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Ausgabe:

1906 Nr. 19

Spalte:

534-536

Autor/Hrsg.:

Wolf, Gustav

Titel/Untertitel:

Aus Kurköln im 16. Jahrhundert 1906

Rezensent:

Virck, H.

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 19.

534

Geiler, Otmar Nachtigall, Volz, Beatus Rhenanus, Murner, 1
Preger, Antonius Engentinus. 2. Die Reformatoren und
ihre theologifchen Helfer, darunter Matthaeus und Katharina
Zell, Wibrandis Rofenblatt, Capito, Bucer, Hedio,
Musculus, Juan Diaz, Symphorian Pollio, Lambert v.
Avignon, Bonifatius Wolfhart, Calvin, Garnier u. a.
3. Diffenters, darunter Karlftadt, Schwenckfeld, Denck,
Hetzer, Kautz, Hoffmann, Franck. 4. Lehrer und Gelehrte
der Reformation, Ärzte, Diplomaten, darunter Gerbel,
Brunfels, Sapidus, Schwebel, Joh. Winthervon Andernach,
Petrus Martyr, Dryander, Sturm, Sleidan. 5. Prediger,
Lehrer und Gelehrte der fpäteren Zeit, darunter Marbach,
Pappus, Flacius, Hotman, Fifchart u. a. 6. Künftler,
Chroniften, u. a. Wallifer, Hans Baidung Grien, Daniel
Specklin. 7. Buchdrucker, darunter Schott, Schöffer,
Knoblouch, Herwagen, Rihel. Mancherlei Unbekanntes
wird geboten, fo Tafel 51 ein Brief Otmar Nachtigalls,
Tafel 58 der Eingang einer bisher unbekannten Schrift
Bucers über Luthers Reformation 1523/24 — hoffentlich erhalten
wir fie bald ganz mitgeteilt — Tafel 70 ein Stück
aus dem Konzepte einer Straßburger Schutzfchnft für
die Reformation zum Augsburger Reichstag 1530, wefent-
lich von Capito flammend, Ficker wird die ganze Schrift
in feiner Gefchichte der Entflehung der confessio Tetra-
politana bringen. Reizend ausgewählt ift (Tafel 56) der
Brief der Wibrandis Rofenblatt an ihren Sohn Johann
Simon Capito, in der Tat ,ein geradezu klaffifches Denkmal
der Mutterforge!' Wenn es das höchfte Ziel von
Handfchriftentafeln fein muß, außer der Schrift auch
gefchichtliche Belehrung zu bieten, fo haben Ficker und
Winckelmann es fich ftets vor Augen gehalten.

Den einzelnen Blättern find Viten der Brieffchreiber
vorangeftellt, knapp, aber alles Wichtige heraushebend.
Es (leckt in den knappen Sätzen ein ganz immenfes
Stück Arbeit! Man bedenke nur, wie mühfelig die Feft-
(lellung von Daten hier ift! Und wie gewinnt manche
Perfönlichkeit an Bedeutung, wie wird manches ungerechte
Urteil fich mildern, und wie wächft vor allem
Straßburgs Bedeutung, das diefe Fülle von Perfönlich-
keiten fein eigen nennen konnte! Nur ein Beifpiel:
Ficker fchließt die vita des Flacius Illyricus mit den
fchönen Worten feiner Straßburger Freunde: Certo stalu-
unt post obitum sanctissimi organi d. Martini Lutheri,
qui se tarn excelso animo ac fortiter furoribus diaboli com-
pluribus opponeret, atquc ipse fecit hactenus et adhuc facit
posthabitis fama opibus fortunisqne omnibus fuisse neminem
- Das in diefen Viten gebotene Hülfsmittel wird fich
den Reformationshiftorikern je länger defto mehr unentbehrlich
erweifen, zumal forgfältige Literaturangaben beigefügt
find. — Zu Tafel 49 bemerke ich, daß von Geilers
Paffion ein Neudruck 1905 in Berlin bei Eisner erfchienen
ift. — Die Briefe von Volz an Erasmus finden fich jetzt
leichter zugänglich als in Bürfchers spicilegia bei Förfte-
mann-Günther: Briefe des Defiderius Erasmus v. Rotterdam
(1904). Hier findet (ich auch S. 444 eine vita von
Volz (zu Tafel 51). — Über Engentinus bringt auch
Einiges Boffert in Ztfchr. f. d. Gefch. des Oberrheins 1904
(zu Tafel 54I, über Lambert v. Avignon Varrentrapp in
feiner Feftrede: Philipp der Großmütige und die Univer-
fität Marburg 1904 (zu Tafel 64). Ungedruckte Schwenck-
feldiana find auch in Marburg (zu Tafel 74). — Die
Texte find, foweit ich nachgeprüft habe, wie nicht anders
zu erwarten, korrekt wiedergegeben, dankenswerte
Anmerkungen erläutern fie.

