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Ausgabe:

1906

Spalte:

632-634

Autor/Hrsg.:

Schnitzer, Joseph

Titel/Untertitel:

Savonarola und die Feuerprobe 1906

Rezensent:

Beß, Bernhard

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631

Theologifche Literatu

rzeitung 1906 Nr. 23.

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miffe ich manchmal das Feilhalten der gleichen Wiedergabe
eines bezeichnenden lateinifchen Wortes; wozu
wechfelt de L. 153, 22 ff. zwifchen absoudre und tolerer
l'usage für das ignoscere Tertullians, wozu vollends das
Hinundher der Umfchreibungen für cotnmunicare ? Vi-
tiatus a Deo (Pud. XVI 3) darf wegen I Kor. 317 nicht
perdu aux yeux de Dieu überfetzt werden; wenn dort
de L. den Text quis omnino vitiatmu a Deo redintegravit
(ich lefe mit v. d. Vliet: redintegrabit) beibehält, fchiebt
er durch fein: il aurait rehabilite (wobei er die Beziehung
auf Paulus erzwingt) einen ganz arideren Sinn unter.
Ebenfo wenig kann ich ihm Pud. XVI 14 in der Beziehung
auf Paulus folgen. Et tenebitur jam frenandis con-
tinentia conjugüs deutet er: il sera tenu de mettre un
frein aux mariages par la continence; das Subjekt von
tenebitur muß hier aber continentia fein wie im nächften
Satz fornicatio bei non timebitur. Immerhin habe ich
gewiffe Schwierigkeiten des Textes auch erlt durch die
Befchäftigung mit de Labriolles Überfetzung wahrgenommen
; und wenn fie Anderen gleichen Dienft erweift,
wird fie zwar nie einen fortlaufenden Kommentar, den
einzelne Schriften Tertullians wirklich verdienten, erfetzen,
aber nützliches Material für einen folchen beifteuern.

Marburg. Ad. Jülicher.

Lindemann, Gymn.-Relig.- u. Oberlehr. Hubert, Des hl.
Hilarius von Poitiers ,liber mysteriorum'. Eine patriftifch-
kritifche Studie. Münder i. W., Afchendorff 1905.
(VII, 120 S.) gr. 8° M. 3.20

Der Verfaffer diefer Studie hat fich eine dankbare
Aufgabe geftellt, fie ift von ihm in der Hauptfache uns
zu Dank gelöft worden. Der zum erften Male 1887 von
Gamurrini herausgegebene Uber mysteriorum hat bisher
recht wenig Beachtung gefunden; A. Ebert hatte feine
Echtheit beftritten, doch eigentlich ohne Gründe beizubringen
; wer an die Echtheit glaubte, tat es mehr, weil
er keine Gründe zum Zweifel wahrnahm. Die einzige
Handfchrift, in der der Traktat uns erhalten ift (ein
Aretinus sei. XI), verbindet mit ihm ,Hymnen', die auch
als hilarianifch gelten follen. Wenn fich diefe Annahme
als falfch erwiefe, wäre die Tradition zugunfien des
Myfterienbuchs erfchüttert: diefe Unterfuchung läßt
Lind, leider ganz beifeite. Aber was er zu Gunften der
Autorfchaft des berühmten Hilarius von Poitiers für den
profaifchen Traktat beibringt, aus Sprachgebrauch, Gedankenwelt
, hermeneutifchen Grundfätzen, Bibelbenutzung,
namentlich auch Bibelzitaten, Abhängigkeit von Origenes,
dogmatifchen und ethifchen Eigentümlichkeiten, würde
wohl auch ohne jene handfehriftliche Notiz genügen, um
dem Fragment die Zugehörigkeit zu Hilarius zu fichern.
Die Übereinflimmung mit den anerkannten Werken des
Hilarius, zumal den fpäteren, feinen Pfalmenkommentaren,
ift erftaunlich groß; wir werden das neue Werk ruhig
in die fechziger Jahre des 4. Jahrh. verlegen dürfen.

Viel Neues lernen wir daraus nicht; die typifche
Auslegung des Alten Teftaments wird in Buch I an der
pentateuchifchen Gefchichte, in Buch II (wovon nur kleine
Stücke erhalten find), an der Gefchichte der Propheten
durchgeführt: die Frage nach der objektiven Richtigkeit
folcher Typik, die Lind. S. 19 dahin beantwortet,
fie habe nur eine teilweife Berechtigung, exiftiert für
uns nicht.

