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Ausgabe:

1906 Nr. 23

Spalte:

630-631

Autor/Hrsg.:

Labriolle, Pierre de

Titel/Untertitel:

Tertullien De paenitentia. - De pudicitia 1906

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 23.

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Tatbestand klar vor uns auszubreiten. Er hat Grund,
zumal angefichts der jetzt herrschenden Ausgaben Ter-
tullians, es Sich zum Ruhm anzurechnen, daß er die KunSt
des Schweigens nie geübt, Sondern auf jede Schwierigkeit
der Auslegung aufmerksam gemacht hat, fei es
durch Zeichen im Text, fei es durch Andeutungen im
Apparat: trotz der Anfätze zu einem Kommentar, die
diefer bei K. enthält Sz. B. zu 7,10 .delinquere = das Sün- ..... „ , „. , _ . ... _ .. .. _

digen cf. 6oS, » oder zu 524, 5 %chllemMR, Zachariam Labr.olle, Prof. Pierre de, Tertulhen De paen.tent.a - De

pudicitia. Textelatin,traduction frangaise, introduction
et index. (Textes et Documents pour l'etude historique
du christianisme, publies sous la direction deH. Hemmer

die Herausgeber diefer vom Schickfal fo arg mißhandelten
Schriftwerke haben Sich dann ein Verdienst um
den afrikanischen Meifter erworben, deffen ganzer Umfang
erft lange nach dem Abfchluß ihrer Arbeit zu
ermeffen Sein wird.

Marburg. Ad. Jülicher.

Paine Ii 11s, quem sequuntur posteriores; sed saepius con
fundit prophetias Tertull.. ut et supra 523, k'), und trotz
der Stark vergrößerten Zahl der in den Apparat aufgenommenen
Bibelftellen (ohne Beschränkung auf ausdrückliche
Zitate!) bleibt er wunderbar überfichtlich;
Konjekturen Älterer, die ihm wertlos erfcheinen, teilt K

et P. Lejay.) Paris, A. Picard et Fils 1906. (LXVII,
237 p.) 12» fr. 3

nicht mit, vielleicht einige Fälle bei Oehler ausgenommen, Eine Sonderausgabe der beiden wichtigen, auf das
die deffen Unfähigkeit zum Emendieren belegen Sollen, j Bußwefen bezüglichen Schriften Tertullians, wie wir fie
Im Text felber aber wird fchwer eine Seite zu finden durch E. Preufchen feit 1891 befitzen, hat jetzt der Profein
, wo nicht Kr. durch richtigere Interpunktion, durch feffor der lateinischen Philologie an der Univerfität Frei-

Ausftoßung von Interpolationen, den Hinweis auf Lücken
im Text und durch fchonende oder auch bis zur Umstellung
ganzer Sätze kühne Veränderungen aus dem
überlieferten Wirrwarr einen einleuchtend tertullianifchen
Text hergestellt hat. Eine Reihe gediegener Textkorrekturen
hat ihm A. Engelbrecht vorgeschlagen; wo K. gegen
Eng. der Überlieferung beistimmt, habe ich ihm immer
recht gegeben und mich dennoch der durch Eng. bewirkten
Anregung zu gründlicherem Nachdenken gefreut.
Daß felbft Migne de suo einmal hat verbeffern können,
Sah ich Staunend 354,12,

bürg (Schweiz) für franzöfifche Lefer veranstaltet. Die
Sammlung, in der fein Werk erfcheint, trägt in dem
Namen ihres Leiters P. Lejay die Gewähr wahrhaft
wiSSenfchaftlicher Absichten in Sich; de Labriolle hat Sich
durch Tertullianftudien in medizinischen und juridifchen
Zeitschriften, fowie durch einen jüngft in der Revue dl/ist.
et de litter. relig. 1906, 2 erschienenen Auffatz über die
antimontaniftifchc Polemik als befonnenen und wohlorier.-
tierten Forfcher bekannt gemacht. Außer dem lateinischen
Text empfangen wir hier eine franzöfifche Überfetzung,
einen Index (S. 209—237), eine Eänleitung (34 Seiten S

Ich verfage es mir, Beifpiele von Kr.s glücklichen ! über Tertullian als Schriftsteller überhaupt und insbe-
Konjekturen (276, u vitein patris St. vice p.) beizubringen; J fondere über Gedankengehalt, Veranlaffung und Bedeutung
man kann Sie doch nur im Genuß des ganzen würdigen, diefer beiden Schriften. In den notes critiques et explica

Allerdings hat er noch mancherlei zu tun übrig gelaffen.
Das Register der Bibelftellen verträgt immer wieder Ergän-

tives (29 Seiten) werden einzelne Abweichungen von den
bisherigen Texten motiviert, in zweifelhaften Fällen das

zungen; 358, 12 ift Exod. 33,11 irrtümlich St. Ez. 18,23) Material vorgeführt, auch aus anderweiter alter und neuer
(33; 11) geschrieben; 276,11 durfte auf I. Joh. 5, k, 527,11 auf) Literatur mitgeteilt, was das Verständnis feltfamer Wen-

