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Ausgabe:

1906 Nr. 2

Spalte:

42-45

Autor/Hrsg.:

Resch, Alfred

Titel/Untertitel:

Der Paulinismus und die Logia Jesu in ihrem gegenseitigen Verhältnis untersucht 1906

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 2.

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dere hebräifchc Weib als zeitweilig unrein betrachtete. — Dagegen
lehrt Bafilius zu Jef. 7 Nr. 201. diefe Jungfrau fei dem Gefetze der
Reinigung nicht unterworfen gewefen, weil fie auch nach der Geburt
Jungfrau blieb, und nun haben wir den Grund, um deffemvillen avtfjq
beteiligt ift, tot uns'.

Das ift wieder ganz verkehrt: M. weiß ganz gut,
daß, wenn das Suffix im Syrifchen fem. wäre, es eigentlich
Mappiq haben follte; Burkitt überfetzt daher, ohne
irgend eine Anmerkung für nötig zu finden: feine (Iiis)
Reinigung. M. hätte auch aus Wetftein, Scrivener und
andern Werken fehen können, daß das avzrjq des TR
einfach aus der Complutenfifchen Polyglotte flammt,
in der es ,fpanifches Griechifch', Rücküberfetzung des
doppeldeutigen eins der Vulgata fein wird. Wie ich
in meinem populären Vortrag 'Vom TextUS Receptus
(Barmen, 1903 S. 9) zeige, behauptet zwar Gregory
noch Textkritik S. 927, daß avzrjq in einer einzigen
Hdfch. (ev. 76, in Wien) flehe; in Wirklichkeit
hat aber auch diefe Hdfch., wie bei demfelben Gregory
800 Seiten vorher fleht (p. 146, = Tifchendorf III, 484.
1267), nicht fo.1

Seltfam, daß M. zu Lk. 19,41 von Wellhaufens glänzender
Erklärung des döze sX£?]fioßvvrjV als mißverftan-
denem IDT keine Rückficht nimmt; ich verweife daher
nochmals dazu auf Dalmans Grammatik § 57 (2. Aufl. S.
246). und unterftütze fie durch die Bemerkung, daß im
nächften Vers die Raute jtrjyavov mißverftandenem avrftov
(Mt. 23) feine Entftehung verdanken witd: HCÜXl = Pega-
num und SnDIS Anethum folgen in Löws aratnäifchen
Pflanzennamen in § 317 und 318 unmittelbar aufeinander
. Das fcheint mir noch ficherer als die von M. zu
Lk.24,32 vorgetragene Anficht, daß die Variante 'fchwer'
und 'brennend' in die Aufzeichnung des Lukas felbft
zurückzufchieben fei, deffen eine Vorlage nach einer
urfprünglifchen aramäifchen Schrift -ppi = gravis, ßoa-
0£«a[!] bot, woneben eine andere Vorlage Tp"1 = accen-
sus, xaiopivT] zeigte'. M. kommt zu diefen Schluß, weil
man den I ext des Kopten und der Lateiner doch nicht
von einem innerfyrifchen Lefefehler ableiten könnte.
Das wäre alfo eine vollftändige Parallele zu meiner Erklärung
der Variante eßaovvaze und tjQvrjOaa&s in Act.
3, u( aus nmSD = DmED), und in fofern könnte ich
prinzipiell ganz damit einig fein. Trotzdem weiß ich
nicht, ob der Sahide und die in Frage kommenden Lateiner
nicht doch irgendwie mit dem alten Syrer zufammen-
hängen oder er mit ihnen. M. hat den großen Vorzug,
die in Frage kommenden Sprachen felbftändig zu be-
herrfchen; es wäre fehr dankenswert, wenn er das Verhältnis
der Syrer zum Sahiden einmal eigens unterfu-
chen würde. Der Stein, den kaum 20 Mann bewegen
können, (23, 54) ift ja auch ein folcher Berührungspunkt.
Noch merke ich an, daß die Lesart xexaXv/ifiEVT] in
D an Hebr. 12,18 ihre Parallele hat, wo für xai xexav-
(isvrn D von etfter Hand xexaXvf//i£va> bietet.

Es ift nicht möglich weitere Lesarten noch in die-
fer Ausführlichkeit zu befprechen. Ich erwähne noch
die ausführliche Erörterung über Bethfage, weil ich
dabei meine Erklärung des ex'dfiqioöov in Markus =
t-iD nicht berückfichtigt finde; die ganz befonders
eingehende Erörterung der Abendmahlsberichte S. 416
bis 449 mit ausführlichfter Darfteilung der judifchen Paffah-
feier, die Schilderung jüdifcher Gräber mit 4 Abbildungen
(wozu die Vorbemerkung nicht zu überfehen), die
Ünterfuchungen über yftröroc und Xgiozoq) Petrus, Ke-
phas, bymeon; evO-vq und evfremq, über oäßßaza, das
tälfchlicherweile als Plural aufgefaßt worden fei ftatt
aramäifchtm Femininum oaßßdtra, wozu ich aber wieder

