neutrale Berichterstatter. Diefem Quellenverhör
geht voraus eine eingehende Darstellung der Vorgeschichte
, in welcher über Ranke hinaus und in Nachholung
deffen, was Paftors Darstellung hauptsächlich
verminen läßt, der innige Zufammenhang zwifchen Sa-
vonarolas Wirkfamkeit in Florenz und der äußern
Politik diefer Stadt hervorgehoben wird. Es wird gezeigt
, daß die Verkettung der innern und äußern Politik
der Stadt Savonarola faft gegen feinen Willen zum
Träger eines bestimmten politischen Syftems machte,
das insbesondere die abfolute Gegnerfchaft der Kurie
bedingte. Die Aktionen, welche diefe gegen den unbot

Thilo, Ch. A., Kants Religionsphilofophie. (Religions-
philofophie in Einzeldarstellungen. Hrsg. von O.
Flügel. Heft 1.) Langenfalza, H. Beyer & Söhne
1905. (VIII, 65 S.) gr. 8° M. 1.20

Nach einigen wenigen aphoriftifchen Bemerkungen
über Kants ,perfönliche Stellung zur Religion und zum
Christentum' bespricht Verf. kurz zwei mit feinem Thema
fleh berührende Schriften der vorkritifchen Periode. Es
find der ,Verfuch einiger Betrachtungen über den Optimismus
' vom Jahre 1759 (Hartenstein, Band II) und die
Abhandlung ,Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer
Demonstration für das Dafein Gottes', 1763 (eben-
dafelbft).

Dann wendet er fleh der eigentlichen Kantifchen
Religionsphilofophie zu, wie fie fleh in den drei großen
Kritiken ausnimmt. Er legt die kritifche Erkenntnistheorie
dar und die Konfequenzen, die fleh daraus für
die Beurteilung der Religion im allgemeinen ergeben.
Er fetzt fleh mit der von der transzendentalen Dialektik
mäßigen Mönch unternimmt, find in erfter Linie als i unternommenen Widerlegung der Gottesbeweife aus-

Ausflüffe der liguiflifchen Politik Alexanders VI. zu betrachten
. Von hier aus gewinnt nun auch an Wahrscheinlichkeit
, wofür die Quellen in der Tat Anhaltspunkte
bieten, die Annahme, daß die Feuerprobe nichts anderes
als eine von der Gegenpartei abgekartete Komödie war,

einander. In diefem Zufammenhang, und zwar nur in
diefem, wird auch die Kritik der Urteilskraft zu Rate
gezogen. Er Schildert weiter eingehend und beleuchtet
die Poftulatc der praktifchen Vernunft. Zum Schluß
geht er noch auf ,eine nähere Erörterung desjenigen Be-

bei der die Wunderfucht der Menge und der Fanatismus 1 griffs ein, welcher von Kant ebenfo, wie von feinen Vor

der Anhänger Savonarolas gefchickt benutzt wurden, um
die Stimmung des Volkes, auf der im wefentlichen die
Macht des Mönches beruhte, zu einem völligen Umschlag
zu bringen. Diefe Hypothefe bezeichnet wirklich
einen Fortfehritt der Forfchung über Ranke, Villari und
Paftor hinaus. Wenn nun aber Schnitzer foweit geht, die
ganze Schuld an dem Nichtzuftandekommen der Feuerprobe
den Gegnern zuzufchieben, fo geht er darin
zu weit. Savonarola hatte allerdings in den Verhandlungen
, die man provozierte um die Ausführung der
Feuerprobe autzuhalten, Ständig nachgegeben. Schließlich
aber beharrte er darauf, daß fein zur Feuerprobe
bestimmter Parteigänger das Sakrament mit fleh führen
folle. Diefe Forderung widerfprach dem kanonischen
Recht. Auf ihr zu beftehen war recht unklug, wenn
doch, wie es andererseits evident ift, auf feiner Seite ein
entfehiedener Wille zur Feuerprobe beftand. So gab
er denen, die auch ohne das es nicht zur Ausführung
hätten kommen laffen, eine willkommene Handhabe.
Schnitzer meint die Hartnäckigkeit Savonarolas in diefem
Punkt aus Furcht vor einem Teufelszauber der Gegner
erklären zu müffen. Aber die Worte aus Savonarolas
letzter Predigt, die er dafür anführt, fprechen eher dagegen
, denn hier werden fchon Gebete als genügender
benutz gegen den Zauber hingeftellt. — Das 3. Heft
bringt nach ausführlichen Einleitungen Auszüge aus

gängern, als das zu beweifende Objekt angefehen wurde,
des Begriffes vom ens reatisstmum'. In dem betreffenden
Abfchnitt rekurriert er insbefondere auf die ,von einem
Unbekannten (der Unbekannte hieß ja wohl Pölitz und
war Profeffor der Politik in Leipzig) herausgegebene'
Schrift .Immanuel Kants Vorlefungen über die philo-
fophifche Religionslehre, Leipzig, 1817, bei Carl Friedrich
Franz'. Ein Anhang teilt einige Aufzeichnungen mit
aus Kants Nachlaß (vgl. Heman, Kants philofophifches
Vermächtnis, in Vaihingers Kantftudien).

Der Wiedergabe der Kantifchen Gedanken folgt faft
flets die Kritik auf dem Fuß, und zwar eine Kritik,
deren Kehrfeite die Zuftimmung zur Herbartfchen Philo-
fophie ift. Dabei erhält man ähnlich wie bei der Schrift
desfelben Autors über Schleiermachers Religionsphilofophie
den Gefamteindruck, daß die eigentliche Darftellung
über der Kritik zu kurz kommt. Die überaus wichtige
,Kritik der Urteilskraft' hätte in höherem Maße berück-
fichtigt werden können. Was ,Die Religion innerhalb
der Grenzen der bloßen Vernunft' anbetrifft, fo ift Ref
geneigt, dem abfehätzigen Urteil des Ref. prinzipiell
beizupflichten. Bei der exorbitant hohen Wertung, die
jene Schrift feitens einzelner moderner Kantforfcher erfahren
hat, fchien es indeffen geraten, fie doch auch
irgendwie in Betracht zu ziehen. Vielleicht wäre dadurch
der Fehler vermieden worden, daß der Kantifche

•p . 1 '—-----------fc>--- - —------------■ • —»nuiutll, Uctl.l UCI IS.aiUUL.IH

nartoiomeo Cerretanis ,Storia Fiorentina' und ,Storia l moralifche Beweis nur in feiner gröbften Form repro
in dmlogo Hella mutatione dl Firenzt. Die erftere j duziert wird.

a ff Wtk d,U rCrhon von LeoPold Ranke fehr hoch Um noch einige Einzelheiten anzuführen, fo würde

geitellt. inr Verfaffer, der Sproffe einer von den Medici ! die gegebene Charakteriftik der Kantifchen Erkenntnis-