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Ausgabe:

1906

Spalte:

593-596

Autor/Hrsg.:

Baentsch, Bruno

Titel/Untertitel:

Altorientalischer und israelitischer Monotheismus 1906

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 22. 2 7- Oktober 1906. 31. Jahrgang.

Baentfch, Altorientalifcher und israelitifcher

Monotheismus (liaudiffin).
Eine neue Ignatiushand fchrift (Harnack).

Eufebius' Werke 4. Bd.: Gegen Marceil,
Geber die kirchliche Theologie, Die Fragmente
Marcell's, herausg. von Erich Kl oftermann
(Koetfchau).

Wauer, Entftehung und Ausbreitung des Kla-

ritfenordens (Eempp).
Schorn bäum, Zur Politik des Markgrafen

Georg von Brandenburg 1528—1532 (Boffert).
Veen, Historische Studien en Schetsen (Cohrs).
Nta Stväv. T6/Jog Ssvxsqoi; (Ph. Meyer).
Bojan, Les Bulgares et le Patriarche oecume-

nique (Ph. Meyer).

Breyfig, Die Entftehung des Gottesgedankens

und der Heilbringer (E. W. Mayer).
Schell, Apologie des Chriftentums, 2. Bd.:

Jahwe und Chriftus (Niebergall).
Schmidt, Wilh., Der Kampf um die fittliche

Welt (Niebergall).
Girgenfohn, Zwölf Reden über die chrift-

liche Religion (Niebergall).

Baentfch, Prof. P>., Altorientalifcher und israelitifcher Monotheismus
. Ein Wort zur Revifion der entwicklungs-
gefchichtlichen Auffaffung der israelitifchen Religions-
gefchichte. Tübingen, J. C. B. Mohr 1906. (XII, 120 S.)
gr. 8° M- 240

Über die drei Teile diefer Schrift: ,1. Der altorien-
talifche Monotheismus', ,11. Vergleichung des altorienta-
lifchen mit dem israelitifchen Monotheismus', ,111. Entftehung
und Gefchichte des israelitifchen Monotheismus'
vermag ich nur zu referieren, indem ich das Referat von
vornherein mit meinem Urteil begleite. Da ich diefes
hier nicht zu begründen in der Lage bin, muß es in
feinen pofitiven Teilen wie eine Art Bekenntnis ausfehen.
Ich glaube, in diefer Form am kürzeften zur Darfteilung
bringen zu können, was der Verf. will, mit deffen An-
fchauung ich hier bekannt zu machen habe.

