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Ausgabe: | 1906 Nr. 17 |
Spalte: | 478-481 |
Autor/Hrsg.: | Zapletal, Vincenz |
Titel/Untertitel: | Der biblische Samson 1906 |
Rezensent: | Baudissin, Wolf Wilhelm |
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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 17.
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Gefichtspunkt aus zu betrachten. Wir haben zahlreiche
literarkritifche und biblifch-theologifche Unterfuchungen
zu unferm Prophetenbuch, es fehlt aber an einer eingehenden
Erörterung der politifchen Seite der Wirksamkeit
des Jefaja. Diefe Lücke will W. ausfüllen, indem
er die Frage zu beantworten fucht, wodurch die doppelte
Stellung des Jef. Affur gegenüber bedingt wurde. Das
Mittel zur Löfung der Aufgabe bietet einerfeits das Jefaja-
buch, das fo, wie es vorliegt, nicht aus der Hand des
Proph. flammt, da es feine ordnende Hand vermiffen
läßt, vielmehr haben wir teils von andern zufammen-
geftellte Redekomplexe, teils wohl Stücke aus einer alten
Jefaja-Biographie wie c. 7. 20. 36fr. vor uns. Andrerfeits
find zur Klarlegung der politifchen Verhältniffe die
affyrifchen Infchriften und die judäifchen Quellen in den
Königsbüchern heranzuziehen. Während der längften Zeit
feiner Wirkfamkeit von etwa 735— 705 hat Jef. eine affur-
freundliche Politik vertreten, wie 85-8, das noch vor den
Einfall der Syrer und Israeliten zu fetzen ift, 171-11.
S i—i. 71-0. 10-ie. 526-30. 718-20, 14 29-82. 281-4. c. 20, der
Drohfpruch aus c. 39, ferner 287-22. 301-17. 31!-* cf-
29 1-4. e. 15, die des Proph. Stimmung kurz vor und nach
705 zeigen, beweifen. Zu erklären ift des Proph. Stellung
zu Affur nicht aus der völlig haltlofen Hypothefe, daß
Jefaja am Hofe des judäifchen Königs die Stellung eines
Kepu hatte d. i. etwa eines affyrifchen Minifterrefidenten,
der die judäifche Politik beauflichtigen follte, fondern aus
feiner Anfchauung von der göttlichen Beftimmung des
Affyrers als Strafwerkzeug in Jahves Hand, das führte
ihn folgerichtig zu der Thefe von der ruhigen Beugung
unter die affyrifche Herrfchaft. Beftätigt wurde feine
Auffaffung durch den jugendfrifchen Auffchwung Affyriens
namentlich unter Tiglat Pilefer, der als Reformator der
innern fozialen Verhältniffe feine äußern Erfolge ermöglichte
, indem er die unter dem Drucke der herrfchenden
priefterlichen Hofpartei brachliegenden Kräfte zu neuem
Leben entband.(?) Wie ganz anders war das in Juda, wo
der von Hofea beklagte greifenhafte Niedergang des
Nordreichs in gleicher Weife fich geltend machte. Nehmen
wir zu alledem noch die glänzenden Waffenerfolge der
Affyrer, die alle Aufflandsverfuche der Vafallenftaaten
niederwarfen, fo wird man des Proph. Stellung begreifen
können.
Wie aber erklärt es fich, daß Jef. bald nach 705
feine Stellung Affur gegenüber geändert hat und daß
aus dem Gerichtsverkündiger für Juda der für Affur
geworden ift? Es ift verkehrt, diefe Wendung zu leugnen,
indem man alle Affur feindlichen Stücke, die wir in unferm
Buche haben, dem Proph. abfpricht. Vielmehr ergeben
fich, nach der Zeit klaffifiziert, folgende Stücke als hieher-
gehörig: das erfte 1028—34, als Sanherib im Frühjahr 701
in Pal. erfchien und von der Külte aus die erften Streif-
fcharen nach Juda fandte, fodann bei wachfender Not
9 l-g. c. 18. In die Zeit der Bedrohung, aber noch vor
die eigentliche Zernierung fällt 37 33-35. 30-32. 10 5—19.24—27.
c. 33, während in die Zeit der Einfchließung 1424-27.
1712—14. 31 5-9 gehören. Auf den Höhepunkt der Krifis
führt 30 27—33 und in die dem Abzug folgende Zeit 3722—29.
