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Ausgabe:

1906 Nr. 21

Spalte:

587-588

Autor/Hrsg.:

Drews, Paul

Titel/Untertitel:

Der evangelische Geistliche in der deutschen Vergangenheit 1906

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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587

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 21.

588

indem er zeigt, wie die Entwicklungslehre, mittels deren
Haeckel feine moniftifche Weltanfchauung konftruiert,
ohne die notwendige erkenntnistheoretifche Schulung
und irgend welches Senforium für die Bedingungen ge-
fchichtlicher Erkenntnis zu befitzen, weder dem richtig
verftandenen chriftlichen Schöpfungsglauben, noch der
teleologifchen Naturbetrachtung, noch dem chriftlichen
Gottesglauben widerfpricht, während Haeckels natura-
liftifcher Monismus, den er felbft mit Unrecht auf Spinoza
zurückführt, im Innerften unwahr ift, da er den
Gegenfatz überfieht, ,der unfer ganzes höheres Geiftes-
leben beherrfcht, den Gegenfatz zwifchen Sein und Sollen'.

Osnabrück. Rolffs.

Drews, Paul, Der evangelische Geiftliche in der deutfchen
Vergangenheit. Mit 110 Abbildungen und Beilagen
nach Originalen, größtenteils aus dem fünfzehnten
bis achtzehnten Jahrhundert. (Monographien zur deutfchen
Kulturgefchichte. Band 12.) Jena, E. Diederichs
1905. (146 S.) gr. Lex. 8° M. 4—; geb. M. 4.50

Das Werk gibt ein gefchichtliches Bild des evan-
gelifchen Pfarrerftandes von der Reformation bis zur
Wende des 18. und 19. Jahrhunderts. In fünf Abfchnitten:
Die Zeit der Reformation, der Orthodoxie, des dreißigjährigen
Krieges und feiner Folgen, des Pietismus, der
Aufklärung, wird uns der Pfarrerftand in feinem Verhältnis
zur Gemeinde, zur ftaatlichen Gewalt, zum Patronat,
in feinem Amtsbewußtfein, feiner Tätigkeit, feinem fltt-
lichen Zuftande, in feinen Leiden und Freuden unter der
Gunft und Ungunft der Zeit vorgeführt, — ein buntes,
in allen Stadien anziehendes Gemälde. Vorzügliche,
teilweife fehr feltene Abbildungen hat der Herr Verleger
zur Illuflration herbeigefchafft. Nur hie und da hat man
die Empfindung, daß fie, worauf die Einleitung entfchul-
digend hinweift, nicht in direktem Zufammenhange mit
dem Texte flehen; ,fie führen in die religiöfen Stimmungen
vergangener Zeiten vortrefflich ein und machen
ein Stück von der Welt anfchaulich, in der fleh der
Pfarrer bewegt'.

Die (Monographien zur deutfchen Kulturgeichichte'
find zur unterhaltenden Belehrung eines großen Lefer-
kreifes beflimmt. Daher werden nur die Ergebniffe der
Forfchung, bis auf wenige Ausnahmen nicht ihre Quellen
und ihre Literatur, dargereicht. Alle Nachprüfung ift
dadurch ungemein erfchwert, um fo mehr, als die Dar-
ftellung fich aus einer großen Maffe von Einzelfunden
und Einzelnotizen, die ein weitverzweigtes Studium vorausfetzen
, zufammenwebt. Der Name des Verfaffers,
der auf dem Gebiete der Reformationsgefchichte fich
vorteilhaft bekannt gemacht hat, begründet von vornherein
das günftige Vorurteil, daß die Gefchichte des
Pfarrerftandes, die er uns gibt, auf forgfältigem und viel-
feitigem Studium beruht und zuvetläffig ift. Die Zuver-
läffigkeit, die dankbar anerkannt werden foll, wird nicht
dadurch vermindert, daß im erften Abfchnitt unter den
tapferen Streitern wider das Interim der lutherifche
Heißfporn M. Flacius Illyricus mit feinen Gefinnungs-
genoffen, daß im zweiten Abfchnitt die Erwähnung der
dogmatifchen Größen der lutherifchen Orthodoxie vermißt
wird, daß im dritten Abfchnitt die als religiös-
fittlichen Perfönlichkeiten und als teilweife bis in die
Gegenwart fegensreich wirkenden Schnftfieller hervorragenden
Pfarrer: Schuppius, H. Müller, Großgebauer,
Scriver faft nur genannt und die große Zahl h< rrlicher
Kirchenhederdichter aus dem Pfarrerftand nur mit kurzer
Notiz abgetan werden. Nur Johann Valentin Andreae
erfährt eingehende Berückfichtigung; aber den Namen
Johann Arnd erinnere ich mich nicht gefunden zu haben.
Mehr Bedenken erweckt es, daß im dritten Abfchnitt
der leidenfchaftliche Strafprediger Arnold Mengering,
der doch einen guten Teil feiner Anfchuldigungen widerrufen
mußte, als einwandfreier Zeuge für den fittlichen
Zuftand der Pfarrer feiner Zeit und im vierten Abfchnitt
die fchwärmerifchen Separatsten Dippel und Chriftoph
Hochmann als Zeugen für die Schädigung des Pfarrerftandes
durch den Pietismus genannt werden, und daß
wir im fünften Abfchnitt (S. 135) den Satz lefen müffen:
,Eine unübertreffliche, ganz der Wahrheit entsprechende
Schilderung des damaligen Betriebes bei
diefem erften Examen gibt uns die berühmte Jobfiade'.
Die hinzugefügten Kandidatenerzählungen über ihre
Examenserlebniffe dürften doch auch wohl nur mit
großer Vorficht als zuverläffige Gefchichtsquellen anzu-
fehen fein.