Abgefehen von der überaus fleißigen Sammlung der
zu vergleichenden Stoffe in dem neuen Werk wie in
den unbeftrittenen darf Lind.s Abhandlung nicht gerade
als Mufter empfohlen werden. Dabei habe ich nicht
etwa im Auge, daß feine Belege fich vermehren ließen,
und daß wertlofe und bedeutfame ungefchieden beieinanderflehen
: dergleichen ift nicht zu vermeiden, und das
Zuviel, das weit öfter als ein Zuwenig fich bemerklich
macht, kommt vielleicht wieder anderen Unterfuchungen
hilarianifcher Überrefte zugute. Auch die enthufiaftifchen

Lobpreifungen des Meifters Hilarius, der als erlaucht,
als fchöpferifches Genie, als tieffinniger Exeget ufw. gefeiert
wird, läßt man fich gefallen. Eine gewiffe Steifheit
des Stils (S. 35 .eklatantes Zeugnis für die Kredi-
bilität feines Skribenten') bleibt bei langer Befchäftigung
mit dem ,rhonemäßig dahinflutenden' Hilarius nicht aus.
Aber die Umftändlichkeit und Breite, die vor keiner
Wiederholung felbft deffen, was überhaupt nicht erft
gefagt zu werden braucht, zurückfehreckt, geht hier gar
zu weit. Ich erwähne das ausdrücklich, weil die patri-
fbfeben Arbeiten katholifchen Urfprungs, der glänzenden
Müder eines Funk oder Ehrhard zum Trotz, fo viel Tüchtiges
fie enthalten mögen, diefen Fehler niemals los zu
werden fcheinen. Lange verhandelt Lind, darüber, daß
und warum Hilarius die Septuaginta gebraucht hat; beim
N. T. bekommt er fertig uns mitzuteilen, da fei Hil. dem
griechifchen Text gefolgt. Von Berufungen auf Belfer,
Kaulen, Couftant, Zingerle wimmelt das Buch felbft anläßlich
der trivialden Wahrheiten; und mit den Worten
von Reinkens (dem Biographen des Hilarius) unter ge-
nauefter Angabe der rundftelle fpricht Lind, hundert
Male, wo Reinkens weder für die Form noch den Inhalt
die geringfte Originalität beanfpruchen würde. Bei den
Abfchnitten: dogmatifche Lehrbegriffe und Moraltheologi-
fche Anfchauungen wird das ganze ,Syftem' des Kirchenvaters
nach den einzelnen loci durchgenommen, obwohl
für die vorliegende Frage doch nur das von Wert ift,
was Hilarius allein, z. B. nicht fein dem Standpunkt des
Uber myst. auch fehr geneigter Zeitgenoffe Ambrofius
vertreten hat. Wenn über Art, Zeit und Ort der Ent-
ftehung des Myfterienbuchs, feinen Zweck und feine
Quellen gehandelt wird, ehe die Echtheit der Schrift
zur Sprache kommt, ift eine Menge von Wiederholungen
unvermeidlich; das Stück V 1 konkurriert ftreckenweife
geradezu mit I; II 1 wird überflüffig durch IV 3.

In Kapitel V gibt Lind, noch eine Reihe von Vor-
fchlägen zur Emendation des von Gamurrini recht unvollkommen
edierten und von Pitra nicht eben ver-
befferten Textes. Peinlich fällt wiederum die Breite auf,
die für das auf den erften Blick Einleuchtende immer
fort Berufungen, befonders gern auf die Grammatik
und die in den Handfchriften üblichen Verwechslungen,
beibringt. Zum größten Teil verdienen die Vorfchläge
Lindemanns Annahme; hie und da ift eine Änderung
unnötig, z. B. 7,4 sacrificia wird durch muncra 6,32 und
sacrificia 7,13 gefchützt; 12,17 muß nicht bloß wegen 12,23
hos primatus flehen bleiben. 7,29 wird man bei Hilarius
ein exarsit nicht wegen der benachbarten Präfentia in
exardescit verbeffern, noch weniger das durch das Schriftzitat
verlangte peceavit 8,24 in peccabit. 8,15 ift effectorum
Subftantiv wie 8,19 und nicht etwa in ejfectarnm zu verändern
. Aber fchon der Hinweis auf die unberechtigten
Abweichungen Gamurrinis vom Text der Handfchrift
z. B. 6,12. 1,10. 9,11 lehrt, daß eine neue Rezenfion er-
wünfeht wäre, und V2 bei Lindemann ftcllt hiefür eine
brave Vorarbeit dar.

Marburg. Ad. Jülicher.

Schnitzer, Prof. Dr. Jofeph, Savonarola und die Feuerprobe.

Eine quellenkritifche Unterfuchung. [Quellen und
Forfchungen zur Gefchichte Savonarolas. II ] (VIII,

175 s.)

Schnitzer, Prof. Dr. Jofeph, Bartolomeo Cerretani.

[Quellen und Forfchungen zur Gefchichte Savonarolas.
III.] (LX, 110 S.)

(= Veröffentlichungen aus dem kirchenhiftorifchen
Seminar München. Herausgegeben von A. Knöpfler.
II. Reihe Nr. 3 und 5.) München J. J. Lentnerfche
Buchhandlung, 1904. gr. 8° Je M. 3.80

Ludwig Paftor hat im 3. Band feiner Gefchichte der
Päpfte, zunächll unter dem Gefichtspunkt einer Schilde-