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Ausgabe:

1906 Nr. 22

Spalte:

601-603

Autor/Hrsg.:

Schornbaum, Karl

Titel/Untertitel:

Zur Politik des Markgrafen Georg von Brandenburg vom Beginne seiner selbständigen Regierung bis zum Nürnberger Anstand 1528-1532 1906

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 22.

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und das Verhältnis zu Franz von Affifi, das (ich darin
fpiegelt. Ich habe vor 14 Jahren darauf hingewiefen;
Lemmens hat in meiner Darfteilung eine fchiefe Auf-
faffung gefehen. W. in dem vorliegenden Buch fieht
Gregor IX für den eigentlichen Gründer des Ordens an,
der die erfte Regel in Verbindung mit der Regel Benedikts
eingeführt habe. Er nimmt im ganzen eine mittlere
Stellung zwifchen Lemmens und mir ein, wenn er
fagt, daß Hugolin die franziskanifche Frauenbewegung
ordensmäßig organifieren und ihr einen möglichft ftren-
gen Charakter geben wollte; es laffe fich aber nicht be-
weifen, daß Hugolin von vornherein beabfichtigt habe,
das ftrenge Armutsideal, das von Franz kam, durch ftrenge
Klaufur zu erfetzen; er habe das Armutsideal zunächft
gewähren laffen und erft nach Franzens Tod und feiner
Stuhlbefteigung fei er für Befeitigung desfelben eingetreten
. Ich kann nicht fagen, daß hier und auch an
manchen andern ftrittigen Punkten mir die Vorgänge
durch W.s zum Teil recht zuverfichtliche Ausführungen
deutlicher und klarer geworden wären. Das Hauptverdiend
der vorliegenden Arbeit ift die Weiterführung über
die Zeitgrenze, die die bisherigen Unterfuchungen fich
gedeckt hatten, fowie die Darlegung der Klariffenpro-
paganda in den einzelnen Ländern. Das letztere befon-
ders war gewiß eine fehr mühfame Arbeit, die nun für
Spezialforfcher auf verfchiedenen Gebieten eine überficht-
liche und zuverläffige Grundlage bietet.

Stuttgart. E. Lempp.

Schornbaum, Dr. Karl, Zur Politik des Markgrafen Georg
von Brandenburg vom Beginne feiner felbftändigen Regierung
bis zum Nürnberger Andand 1528—1532. Auf
Grund archivalifcherForfchungen. München,Th.Ackermann
1906. (VIII, 559 S.) gr. 8° M. 10 —

genüber den nur zu gut begründeten Anfprüchen Georgs
in Rechnung nehmen, wie die Art, wie er von den Habs-
burgern um feine Ausfichten auf das Erbe des Piaden
Joh. von Oppeln betrogen wurde, wie hier die Religions-
politik die klarden Verpflichtungen gegenüber dem evan-
gelifchen Fürden annullierte. Aber mitten in all diefen
Schwierigkeiten behält der Markgraf unentwegt fein Gottvertrauen
und feine evangelifche Glaubenstreue, die fich
weder durch die Einflüderungen feiner beiden Brüder,
des Würzburger Dompropds Friedrich und Johann Albrechts
, noch durch die Ausfichten auf vorteilhaftere
Behandlung von feiten des kaiferlichen Hofes, noch
durch die gefahrliche Umgebung von vier Bistümern
und ihre deten Klagen beim Schwäbifchen Bund wankend
machen läßt. Eine wahre Erquickung id der Briefwechfel
Georgs mit feinem Bruder Albrecht, dem Herzog von
Preußen, den uns Schornbaum in mühfamen Studien auf
den verfchiedenden Archiven, befonders in Charlottenburg
und Königsberg, erfchloffen hat. Man lernt hier
die echte Frömmigkeit der beiden Fürden aufs wärmde
fchätzen.

Freilich bleibt ein dunkler Punkt die Art, wie Georg
fich in Schienen durch zwei Räte Graber und Gendorf
einnehmen ließ, daß es zum Sturz des reichbegabten und
unermüdlich tätigen Staatsmanns Georg Vogler kam.
Schornbaum id es gelungen nachzuweifen, daß Voglers
Nachfolger im Kanzleramt, Seb. Heller, nicht unmittelbar
für die unfelige Maßregel verantwortlich gemacht
werden kann, wie Vogler felbd und Veefenmeyer es
taten, aber die Art, wie er neben Seckendorf und Wie-
fenthau fich von ihm losfagte (S. 191), id nicht unbedenklich
. Überhaupt muß Schornbaum anerkennen, daß
in betreff Hellers noch nicht alles geklärt id; aber man
darf nicht verkennen, daß Hellers Haltung in Schweinfurt
und den darauffolgenden Verhandlungen bis zum Nürnberger
Andand dark für feine Tüchtigkeit fpricht. Wir

