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Ausgabe:

1906 Nr. 1

Spalte:

525

Autor/Hrsg.:

Brochet, J.

Titel/Untertitel:

La Correspondance de Saint Paulin de Nole et de Sulpice Sévère 1906

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 19.

geneigt, das Probable dadurch zu finden, daß er ange-
fehene Autoritäten abhört. Auch feine Literaturkenntnis
ift zwar achtungswert, aber nichts weniger als erfchöpfend.
Namentlich die katholifche Literatur Deutfchlands, die
ihm für feine Zwecke befonders willkommen hätte fein
muffen, ift ihm zum größten Teil unbekannt geblieben.
Ich nenne nur Wiederholts Auffätze in der Theol.
Quartalfchrift 1869, 1871, 1872, und C. Julius, Die grie-
chifchen Danielzufätze und ihre kanonifche Geltung (in
Bardenhewers Bibl. Studien VI, 3—4) 1901.

Göttingen. E. Schürer.

Brochet, Dr. J., La Correspondance de Saint Paulin de
Nole et de Sulpice Severe. Paris, A. Fontemoing 1906.
(XVI, in p.) gr. 80
Das vorliegende Buch zerfällt in 2 Teile. Der erfte
Teil bemüht fich. eine geficherte Chronologie der Briefe
des Paulin von Nola an Sulpicius Severus zu geben; der
zweite Teil fchildert das Freundfchaftsverhältnis beider
auf Grund ihrer Korrefpondenz. Der erfte Teil unterzieht
die alten chronologifchen Anfätze einer gründlichen Kritik
. Es find 13 Briefe Paulins an Sulpicius Severus, die
auf uns gekommen find, und von denen der ältefte ep. 1
nach allgemeiner Annahme in das Jahr 394, der letzte
ep. 47 nach Brochet ins Jahr 406 gehört, die übrigen in
den dazwifchen liegenden Jahren gefchrieben find. Es
fcheint mir, als ob es Brochet gelungen ift, feine chronologifchen
Anfätze, fo weit dies durch die in den Briefen
fich findenden Anfpielungen auf zeitgenöffifche Ereigniffe
möglich war, wahrfcheinlich zu machen. Es find vor
allem 5 Ereigniffe, die Brochet zur Feftlegung der Chronologie
der Briefe heranzieht, die Rückkehr Rufins aus
den Orient 397, die erfte Reife des Bifchofs Nicetas nach
Rom und der Befuch der Melania in Nola im Jahre 399
und die Veröffentlichung der Vita des heiligen Martin von
Tours, die Sulpicius Severus verfaßt hatte, in demfelben
Jahre in Rom, und endlich die 2. Reife des Nicetas nach
Nola im Jahre 402. Die Darftellung des Freundfchafts-
verhältniffes beider Männer gründet fich auf die 13 Briefe
Paulins und ein kurzes Billet des Sulpicius Severus an
Paulin. Es find Briefe, die alle auf einen Ton geftimmt find,
der immer wieder klingt: Begeifterung für die Askefe.
Der Verfaffer zeichnet mit ficheren Strichen das Charakterbild
der beiden Freunde, beides keine Männer der
Tat, wie Ambrofius, Hieronymus und Auguftin, fondern
kontemplative Naturen, die aufrichtig der Askefe ergeben
energifch mit der Welt gebrochen haben und ganz aufgehen
in der Verehrung ihrer Heiligen, der eine in der
des heiligen Martin, der andere in der des heiligen Felix.
Beide römifche Ariftokraten von edler und reiner Ge-
finnung, nicht fehr reich angelegte Männer, die aber auf
Grund der gemeinfamen Ideale in einem innigen, durch
nichts getrübten Freundfchaftsbund aufs würdigfte das
zeitgenöffifche Chriftentum repräfentieren.

Heidelberg. Grützmacher.

Oriens Christianus. Römifche Halbjahrhefte für die Kunde
des chriftlichen Orients. Mit Unterftützung der Goerres-
gefellfchaft herausgegeben vom Prieftercollegium des
deutfchen Campo Santo unter der Schriftleitung von
Dr. Anton Baumftark. Vierter Jahrgang. Rom 1904.
Leipzig, O. Harraffowitz. (478 S.) Lex. 8° M. 20 —