Der Verf. bringt auf den erften 20 Seiten manche
gute Bemerkungen über altorientalifchen und fpeziell
babylonifchen Monotheismus, d. h. über eine im Polytheismus
latente monotheiftifche Art des Verkehrs mit
der Gottheit und daraufhin auch der Anfchauung von der
Gottheit. Auch in den fpätern Partien diefer Schrift, wo
von der Entftehung des israelitifchen Monotheismus die
Rede ift, kann der Unterzeichnete dem Verf. vielfach
zuftimmen. Ich finde es an verfchiedenen Stellen gut
zum Ausdruck gebracht, daß ein ethifcher Monotheismus,
wie der altteftamentliche, fich nur ausgehend denken laffe
von der Wirkfamkeit einer genialen religiöfen Perfönlich-
keit (S. 65 h 82). Ich würde ftatt von einer einzelnen
Perfönlichkeit mit Bezug auf die altteftamentliche Ent-
wickelung lieber pluralifch von religiöfen Perfönlichkeiten
reden. Aber in ihrer Reihenfolge hat eine erfte den
erften Anftoß gegeben, und infofern in diefem erften
Anftoß die ganze folgende Entwickelung im Keime gefetzt
war (vgl. S. 84), kann man allerdings jene erfte
Perfönlichkeit vor allen andern fich ihr anreihenden als
den Religionsftifter anfehen. Auch darin befinde ich
mich im Unterfchied von andern, die fich hierüber geäußert
haben, in Übereinftimmung mit dem Verf., daß
ich als den Begründer der altteftamentlichen Religion in
dem eben angedeuteten Sinne den Mofe der altteftamentlichen
Tradition anfehe, weil ich unter den Perfönlichkeiten
, von denen uns die altteftamentliche Tradition aus
den Zeiten nach Mofe zu berichten weiß, keine finde, zu
deren Bilde die Rolle des Religionsftifters paffen würde
U>- 85 f.), £s jft allerdings ganz richtig, was erft neuerdings
wieder von anderer Seite ausgeführt worden ift,
daß die äußern Zeugniffe der Gefchichte und die Beobachtung
der volkstümlichen Inftitutionen der Hebräer
uns nicht bis auf Mofe zurückführen; trotzdem aber,
meine ich, kann man ihn nicht entbehren um des Ver-
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ftändniffes des Werdens der altteftamentlichen Religion
willen. Von alle dem, was der Verf. über den Gottes-
begrifT des Mofe zu fagen weiß, von der Art der Geltendmachung
diefes Gottesbegriffs und von der Erfchaffung
volkstümlicher Einrichtungen zum Schutze der neubegründeten
Religion (S. 83), weiß ich nichts. Nach dem
Verf. ftand der .höhere Gottesgedanke' der Propheten
.bereits dem Mofes klar vor Augen' (S. 94). Wie mir
fcheint, läßt fich über die Religion des Mofe nur zweierlei
ausfagen: er hat fich wahrfcheinlich des Gottesnamens
Jahwe bedient und hat von der Gottheit eine folche
Vorftellung gehabt, daß die Propheten von Arnos an
den von ihnen gepredigten Gott als den feit den Tagen
des Aufenthaltes in der Wüfle den Vätern bekannten
darzuftellen vermochten. Ich bin neben diefen Differenzen
in der Sicherheit und dem Umfang deffen, was fich
über die Religionsitiftung des Mofe ausfagen laffe, mit
dem Verf. wieder darin einverftanden, daß der altteftamentliche
Monotheismus fich nicht herausgewachfen denken
laffe aus irgendwelchen Formen des Naturdienftes
oder der Geifterverehrung, und zwar ftimme ich dem
Verf. auch darin bei, daß jene dem Mofe zugefchriebene
Neufchöpfung vollzogen fein wird auf einer bereits vorgefundenen
religiöfen Grundlage, die verfchieden war
von den uns bei andern Völkern bekannten niedern
Formen der Naturvergötterung und des Geifterglaubens
(z. B. S. 76 f. 107).

Mit diefen Momenten hört unfere Übereinftimmung
auf. Der Verf. ftellt zwifchen das, was er über den von
mir fo bezeichneten ,latenten' Monotheismus und über
die von Mofe begründete Religion zu fagen weiß, von
S. 20 an eine Darfteilung des Syftems der babylonifchen
Aftralreligion und ihrer Übertragung nach dem Werten.
Das ift ihm die Religion, die Mofe vorfand. An fie
knüpfte diefer an mit feiner neuen Verkündigung. Das
Aftralfyftem, von dem der Verf. redet, ift das von Winck-
ler gefchaffene. Er gibt davon in Kürze ein Bild, das fo
präzife und verftändlich von der Schule Wincklers noch
kaum gezeichnet worden ift, foweit fich z. B. verftehn
läßt, daß 4 Planeten ,Teilerfcheinungen' find ,der einen
großen Gottheit, die in der Sonne wirkfam ift' (S. 29),
daß Sonne, Mond und Venusftern nach ihren ,analogen
fiderifchen Eigenfchaften' als .Manifeltionen einer und
derfelben göttlichen Macht' erfcheinen .müffen' (S. 32) —
was beides doch in diefer Form viel vorlichtiger ausgedrückt
ift als anderwärts bei den Vertretern des Aftral-
fyftems. Die Beurteilung der gefchichtlichen Exiftenz
diefes Syftems überlaue ich den Affyriologen. An das
Alter der .überall gültigen Gefetze der Aftralreligion'
(S. 72) vermag ich nicht zu glauben; einzelne Haupt-
ftücke für das Syftem find Ausfagen aus der Arfaziden-
zeit, und manche Lücken werden lediglich durch Ver-

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