In der Anzeige des erften Bandes im ,Theol. Jahresberichte
' (22, 585) habe ich den Wunfeh nach einer Studentenausgabe
ausgefprochen, da die nötige Anzahl von
Exemplaren für Übungen zufammenzubringen Schwierigkeiten
hat. Den Wunfeh möchte ich hier wiederholen. Die
inftruktivften Tafeln müßten zufammengeftellt werden — |
ohne Auf löfung natürlich! — dann an den Anfang ein Ver- 1
zeichnis der am häufigften vorkommenden Abbreviaturen
(Abbreviaturenlexika find unter 7 M. m. W. nicht zu |

I haben, die aber kann der Durchfchnittsftudent dafür nicht
! aufwenden) und an den Schluß, wenn es reicht, die lehrreichen
Viten. Könnte das Alles für 3 bis 4 M. gefchaffen
werden, eine lebhafte Förderung der reformationsge-
fchichtlichen Forfchung würde die fichere Folge fein!

Gießen. Köhler.

Wolf, Guftav, Aus Kurköln im 16. Jahrhundert. (Hiftorifche
Studien. Veröffentlicht von E. Ebering. Heft LI.)
Berlin, E. Ebering, G. m. b. H., 1905. (VIII, 341 S.)
gr. 8° M. 9 —

Die Gefchichte des Erzftifts Köln im 16. Jahrh. ift
auf das engfte mit der allgemeinen Gefch. der Reformation
verknüpft. Zweimal wurde der Verfuch gemacht,
das Erzftift zum Proteftantismus überzuführen. Daß dies
mißlang, war für die politifche und kirchliche Geftaltung
der Dinge am Niederrhein, ja mittelbar in ganz Deutfch-
land von der größeften Bedeutung. Diefem Umftand
entfpringt das allgemeine Intereffe, das die Darftellungen
Varrentrapps und Loffens über die Gefchichte des Erzftifts
unter Hermann v. Wied und Gebhard Truchfeß in
Anfpruch nehmen. Wolf gibt uns auf Grund umfangreicher
archivalifcher Forfchungen eine vielleicht nicht
fo anziehende, aber nicht minder lehrreiche Schilderung
der Zuftände im Erzftift während der Zeit, die zwifchen
jenen beiden Verfuchen liegt, fo jedoch, daß die Gefch.
des Erzftifts unter Salentin v. Ifenburg, dem Vorgänger
von Gebhard Truchfeß, dabei nicht mehr berückfichtigt
wird. Angefichts der Tatfache, daß von den 10 Erz-
bifchöfen, die von 1463—1577 in Köln regierten, 3 abgefetzt
wurden, 2 auf ihre Stellung verzichteten, und 3
andere fchon nach einer kurzen Regierung darben und
nur hierdurch vor fchweren Verwickelungen bewahrt
blieben, liegt die Vermutung nahe, daß dem gleichen
oder ähnlichen Ausgang fo vieler Herrfcher eine gleiche
Urfache zugrunde liegen müffe. Wolf fieht fie in der
Befchränkung der kurfürftlichen Macht, wie fie nach dem
Tode Dietrichs von Mörs durch die Beftimmungen des
fogenannten Erbvergleichs und der Wahlcapitulation vom
Jahre 1463 bewirkt wurde. Jene Beftimmungen waren
hauptfächlich aus dem Beftreben hervorgegangen, die
Kurfürften zu hindern, das Stift in Schulden zu ftürzen.
Aber gerade fie wurden die Urfache, daß die finanzielle
Lage des Erzftifts fich von Jahr zu Jahr verfchlimmerte,
da fie die Kurfürften gegenüber den Ständen und dem
Kapitel völlig ohnmächtig machte und ihnen fo die
Möglichkeit nahm, zu rechter Zeit die geeigneten Maßregeln
zur Befeitigung jener finanziellen Schwierigkeiten
zu ergreifen. Diefer Umftand führte fchon unter dem
Nachfolger Dietrichs v. Mörs, dem Kf. Ruprecht v. d.
Pfalz, zum Konflikt zwifchen dem Erzhifchof und den
Ständen. Denn da der erftere bei feinem Verfuche, die
Einnahmen der Regierung zu vermehren, fich von der
Landfchaft und dem Klerus völlig im Stich gelaffen fah,
fo brach er die Verträge und brauchte Gewalt. Aber
er unterlag und wurde zum Verzicht auf feine Würde
gezwungen. Naturgemäß wurde durch diefe Ereigniffe
die finanzielle Lage des Erzftifts noch mehr verfchlechtert.
Indes zeigte das Kapitel doch fo viel Einficht, daß es
durch eine Reihe pekuniärer Opfer, die es brachte, das
Gleichgewicht zwifchen den Einnahmen und Ausgaben
wieder herzuftellen fuchte. Hätte es nur nicht zugleich
die Gelegenheit benutzt, feine Rechte gegenüber den
Erzbifchöfen abermals erheblich zu fteigern. Immerhin
wurde foviel erreicht, daß während der Regierung Hermanns
v. Heffen (1480—1508) und Philipps v. Daun
(1508—1515) leidlicher Friede herrfchte. Erft infolge des
j Evangelifationsverfuches Hermanns v. Wied (1515—1546)
brach der Zwift von neuem aus. Daß Hermann mit
feinen Beftrebungen fcheiterte, erklärt fich nach Wolf
I weniger aus der Überlegenheit der Habsburger Staats-