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Ausgabe:

1906 Nr. 1

Spalte:

27-28

Autor/Hrsg.:

Schiele, Friedrich Michael

Titel/Untertitel:

Deutscher Glaube. Ein Lesebuch religiöser Prosa zum Schulgebrauch im deutschen Unterricht 1906

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 1.

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der S. 374 angeführten Literatur auch Bode a. a. O. S.
177). Vielleicht hätte bei dem Liede /Wenn meine Sünd
mich kränken . . .' (S. 384 t.) das bei Wetzel, Hymnopoeo-
graphia I S. 324 mit Beftimmtheit Gefenius zugewiefen
wird und deshalb meiftens unter feinem Namen geht,
wenigftens jene Notiz wiedergegeben werden können.
Wahrfcheinlich hat der Herr Herausgeber fie für durchaus
wertlos gehalten und kann für diefe Auffaffung darauf
hinweifen, wie viel Sagen- und Fabelhaftes Wetzeis
Buch enthält. Nach den Vierteljährl. Nachrichten a. a.
O. S. 207 wird ,0 Tod, wo ift dein Stachel nun .. .' ebenfalls
Gefenius, und ,0 Vater der Barmherzigkeit . ..' Denicke
beigelegt, doch entbehren diefe Angaben wohl jeglicher
ftichhaltigen Begründung.

,Herr Jefu Chrift, dich zu uns wend . ..' wird S. 76 f.
unter dem Namen Wilhelms IL, Herzogs zu Weimar,
gegeben, dabei jedoch auf Fifcher, Kirchenlieder, Lexikon
I S. 270 verwiefen, wo die Autorfchaft des Herzogs
als fehr unficher bezeichnet wird. Vielleicht ftände das
Lied richtiger von vorne herein unter den Liedern unbekannter
Verfaffer, und Wilhelm II. würde dann nur an-
merkungsweife als der angebliche Dichter angeführt.

Wir wünfchen der trefflichen Sammlung, mit der
der evangelifchen Kirche eine fchöne Gabe dargeboten
wird, guten Fortgang und weite Verbreitung.

Erichsburg bei Markoldendorf Ferdinand Cohrs.
(Hann.).

Schiele, Sem.-Lehr. a.D. Lic. Friedrich Michael, Deutfcher
Glaube. Ein Lefebuch religiöfer Profa zum Schulgebrauch
im deutfchen Unterricht. (Dürrs deutfche Bibliothek
. Zwölfter Band.) Leipzig, Dürrfche Buchhandlung
1905. (X, 160 S.) gr. 8°.

Geb. Gefchenkausg. M. 3—; Schulausg. M. 1.75

Den Zweck diefes Buches hat der Verfaffer in einem
kurzen gedankenreichen Geleitwort felberfchön und klar
bezeichnet. ,Das Vorbild diefes Buches ift das ;Deutfche
Lefebuch' Wilhelm Wackernagels. W. wußte, wie eng
Frömmigkeit und Wort zufammenhangen, er ahnte die
Geburt der Sprache aus der Religion, und als Lehrmeifter
der deutfchen Zunge handelte er nach der Einficht, daß
der nicht deutfch zu reden weiß, der für die Stimme
des Glaubens taub ift'. ,Die eigentlichen Lefebücher
deutfchen Glaubens find Luthers Bibel und das Gefangbuch
'. ,Aber diejenigen, die von der ,Literatur', der klaf-
fifchen und der modernen, geiftig fich nähren, bedürfen
daneben noch einer befonderen Handreichung: es muß
dafür Sorge getragen werden, daß die von den Schülern
erlernte Literaturfprache nicht dort eine Lücke aufweift,
wo die Sprache des Glaubens ihren Platz und ihr Recht
hat'. Hierfür ift ein Lefebuch nötig, ,ein Lefebuch, das
zeigt, wie in allen Literaturperioden die deutfche Frömmigkeit
fich ihre eigene deutfche Sprache gefchafferi hat;
ein Lefebuch vor allem, aus dem zu lernen ift, daß die
größeften deutfchen Sprachfchöpfer — Goethe voran,
und um ihn die andern Großen, zu denen der deutfche
Unterricht die Zöglinge führt — daß eben diefelben
Männer auch Sprachmeifter frommen deutichen Glaubens
gewefen find'. ,Daß mein Buch etwas anderes ift als ein
,kirchengefchichtliches' Lefebuch, liegt nach alledem
klar auf der Hand. Dem deutfchen Unterricht will es
dienen, nur ihm'.

Wir haben hier alfo, von einem früheren Seminarlehrer
verfaßt, ein Buch, das, entfprechend dem Zweck
der ganzen Sammlung, der Neugeftaltung des deutfchen
Unterrichts dienen will, und zwar an den Oberklaffen
der evangelifchen Seminare; denn in unferen fimultanen
(höheren' Schulen ift, leider, ein folches Buch nicht zu
verwerten, und ein reiferes Alter und Verftändnis fetzt
es doch voraus.