Die antiaffyrifchen Ausfprüche drängen fich alfo in die
Zeit des Sanherib-Zuges 701 zufammen. Die veränderte
Stellung des Proph. zu Affur ift 1) bedingt durch die
völlig veränderte Situation: als Jef. feine Tätigkeit begann,
war fein engeres Vaterland in Glück und Glanz, jetzt
die Landfchaft verwüftet, die Städte geplündert und verbrannt
, taufende in die Gefangenfchaft gefchleppt, Staatsund
Tempelfchatz geleert, Jerufalem allein noch übrig
wie eine Hütte im Gurkenfeld. Das allein würde freilich
nicht genügt haben, eine Änderung hervorzurufen, wenn
nicht 2) zugleich eine Änderung in dem fittlich religiöfen
Verhalten des Volks wenigften in gewiffem Sinne erfolgt
wäre, zugleich war auch wohl der Wechfel in der Regierung
von Einfluß: an die Stelle des Ahas war Hiskia
getreten, der jedenfalls zu Jef. eine andere Stellung einnahm
, als jener. Endlich war 3) für diefen Umfchwung
das Verhalten der Affyrer von Bedeutung. Die Hoffnungen
, welche die Davididen an ihre affyrifche Politik
geknüpft hatten, erfüllten fich nicht, denn eine Gebietserweiterung
erreichten fie nicht. An die Stelle des bisher
beliebten Lehnsfyftems trat ein ftrafferes Eroberungsund
Regierungsfyftem, das die Befeitigung der Nationalitäten
durch Verpflanzung der Völkerfchaften ufw. an-
ftrebte. Damit ging Hand in Hand eine zunehmende
Verwilderung in der Kriegsführung, die auf veränderte
innerpolitifche Grundfätze der Großkönige zurückzuführen
ift: an die Stelle des Volksheeres trat das Söldnerheer,
denn Sargon ftützte fich nicht wie Tiglat Pilefer auf
Bürger- und Bauernftand, fondern wieder auf die Priefter-
fchaft, womit eine Niederdrückung jener gegeben war,
was das Verfchwinden der Söhne des affyr. Volkes aus
dem Heere zur Folge hatte. (?) Je mehr die Idee eines
ftrafforganifierten Weltreiches zur Durchführung kam, um
fo mehr fteigerte fich das Macht- und Größenbewußtfein
der affyr. Könige: gerade unter den Sargoniden fehen wir
den alten Begriff des Königtums von Gottes Gnaden zu
einem Gipfelpunkt emporgefchraubt, welcher für einen
jahvetreuen Judäer nur als Vergöttlichung und damit als
Gotteslästerung erfcheinen mußte.
Das ift in kurzen Zügen der Inhalt der klar und
lebendig gefchriebenen Unterfuchung, die fich durch Be-
fonnenheit und eine wohltuende Unbefangenheit in den
kritifchen Fragen auszeichnet. Seine Hauptabficht, des
Proph. Stellung zu Affur durch fchärfere Beleuchtung
der politifchen Situation verständlich zu machen, ist ihm
gelungen, mag man auch zu der einen oder andern Erklärung
fein Fragezeichen machen. An folchen Fragezeichen
wird es freilich bei vielen Lefern nicht fehlen.
So kann ich mich nicht von feiner Erklärung von 7 45
überzeugen: wer 722 lieft, wird kaum geneigt fein, diefelbe
Formel in 7 15 als Zeichen ,eines gefegneten Wirtfchafts-
betriebes' aufzufaffen, und ganz abgefehen davon, auch
im Sinne von W. gedeutet, fchließen fich 7 u—ig nur in
fehr künstlicher Weife zufammen, vielmehr wird immer
die größere Wahrfcheinlichkeit dafür fprechen, daß 7 ig
die Begründung für den Namen .Immanuel' in 714 gibt.
Nicht minder zweifelhaft fcheint mir W.s Erklärung von
7iff.: er findet hier den Gedanken ausgefprochen, daß in
der ruhigen Beugung unter die Herrfchaft des Beauftragten
Jahves d. i. des Affyrers das einzige Mittel der
Rettung für Ahas liege. Von hier nur wäre der fchwere
Konflikt zwifchen Ahas und Jefaja kaum begreiflich, oder
follte wirklich jemand durch den Hinweis darauf befriedigt
werden, daß der König affyrifche Politik vom
realen, Jefaja aber vom idealen Standpunkte aus trieb,
daß der König vom nationalen, der Prophet aber vom
religiöfen Gefichtspunkt aus geleitet wurde? Wäre in
der Tat die Geltendmachung jenes von W. behaupteten
Gedankens des Proph. Abficht und die eben dargelegte
Differenz die einzige gewefen, fo hätte der Proph., um
verstanden zu werden, fich auch anders ausdrücken müffen,
als das in 74 gefchieht. An andern Stellen kann W.
lebhafter Zustimmung gewiß fein: ich erinnere nur an
feine Darlegungen über Musri, in denen er mit fehr
beachtenswerten Gründen den Behauptungen einzelner
Affyriologen entgegentritt. Mag diefe Arbeit aber Wider-
fpruch oder Zustimmung hervorrufen, jedenfalls verdient
fie um ihrer mannigfachen Anregung willen dankbare
Lefer zu finden.
Straßburg i. E. W. Nowack.
Zapletal, V., O. P., Der biblilche Samfon. Freiburg
(Schweiz), Univerfitätsbuchhandlung 1906. (80 S.) 8°
M. 2 —
Die kleine Schrift habe ich zur Hand genommen in
der Erwartung, daß der Verfaffer der kenntnisreichen
Unterfuchung ,Der Totemismus und die Religion Israels'
*