Luc. 14,23, 224,13 auf Rom. 11, i6ff. verwiefen werden. Im
Text habe ich nur einen erheblichen Druckfehler bemerkt,
276, in deponc St. depono. Wenn dem Lefer über die Zweifel
an der Echtheit von adv. oinnes hacr. auch nicht ein Wort
verraten wird, fo Scheint mir da die Zurückhaltung doch

düngen (z. B. poinuiu matrimonii) fördern kann. Diefer
Teil des Buchs (S. V—LXVII) enthalt einzelne Notizen,
die auch den Mitforfchern willkommen fein werden; im
übrigen darf man von de L. nicht mehr verlangen, als
daß er dem Publikum bietet, was bei dem jetzigen Stand

etwas weit getrieben: oder Soll das in den verheißenen ; der Wiffenfchaft geboten werden kann. Eine neue Text

Epilegoincna nachgeholt werden? Die glänzende Korrektur
mutuatus fuisset 223, 23 St. mutatns fuisset oder inutala
fuissent der Handfchriften, konnte durch Hinweis auf
188,13, wo P mutuaretur, ME ntutaretur bieten, unterftützt

werden; und da Oehler fo viel Tadel erhält, wäre hier auch i fleißige und Solide Arbeit kann man ihm nachrühmen

der Platz gewefen, zu erwähnen, daß er eine ähnliche Än-

rezenfion hat er nicht auf Sich genommen.

Nun, mit der Literatur der letzten Jahrzehnte hat
er Sich durchaus vertraut gemacht, er berücksichtigt da
fogar WertloSes. Seine Überfetzung lieft Sich bequem;

Druckfehler habe ich im franzöfifchen Text nicht wahr-

derung, mittuata fuissent (= ihm geliehen hatten), im Sinne . genommen, im lateinifchen öfter, z. B. 150 Z. 5 v. u.

gehabt hat. Dem Komma wünfehte ich zur Trennung von | aderes, im ftatt invaderes, bei addicere im Register 1. XVI,

Sätzen häufigere Verwendung. Ein wenig gewinnender 10 St. XXVI, 10; das griechische Zitat aus Clemens Alex.

Vorfchlag ift es, 357, 21 tot sensus quot et causas zu emen- j S. LVII ift Sogar greulich entstellt. Das Regifter enthält

dieren /. s. q. e. causae sunt; die respicientes Z. 27 (=_die 1 einige Schätzenswerte Beigaben lexikalifcher Art, fonft ift

Zurückfchauenden im Sinne von Luc. 9,02) als Objekt
der göttlichen Geduld unter Streichung des überlieferten
non vor resp. beizubehalten, Scheint mir äußerft gezwungen
. Die Einfchiebung von autetn hinter dolucrat
7, 4 (deeepit eum, quia inviderat; inviderat autem, quin
doluerat; doluerat (autem), quia patienter utique non tu-
lerat) ift überflüffig, erft recht die Veränderung des zweiten
perit 7, 20 in periturus. Solo utitur apostolo fchreibt K.
224, 3, trotzdem der Hauptzeuge et apostolo bietet; vermißt
man denn nicht ,das Evangelium', deffen nachträglichen
Ausfall eben jenes et beftätigt? Der 225, 4
fehlende Monatsname kann doch wohl nur Nisan gelautet
haben; wozu Stellt K. Aprilis überhaupt zur Wahl? Solche

mir darin die Abhängigkeit von Preufchen aufgefallen.
Gewiß bringt L. einzelne eigene Artikel, oder verbeffert
und ergänzt die von Preufchen (Schafft z. B. die bei Pr.
unter emendare geratenen Belegftellen für emundare an
ihren Platz), aber wie er die Stellung des Eliinas vor
cliinare doch wohl Preufchen verdankt, fo wird er nicht
zufällig unter titulus die Stelle Pudic. XV, 7 oder unter venia
Poen. VI, 8 ebenfo wie Preufchen überfehen und p. 236b
unter venia wie jener XIX 22 wegen Tertullians de venia
blandientem ein blandire konftatiert haben. Bibelftellen,
auf die weder Preufchen noch Rei ff er Scheid-Wiffowa hinweisen
, fehlen regelmäßig auch bei de L., z. B. I Kor 8 3
Poen. VII 8, I Kor. 5 5 Pud. XVI 3, Röm. 8 8 Pud. XVII 12.

Ausftellungen bringe ich nur vor, um die durch fo große Den Verbefferungsvorfchlägen von van der Vliet und
Fortschritte in der Textemendation neu erweckte Luft an ) Kroymann hätte er noch etwas reichlicheren Raum gönnen
der Exegefe Tertullians zu betätigen. dürfen; warum 150, 6 v. u. mit Preufchen licentia ftatt des

. Wenn erft der ganze Tertullian in einem Texte | nach Reiff, allein berechtigten licentiam gelefen wird,
wie hier vorliegt, wird es leichter als bisher fein, über 1 verliehe ich nicht; XVI, 12 dürfte fruetificare den Vorzug
das, was man ihm zutrauen darf, zu entscheiden; und I vor frtitificare nicht verdienen. In der Überfetzung ver-