Der Verfaffer befchränkt fich in feiner Darftellung
auf die Gebiete der lutherifchen Kirche in Mitteldeutschland
und in Württemberg. Die weftlichen Provinzen,
Rheinland und Weftfalen, infonderheit die reformierte
Kirche am Niederrhein, mit ihrem reichgeftaltigen religiöfen
Leben und der vorbildlichen Stellung des Pfarrers
zu feiner Gemeinde, der Gemeinde zu ihrem Pfarrer,
vornehmlich in der ,Kirche unter dem Kreuz', bleiben
völlig außer Betracht. Was Max Goebel in feinem
dreibändigen Werke: ,Gefchichte des chriftlichen Lebens
in der rhcinifch-weftphälifchen evangelifchen Kirche'
(1841 —1860) und die Veröffentlichungen der Gefellfchaft
für Rheinifche Gefchichtskunde, vor allem die gründlichen
Arbeiten von Ed. Simons, dargeboten haben,
würde in mancher Beziehung dem entworfenen reichlich
düfteren Gefchichtsbilde hellere und fehr viel günftigere
Farbentöne eingefügt haben. — Von kleinen Verfehen fei
bemerkt, daß S. 62 in dem Gedichte Andreaes zu lefen
ift: ,Er nimmt als faul von falfcher Hand, der gilft (d. h.
fchreit), als er den Tod empfand'; d. h. der Bauer, der
mit falfcher Hand dem Pfarrer die Abgaben zahlt,
fchreit, als ob er darüber fterben müßte. S. 89 ift ftatt
Vorbildung zu lefen Fortbildung, S. 134 ftatt Chapeau:
Jabot, ftatt fich erftaunt: erftaunt, durchgängig ftatt Pfarr-
ftand: Pfarrerftand. Irrtümlich ift die Bemerkung S. 109,
daß unter dem Einfluß des Pietismus die öffentliche
Vorbereitung auf die Beichte aufgekommen fei, vgl.
mein Lehrbuch der Prakt. Theol.2 Band 1 S. 604 Anm.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Genestal, Prof. R., Histoire de la Legitimation des enfants
naturels en droit canonique. (Bibliotheque de l'ecole
des Hautes Etudes. Vol. XVIII.) Paris, E. Leroux
1905. (IV, 238 p.) gr. 8"

Verfaffer gliedert feine Darfteilung in zwei Teile.
Im erften behandelt er ,la legitimation ad spiritualia', im
zweiten ,la legitimation ad temporalia1. Unter dem erfte-
ren Gefichtspunkte wird in ziemlich eingehender Weife
die Ausbildung und Bedeutung der irregularitas ex dc-
fectu natalium erörtert und dann die Wege zu ihrer Be-
feitigung befprochen, wobei ausführlich von der Difpen-
fation und der professio religiosa gehandelt wird. Im
zweiten Teile wird zunächft unterfucht, inwieweit für die
Legitimation ad temporalia überhaupt das kanonifche
Recht zuftändig ift. Darauf gibt Verf., von den römifch-
rechtlichen Grundfätzen ausgehend, die Entwickelung
der Legitimation durch nachfolgende Ehe im kanonifchen
Recht und handelt fchließlich von der Legitimation durch
päpftliches Refkript. Das auf gründlichen Studien beruhende
Werk berückfichtigt auch die deutfche Literatur
in ziemlich ausgedehntem Maße.

Kiel. Frantz.