Was der junge Nürnberger Forfcher uns hier bietet, j find damit fchon auf den wichtigden Gewinn gekommen,
id ein fehr wertvoller Beitrag zur Gefchichte Deutfch- 1 den Schornbaums Forfchungen bringen. Das von ihm
lands in den Jahren 1528—32. Denn hinter dem befchei- | erhobene Material id eine willkommene und reiche Er-
denen Titel ,Zur Politik des Markgrafen Georg' birgt gänzung deffen, was uns bisher die politifche Korrefpon-
fich nicht nur ein gutes Stück Biographie und Charakte- | denz Straßburgs, die Reichstagsberichte Hans Ehingers ufw.

ridik des Markgrafen, die ihn in ein neues helles Licht
rückt, nicht nur eine Gefchichte der Politik des Markgrafen
, dem durch eine große von feinem Bruder Kafimir
größtenteils im Diend der Habsburger veranlaßte Schuldenlad
vielfach die Hände gebunden waren, die ihn
aber zugleich in eine Fühlung zu dem nahen, früher oft
heftig befehdeten Nürnberg brachte, fodaß das Licht,
welches jetzt auf die Gefchichte der fränkifchen Mark-
graffchaft fällt, zugleich auch Nürnberg zugute kommt.
Gehen doch damals Brandenburg-Ansbach und Nürnberg
in der wichtigden Zeitfrage, in der religiöfen, fad dets

boten. Freilich muß zu dem, was er für den Reichstag
von Augsburg 1530 gibt, jetzt Koldes Arbeit ,Die ältede
Redaktion der Augsburger Konfeffion' herangezogen
werden; aber was er für die Gefchichte der Bundesbe-
drebungen der evangelifchen Fürden und Städte, für die
Tage von Rotach, Salfeld, Schleiz, Schwabach, Schmalkalden
und Nürnberg, für den Tag in Schweinfurt und
die Verhandlungen mit dem Kaifer über den Nürnberger
Andand gibt, id fehr lichtvoll, ja teilweife fad dramatifch
lebendig. Man lernt jetzt die Zettelungen Balth. Märklins
und die Gefahr, daß der Kaifer die bewilligten Truppen

Hand in Hand, was dann in der Brandenburg-Nürnbergi- I verwende, ,um eine Ordnung im chridlichen Glauben zu
fchen Kirchenordnung und in beider ablehnenden ; machen'(S. 351), erd recht würdigen. Nicht zu überfehen
Stellung gegenüber dem Schmalkaldifchen Bund feinen j id, daß in Nürnberg fchon vor dem Reichstag in Speier
handgreiflichen Ausdruck findet. Freilich bleibt es un- eine Proteftation in Ausficht genommen wurde (S. 68).
begreiflich, daß das reiche Nürnberg fich nicht herbeiließ, ; Für die Biographie von Urban Rhegius fei auf S. 460
den Markgrafen, der ein armer, forgenbefchwerter Mann j aufmerkfam gemacht. Sehr zu begrüßen id, daß Schornwar
, aus feinen drückendden Schulden zu befreien, und j bäum, wie bei feiner Arbeit über Kafimir, den Text und
von den zeitweilig fehr annehmbaren Anerbietungen die Anmerkungen gefchieden hat, für welche leider zu

Georgs keinen Gebrauch machte und damit für die
fpäteren zwei Jahrhunderte eine Quelle des Haders und
nachbarlicher Reibungen offen ließ, welche wohl erd
mit dem Übergang der Markgraffchaft an Preußen oder
vielleicht gar mit dem Übergang an Bayern aufhörten.

Wer die Finanznot Georgs kennt, der wird über die
Einziehung der Kirchenkleir.odien durch Georg anders
urteilen als der verbitterte K. H. Lang, der als ihre
Quelle nur Georgs Eigennutz anfah. Es handelte fich
einfach um Verhinderung eines Staatsbankerotts. Wer
aber über die vielfach zaghafte Politik des Markgrafen
bei diefer Schuldenlad gerecht urteilen will, der muß die
fkrupellofe Haltung Ferdinands und feines Bruders gekleine
Ziffern gewählt find, wodurch das Nachfchlagen
erfchwert wird. Es id nur zu bedauern, daß er mit
1532 abbricht, und dringend zu wünfehen, daß er uns
eine volldändige Dardellung der Regierung Georgs bis
zu feinem Tod gibt. Vielleicht läßt fich das reiche Material
der Anmerkungen, befonders auch die nicht zu
unterfchätzenden Rechnungsbelege, doch etwas zufammen
ziehen. Gerne hätte Ref. etwas mehr über die Wiedertäufer
in Baiersdorf und Creglingen gehört. Was Jörg
in feinem Buch ,Deutfchland in der Revolutionsperiode',
Ref. in den Theol. Studien aus Württb. 1882, 187fr. und
der Reformationsgefchichte von Creglingen S.23, Gerbert,
Gefchichte der Straßburger Sektenbewegung 1541, 173fr.'

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