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Ausgabe:

1906 Nr. 2

Spalte:

558-560

Autor/Hrsg.:

Kolde, Theodor

Titel/Untertitel:

Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession mit Melanchthons Einleitung zum erstenmal hrsg. u. geschichtl. gewürdigt 1906

Rezensent:

Bossert, Gustav

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557

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 20.

Sachfen als Feindes der Religion am 9. Jan. 1520, durften
auf Befehl des Papftes nicht in das Protokoll des Kon-
fiftoriums aufgenommen werden, fodaß wir nur durch
einen Brief des zufällig anwefenden Melchior von Watt
von diefem Ereignis, mit dem der Prozeß gegen Luther
nach dem StilKtand des Jahrs 1519 wieder begann, etwas
erfahren. Aber dennoch darf Kalkoff als Ergebnis feiner
Forfchung feftftellen, daß wir alle wichtigen Kundgebungen
jener Jahre mit Ausnahme des Berichts Cajetans über
feine Befprechung mit Luther kennen; diefer Bericht aber
wird fich im wefentlichen mit feinem Brief an den Kur-
fürften von Sachfen 25. Okt. 1518 decken. Manches läßt
fich auch aus den folgenden Urkunden, in die es eingerückt
ift, wiederherftellen, fo die von Kalkoff nach-
gewiefene Bannbulle, welche Miltitz im Okt. 1518 mitbekam
und bei den baggern in Augsburg deponierte.

Schon die erften Kapitel geben viel Licht für die
mannigfachften Fragen, wie die Entftehung der Fiktion
vom Kommifforium des Erzbifchofs von Trier, die angebliche
Inftruktion Cajetans vom 5. Mai 1518, die von
Ranke bezweifelte Echtheit des Breves vom 23. Aug. 1518,
die Gewandtheit der fächfifchen Räte, refp. Spalatins,
fich die geheimften Akten zu verfchaffen, das Verfahren
bei Erhebung von Anklagen bei der Kurie, das rafche
Gerichtsverfahren der apoftolifchen Kammer, das von
Eck erfundene Verzeichnis der durch die Bulle Exsurge
verdammten, zur Verbrennung beftimmten Schriften Luthers
(S. 21).

Den Hauptinhalt der Forfchungen aber bildet einer-
feits die chronologifche Überficht der Akten mit Unter-
fuchungen zu den erften Phafen des Prozeffes, anderer-
feits die Legation Cajetans. Jene Überficht ermöglicht
es, den Prozeß gegen Luther in allen feinen Stadien
genau zu verfolgen, Es ergeben fich jetzt folgende Phafen:

1) Verfuch des Papftes, Luther mit Hilfe der Ordensdisziplin
zum Schweigen und zum Widerruf feiner nova
dogmata zu bringen, wobei die Parallele mit dem Savona-
rolaprozeß S. 43 Anm. 1 und die Beleuchtung der Bedeutung
des Heidelberger Generalkapitels zu beachten ift.

2) Prozeß gegen Luther, angeregt durch eine Denunziation
der Dominikaner beim procuratorfiscalis wegen Ketzerei
Mitte März und eine zweite Mitte Juni, worauf Leo X. dem
auditor camerae den Befehl zur Zitation Luthers erteilt
und den magister sacri palatii Silv. Prierias mit einem
theologifchen Gutachten beauftragt. Schon am 5. Aug.
nimmt Maximilian die Reichsacht, am 23. Aug. der Papft

den Bann und das Interdikt......für Luther und feinen

ungenannten Befchützer und alle Orte, wo er und feine
Anhänger fich aufhalten, in Auslicht. 3) Verhandlungen
Cajetans mit Kurfurft Friedrich und Luther. Cajetans
Inftruktion am 23. Aug. und die förmliche Delegation der
päpftlichen Richtergewalt an ihn II. Sept., Bannbulle im
Okt. und Bulle Cum postquam 9. Nov. 4) Stillftand des
Prozeffes, um Kurfürft Friedrich zum Wahlkandidaten
und Verteidiger des apoftolifchen Stuhles zu gewinnen
vom 23. Jan. 1519 an. Die goldene Rofe und Angebot der
Kardinalswürde für einen der Freunde des Kurfurften.
5) Wiederaufnahme des Prozeffes und zugleich Anklage
gegen Friedrich als Feind der Religion 9. Jan. 1520.
Berufung einer Franziskanerkongregation zur Beratung
über Luthers verdächtige Artikel I. Febr. Berufung einer
zweiten Kommiffion von Theologen: Schonung der Perfon
Luthers, vorfichtige Qualifizierung feiner Schriften 11. Febr.
Verfchärfung der Lage wahrfcheinlich mit Ecks Ankunft.
Knde April hat Eck unter Beruckfichtigung der Löwener
Gutachten 41 Artikel aufgeftellt: Beratung mit einer
Vierer-Kommiffion über die Verdammungsbulle. 15 Juni
Bulle Exsurge domine. 6) Die Verbuche, dem Bann nachhaltige
Wirkung zu fchaffen im Reich. 17. und 18. Juli
Brevia cömmissionis für Aleander und Eck, der am
20. Juli zum Protonotar ernannt wird; 3. Jan. Beftellung
des Erzbifchofs Albrecht, der Nuntien Carraciolo und
Aleander und Joh. Eck zu Spezialinquifitoren der luthe-