Der vierte Jahrgang diefer Zeitfchrift hebt fich von
den andern befonders ab. Schon daß Anton Baumftark
felbft vier größere Arbeiten darin veröffentlicht hat, läßt
gutes erwarten. Der Herausgeber des Oriens christianus
befitzt neben feiner großen Gelehrfamkeit ein vorurteils-
lofes gefchichtliches Urteil. Doch möge die Berichter-
rt £Uft8 zuerft einen Auflatz nennen, der nicht von Baumftark
flammt. ,Une nouvellc recension de la vie d'Abercius'

ift der Titel eines Beitrags von dem griechifch unierten
Abbe Batareikh (S. 278—307). Eine kurze wenig befriedigende
Einleitung führt zu einem Texte der vita des
Averkios von Hieropolis, der allerdings eine neue Rezen-
fion genannt werden kann. Diefe Textform foll von
europäifchen Handfchriften nur noch in Paris. Gr. 1540
vertreten fein. Die Benutzte befindet fich in der Bibliothek
des Jerufalemer Patriarchats. Leider ift der Cod. Paris.
nicht verglichen. Das Hauptintereffe wendet fich bei
der Publikation einer Vita des Averkios der bekannten
Grabinfchrift zu. Die Zahl der bedeutenden Varianten
des Cod. Jerus. ift allerdings nicht groß. Im Ganzen
ftimmt er mit dem Colbertinus 1484, nach dem die Bol-
landiften in den AS zum 22 Oktober (Band IX S. 513)
die Grabfchrift herausgegeben haben, überein. Doch
heißt es in v 1 für exXextt]q'. ex TTjg und v 22 xcu XQrjGxij
xaTQiöi dsQajcöZsi yiXia XQVOÖ. fehlt ganz. Desgleichen
fehlt nach der Infchrift die Bemerkung, daß der Text
derfclben durch die Zeit gelitten habe. Und in dem
Abfatz vor Beginn derfelben wird ausdrücklich bemerkt,
daß das smyQauua nur für das Verftändnis der Chriften
! berechnet, den Ungläubigen dagegen unverftändlich fei.
Ein befonderes Intereffe bieten daneben die Auffätze
Baumftarks aus dem liturgifchen Gebiet. Der erfte be-
fchäftigt fich mit einer griechifchen Überfetzung der römi-
fchen Meffe. Sie ift unbekannten Verfaffers und entflammt
wahrfcheinlich dem 15. Jahrhundert. Ihren Urfprung fcheint
fie dem Unionsintereffe zu verdanken. Unvollftändig war
fie fchon von Morelli herausgegeben. Eine zweite Nummer
bildet ,Eine fyrifch-melchitifche Allerheiligenlitanei'. Der
Verfaffer geht auch prinzipiell auf die Litanei- und Exorzismus
-Frage ein. Dabei werden die proteftantifchen
Forfchungen gebührend gewürdigt. Aktuelle Bedeutung
hat der Artikel Baumftarks: ,Die leibliche Himmelfahrt
der allerfeligften Jungfrau und die Lokaltradition von
Jerufalem', der auch noch zum Liturgifchen gehört. Der
Auffatz hat feine Spitze gegen die neue Richtung, die
den Papft Pius X als den Papa dell' Assunzione fehen
möchte, wie Pius IX der Papa de//' Irnmacolata Concezione
heiße. Baumftark betont, daß eine dogmatifche Ent-
fcheidung geradezu gegen hiftorifche Tatfachen doch
undenkbar fei. Seine Feftftellungen führen dann zu dem
Ergebnis, daß die konftantinifche Zeit von einer leiblichen
Himmelfahrt Mariä noch nichts gewußt habe. Die Ur-
1 quelle der Legende flammt auch nach Baumftark aus
den Apokryphen De transitu Mariae etc., die fich auch
in Paläftina Geltung verfchafften. Aber faft noch bis
zur Schwelle des 8. Jahrhunderts hielt fich dort die
Tradition von dem Ruhen des Leichnams Mariä an einem
Orte, der nur Gott bekannt fei. Unter den übrigen Auf-
fätzen fei noch hingewiefen auf F. Cöln: Die anonyme
Schrift,Abhandlung über den Glauben der Syrer' und W.
van Gulik: Die Konfiftorialakten über die Begründung des
uniert-chaldäifchen Patriarchats von Moful unter Papft
Julius III. Der Glaube der Jakobiten (Monophyfiten) ift
wahrfcheinlich von dem Patriarchen Noe von Madin
(Ende des 15. Jahrhunderts) dargeftellt, übrigens recht
phantaftifch. W. van Gulik handelt von der Abfchließung
der Kirchenunion zwifchen Rom und den Neftorianern,
die 1445 in folge des Unionskonzils von Florenz angebahnt
und 1551 durch Begründung eines Patriarchats von
Moful befeftigt wurde. Endlich verdient es noch befon-
dere Aufmerksamkeit, daß Baumftark Zitate und Spuren
von der Petrusapokalypfe in einem äthiopifchen Texte
entdeckt hat. Schon mehr zur Kunftgefchichte gehören
die beiden Artikel desfelben Verfaffers über die vor-
juftinianeifchen kirchlichen Bauten in Edeffa und Jl
mosaico degliApostolinella Chiesa abbaziale di Grottaferata.

Hannover. Ph. Meyer.