1) Auf diefen textkritifchen Tatbeftand aufmerkfam zu machen er-
fcheint um fo nötiger, als allerneuftens auch J. Weiß (die Schiiften des
Neuen Teftaraents I, 397' von ,alteD Zeugen in unferem Texte' fpricht,
,der urfpriinglich ganz unbefangen von ,ihrer' (Marias) Reinigung redete.'
Außer dem doppeldeutigen eius der Vulgata kenne ich gar keinen
alten Zeugen für das Femininum, gefchweige folche in der Mehrzahl.

manche Fragezeichen machen möchte. Als bedeutfam
und wohl angebracht erfcheinen mir die da und dort
fich findenden Warnungen vor den bisherigen Verbuchen,
das fynoptifche Problem löfen zu wollen. In diefem
Stück hat M. ganz gewiß recht: erft muß der Text der
Evangelien in ganz anderer Weife als bisher ficherge-
ftellt fein, ehe man an diefe Fragen gehen kann, auch
freue ich mich fchon in dem Gedanken, daß M's Arbeit
ähnlich wie die von Blaß diefen textkritifchen Studien
neuen Anftoß bringen werde.

Endlich ift noch hervorzuheben, daß M. vielfach
zu dem gefchichtlichen Problem Stelung nimmt, was nun
Jefus wirklich gelehrt und gewollt habe. Daß er fich
für den Meffias erklärt, weift M. ganz ab; er ftimmt daher
auch mit Grill, ohne ihn zu nennen, darin überein,
daß Mt. 16, i8 fpätere Einfchaltung fei. Wichtig war mir
in diefer Hinficht insbeiondere fein Hinweis auf Joh.
I2,ni, durch welche Stelle die fynoptifche Darftellung,
als ob Jefus felbft den meffianifchen Einzug provoziert
habe, ausgefchloffen werde. Ich führe diefe Einzelheit
nur an, um am anzudeuten, wie anregend nach den
verfchiedenften Seiten hin diefe ,Erläuterungen' find.
Kein neuteftamentlicher Forfcher kann an ihnen vorübergehen
; aber fie find mit Prüfung zu benützen. Möge
M. fie bald glücklich zu Ende führen können.

Maulbronn. Eb. Neftle.

Reich, D. Alfred, Der Paulinismus und die Logia Jefu in

ihrem gegenfeitigen Verhältnis unterfucht. (Texte
und Ünterfuchungen zur Gefchichte der altchriftlichen
Literatur. Herausgegeben von Oscar von Gebhardt
und Adolf Harnack. Neue P'olge. — Zwölfter Band.)
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1904. (VIII,
656 S.) gr. 8° M. 20—; geb. M. 23 —

Wenn Alfred Refch es nötig gehabt hätte, feinen
Ruhm als Mann von unermüdlichem Fleiß und ftaunens-
werter Gelehrfamkeit noch zu erhöhen, fo hätte er das
nicht beffer als durch die vorliegende Publikation vollbringen
können. Auch wenn man in Anfchlag bringt,
daß bei der Einrichtung des Buchs notwendig viele Dingt
zwei, drei und mehr Male zur Sprache kommen, find
die übrig bleibenden Stoffmaffen ungeheuer, und fchon
die Zuverläffigkeit der Arbeit, die bei fo viel Taufenden
von Zitaten auf harte Proben gefleht war, verdient Bewunderung
. Denn wenn fich auch das Verzeichnis der
Berichtigungen' von S. 656 leicht vervielfachen ließe,
find die Irrtümer in Zahlen und Buchflaben im Verhältnis
verfchwindend gering.

Auch das Thema, das R. behandelt, gehört zu den
intereffanteften aus der Urgefchichte des Chriftentums,
und das Ergebnis feiner Studien würde von der höchften
Bedeutung für unfer Verftändnis jener Gefchichte fein.
Nach R. ift nämlich das Urevangelium, die von ihm in
früheren Werken auf breitefter Bafis rekonftruierten
,Logia'Jefu, die unfern fynoptifcheh Evangelien zugrunde
liegen, die ,Hauptquelle des Paulinismus': in Gedanken
und Worten foll Paulus — und die Pauliner wie der Ver-
faffer des Hebräerbriefs — fich von dem unvokalifierten
hebräifchen Grundtext der durch Papias bezeugten mat-
thäifchen Logia auf Schritt und Tritt abhängig erweifen.

R. hat den Beweis fo eingerichtet, daß er nach
einigen einleitenden Paragraphen in einem erften Teil
S. 35—154 die Textparallelen, die er gefunden zu haben
glaubt, (amtlich aufzahlt, zuerft die zu feiner Logknausgabe
von 1898, dann paulinifche Parallelen zu fynop-
tifchen Worten, die keine Aufnahme in Refchs Logia
gefunden haben, drittens Parallelen zu Agrapha, endlich
(nur 19 Nummern) innerpaulinifche Logia, d. h. Paulusworte
, die teils riurch öftere Wiederholung bei Paulus,
teils durch prägnant fynoptifchen Typus die Vermutung