rifchen Ketzerei. Der Reichstag in Worms. Diefe ganze
Überficht ift auf eine reiche Literatur und forgfältige
Kritik der Quellen geftützt. Kalkoff gibt aber noch
bis zum Jahr 1531 Auszüge aus dem Konfiftorial-Pro-
tokoll etc., die fehr willkommen find. Vgl. das Verhalten
der Kurie gegenüber Chriftian von Dänemark, das unbekannte
Breve Hadrians VI an Kurfürft Friedrich vom
I. Dez. 1522, (vgl. Beilage 6 S. 208), den Prozeß gegen Erfurt
wegen des Pfaffenfturms 1523. 6. Febr. die Verpflichtung
des Pfalzgrafen Heinrich bei Übertragung der Wormfer
Koadjutorie, seuna cum familia sua Palatino, sumere arma
contra Lutheranas in tlla civitate pro defensione fidei.
26. März 1524, die befcheidenen Reformationsideen Clemens
VII. 1523 14. Dez. 1524 9. Sept. ff., die Gerüchte
über den neuen Kurfürften Johann von Sachfen als Vertilger
des Luthertums. Antrag des Kardinalkollegiums
auf Berufung eines Generalkonzils 1531 10. Aug.

In der zweiten Hälfte feines Buches wendet fich Kalkoff
ganz Cajetan zu, deffen Perfönlichkeit und Legation
in ein neues Licht treten. Kalkoff weift nach, daß der
gelehrte Theologe urfprünglich gar nicht für die Gefandt-
fchaft auserfehen war, fondern der Kard. Farnefe, der fich
krank ftellte, weil er keine .Fakultäten' bekam, alfo nicht
auf reiche Einnahmen zu rechnen hatte. Der Zweck der
Gefandtfchaft aber war ein rein politifcher: Herftellung
eines fünfjährigen Waffenftillftands und Schaffung von
Mitteln zu einem großen Kreuzzug gegen die Türken.
Volle Teilnahme erregt Cajetans Behandlung durch den
intriganten Matth. Lang, der ihn Monate lang aufhält,
bis auch er zum Legaten ernannt ift, ebenfo Cajetans im
ganzen gemäßigte Haltung gegenüber von Luther, obgleich
er der Verfaffer des Briefes Maximilians I an
Leo X vom 5. Aug. 1518 mit dem Angebot der Acht
gegen Luther ift, den Cajetan nach Kalkoffs Ausführungen
mit Hilfe Längs dem Reichsoberhaupt ins Neft zu legen
wußte. Ebenfo kann das fpätere Schickfal des Kardinals
nur Teilnahme erregen. Denn er erfuhr den Undank der
Kurie in fchmerzlichfter Weife, als der Wahlfeldzug
Leos X. mißglückt war, indem er das ihm fchon übertragene
reiche Erzbistum Palermo an eine Kreatur des
Kaifers abtreten und fich mit dem unbedeutenden Bistum
feiner Vaterftadt Gaeta begnügen mußte, ja ganz in
den Hintergrund gerückt wurde und nur unter Hadrian VI.
belfere Tage fah.

Noch wichtiger ift das neue Licht, das auf den Kurfürften
Friedrich in feinem Verhältnis zu Luther und zur
Kurie und befonders auf feine Verhandlungen mit Cajetan
fällt. Doch fehlt der Raum, weiter darauf einzugehen.
Man wird auf Grund von Kalkoffs Forfchungen das Charakterbild
Friedrichs revidieren muffen. Die ganze Arbeit
Kalkoffs, die überall den Eindruck der Gründlichkeit
und Zuverläffigkeit macht, ift ein wertvoller Gewinn für
die Gefchichte der erften Jahre der Reformation und die
Biographie Luthers.

Nabern. G. Boffert.

Kol de, Prof. D. Theodor, Die ältefte Redaktion der Augsburger
Konfelfion mit Melanchthons Einleitung zum
erftenmal herausgegeben und gefchichtlich gewürdigt
(und: Melanchthons Verhandlungen mit Alph. Valdes
und Lor. Campeggi). Gütersloh, C. Bertelsmann 1906.
(IV, 115 S.) gr. 8° M. 2—; geb. M. 2.80

Die Arbeit Koldes fördert unfere Kenntnis der Entftehung
der Auguftana um ein gutes Stück. Sie zerfällt
in zwei Teile. Im erften (S. 1—75) bietet uns Kolde den
Text der älteften bis jetzt bekannten Geftalt des Bekennt-
niffes, im zweiten Teil (S. 76—115) beleuchtet Kolde
Melanchthons Verhandlungen mit Alph. Valdes und Lor.
Campeggi im Gegenfatz zu Briegers Programm ,Zur Gefchichte
des Augsburger Reichstages von 1530' (Leipzig
1903).