Es ift ein fchöner großer Gedanke, den der Verfaffer

hier als erfter auszuführen unternimmt, und diefer erfte
Wurf ift, im ganzen, vortrefflich gelungen. Mit Vergnügen
habe ich das Büchlein von Anfang bis zu Ende gelefen,
alte Freunde begrüßt und neue gewonnen. In einer finnvollen
Reihenfolge, die am Schluß erläutert wird, werden
uns die verfchiedenften Zeugniffe neuhochdeutfcher
frommer Profa vorgeführt. Wir finden z. B. aus alter
Zeit: die Deutfche Theologie, Luther (21 Seiten), Zwingli,
Joh. Arndt, Jacob Böhme, G. Cober, G. Arnold (die
eigentlichen Väter des Pietismus fehlen). Die neuere
Zeit ift natürlich reichlicher vertreten, die Theologen
z. B. durch Schleiermacher (die wundervolle Predigt bei
der Gedenkfeier für die Königin Luife und kleinere
Stücke), Klaus Harms, Tholuck, Wichern, Naumann (3
Andachten), Harnack (Jefus und Paulus); die Philologen
durch Lagarde und Wcllhaufen; die Hiftoriker durch
E. M. Arndt (4 Mal), Ranke, Treitfchke (die begeifterte
Lutherrede vom November 1883); die Philofophen durch
Kant, (könnte hierzu nicht ein Seitenftück Schillerfcher
Ethik ausgewählt werden?), Fichte und Fechner (nicht
Lotze; ließe fich nicht den Philofophen ein Zeugnis
von einem unferer großen Naturwiffenfchaftler anreihen?);
die Dichter durch Leffing (Teftament Johannis und
Parabel), Claudius (reichlich viel), Herder (freilich die
Befchreibung der Schöpfung aus der ,älteften Urkunde'
ift für unfere Seminariften wohl zu ekftatifch), Goethe
(fünf Mal, am wertvollften find hier die unvergänglichen
Stellen aus den Gefprächen mit Eckermann, zweifelhaft
für den Zweck des Buches fcheint mir das lange Stück
über die drei Ehrfurchten aus Wilhelm Meifter und die
,Reformationskantate' aus dem Brief an Zelter), Immermann
(ein prächtiges Zeugnis kräftiger freier Laienfrömmigkeit
), Keller (fchweizerifches Bettagsmandat), Frenffen
(Jörn Uni und fein Paftor). Schließlich dürfen Peftalozzi
(2 Stücke aus Lienhard und Gertrud) und die lapidaren
Zeugniffe Bismarckfchen Glaubens auch in diefer unvoll-
ftändigen Aufzählung nicht übergangen werden.

Man fieht, wir haben eine Auswahl, die im ganzen
betrachtet, der Sachkenntnis, dem Gefchmack und der
Unparteilichkeit des Verfaffers ein glänzendes Zeugnis
ausftellt. Einzelne Wünfche und Zweifel find angedeutet
; näher darauf einzugehen ift Sache pädagogifcher
Zeitfchriften. Nicht verfchweigen darf ich aber, daß
manche Stücke recht fchwierig find, auch für die Lehrer
, denen doch gewiß nur fehr feiten des Verfaffers
Kenntniffe und Geift zur Verfügung flehen.

Freilich wird dies Bedenken gemildert durch ein
Regifter, in dem für unbekannte Wörter und Sachen,
fowie für die angeführten Schriftfteller, kurz und gut
die nötigen Erklärungen geboten werden. (Es fehlen
Johann Arndt und Zelter.)

An Hörenden Druckfehlern find mir zwei aufgefallen:
im Inhaltsverzeichnis auf S. VIII unter Nr. 21 ift ftatt
1529 zu lefen: 1522 (im Text auf S. 57 richtig), und im
Text auf S. 146 Zeile 2 ,wenig' ftatt ,ewig'. Sonft ift
der Druck klar und korrekt; der Einband ift folide,
fchlicht und gefchmackvoll.

Die Bedeutung des Buches reicht über den nächften
Zweck hinaus. Für Hauslektüre und Schulgebrauch
(durch Vorlefung im Religionsunterricht) empfiehlt es
fich als eine vornehme und wirkungsvolle Apologetik
deutfch-proteftantifchen Chriftentums.

Frankfurt a. M. Schuft er.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
iDeutfcbc Literatur.

Gernandt, C. E., Lehrbuch der altägyptifchen Dogmatik od. der Gottesbegriff
der alten Ägypter, dargeftellt an e. Studienentwurf üb. die Idee
v. dem göttl. Schöpfer, dem Menfchen u. der Sprache. 3. Aufl. Nebft:
Die dynaft. Freimauererei der alten Ägypter od. der Dualismus des
geift. Schöpferbegriffes in kultureller Zufammenfaflg. ausmündend in