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Ausgabe:

1906 Nr. 1

Spalte:

25-27

Autor/Hrsg.:

Fischer, Albert

Titel/Untertitel:

Das deutsche evangelische Kirchenlied des siebzehnten Jahrhunderts. Nach dessen Tode vollendet u. hrsg. v. W. Tümpel. 2. Band (7. - 12. Lfg.) u. 3. Band (13. Lfg.) 1906

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 1.

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ihm innewohnende Triebkraft wird hoffentlich nicht ruhen,
bis die fo notwendige Erneuerung der armenifchen Kirche
mit den Kräften des Evangeliums erreicht wird.

Die jedenfalls fehr fleißige und, foweit fleh das aus
der Ferne beurteilen läßt, gründliche Unterfuchung glie-
dert fleh in 3 Kapitel: 1) Das heutige Hymnarium
(S 1—28), 2) Gefchichte des Kanons (S. 29—62), 3) Die
Verfaffer (S. 63—104); ein Anhang (S. 105—110) berichtet
über das Kalendarium unmittelbar nach Nerfes Schnor-
hali (1102—1173). Das heutige Hymnarium der armenifchen
Kirche ift ein einheitliches Buch; die letzte Redaktion
hat es in dem Zeitraum zwifchen dem letzten
Drittel des 13. und dem 15. Jahrhundert erhalten, ab-
gefehen von einem Hymnus, der einen Nachtrag aus
dem 15. Jahrhundert bildet. Nach der Zählung des Ver-
faffers enthält das Hymnarium oder Gefangbuch 1150
Hymnen, 13 Lieder, 36 Pfalmenftrophen, die lämthch
alfo zwifchen 1270 und 1400 verfaßt find. Auch in
ihren kirchlichen Gelängen lebt die armenifche Kirche
in der Vergangenheit; was vor 600 Jahren der Ausdruck
des religiöfen Lebens war, gilt unverändert noch heute
dafür, eine Gefchichte des religiöfen Lebens und ein
religiöfes Leben in der Gegenwart kommt nicht zum
Ausdruck.

Die Beftandteile des Hymnariums find 1) Kanones,
2) Reihen von Hymnen, 3) einzelne Hymnen. Unter
Kanones verlieht man die Hymnengruppen, die an je
einem der verfchiedenen Herrenfelltage und an einigen
Heiligentagen gelungen werden. Die Hymnenreihen
find nach 8 Grundmelodien zufammengeflellt, die einzeln
der Reihe nach an den gewöhnlichen Sonntagen
und den meiflen Heiligentagen vorzutragen find,
fo daß diefelben Hymnen nach derfelben Melodie ftets
an jedem achten Fefttage fich wiederholen. Die einzelnen
Hymnen werden als Schmuckftücke der gewöhnlichen
Sonn- und Heiligentage verwandt.

Die Unterfuchungen über die Verfaffer der Hymnen
find hier nicht zu verfolgen. Da eine Überfetzung der
Hymnen dem Referenten nicht zur Verfügung fleht, ift
über den Inhalt des Hymnariums etwas Näheres nicht
anzugeben.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Fifcher, weil. Oberpfr. Superint. a. D. D. Albert, Das
deutfehe evangelifche Kirchenlied des 17. Jahrhunderts.

Nach deffen Tode vollendet und herausgegeben von
Pfr. W. Tümpel. 2. Band (Lfg. 7—12). Gütersloh, C.
Bertelsmann 1905. (VII, 528 S.) gr. 8°

M. 12—; geb. M. 15 —
— Dasfelbe, Lfg. 13. (3.Bd. S. 1—96.) Ebd. 1905. gr. 8°

M. 2 —

Gerade zum 300jährigen Geburtstage Simon Dachs'
deffen wir vor einigen Monaten gedacht haben, hat die
Fifcher-Tümpelfche Sammlung des deutfehen evangeli-
fchen Kirchenliedes des 17. Jahrhunderts den erften Teil
feiner Kirchenlieder gebracht. Dadurch werden diele,
die — wohl um ihres durchweg kafuellen und daher
ftark fubjektiven Charakters willen — nur zum geringen
Teil in die Gelangbücher übergegangen find, die aber
vielfach an Innigkeit und Tiefe und zugleich an poeti-
fchem Wert mit den heften Liedern ihrer Zeit fich meffen
dürfen, vielleicht auch der Gemeinde wieder näher gebracht
werden. Wir haben ja in den letzten Jahrzehnten
befonders durch Herrn. Ofterleys grundlegende For-
fchungen mehrere vortreffliche Ausgaben der Dachfchen
Lieder erlebt, — vor allem von Öflerley felbft in der
.Bibliothek des literarilchen Vereins in Stuttgart' Bd.
CXXX (Tübingen 1876) und darnach in der Kürfchner-
fchen Sammlung der deutfehen National-Literatur Bd. 30,
und außerdem in der Sammlung ,Deutfehe Dichter des

17. Jahrhunderts' von Karl Goedeke und Julius Tittmann
(Leipzig 1876) —, aber diefe Sammlungen dienen rein
wiffenfchaftlichem Intereffe oder haben doch jedenfalls
nicht in erfter Linie den kirchlichen Dichter im Auge,
während Fifcher-Tümpel das wiffenfehaftliche mit dem
praktifch-erbaulichen Intereffe zu verbinden trachten.'
Auch ihre Sammlung der Dachfchen Lieder ftützt fich
auf die Quellen, doch ift es nur ein Gewinn, daß die
vorzügliche Bearbeitung in der Bibliothek des Stuttgarter
literarifchen Vereins zu Hilfe gezogen ift. Ganz
gewiß ift diefe Sammlung feiner geiftlichen Lieder eine
der fchönften Gaben, die zum 300jährigen Geburtstage
des Dichters erfchienen find.

Sie fleht im 13. Heft des Gefamtwerkes, mit dem
deffen dritter, die zweite Hälfte der Periode des Bekennt
nisliedes (1618—1648) mit den preußifchen Dichtern ab-
fchließender Band beginnt. Außer Dach enthält das
Heft vor allem auch die anderen Dichter des Königsberger
Freundeskreifes; Georg Weißel, Bernh. Derfchau,
Georg Werner und Heinrich Albert find mit ziemlich
vielen Liedern vertreten; einige Lieder mehr hätte man
vielleicht von Robert Roberthin gewünfeht. Mögen
feine poetifchen Leiftungen hinter denen der anderen zu-
rückflehen, fo war er doch die eigentliche Seele des
Kreifes und wäre am Ende aus rein literaturgefchicht-
lichem Intereffe mehr zu berückfichtigen gewefen. Doch
werden bei jeder Auswahl die Anflehten über das Aufzunehmende
auseinandergehen; im allgemeinen ift jedenfalls
weife Befchränkung mehr zu empfehlen, als zu
große Weitherzigkeit.

Das 7.—12. Heft bilden den 2. Band des Gefamtwerkes
; er bringt die thüringifchen und norddeutfehen
Dichter aus der Zeit von 1618 bis 1648. Naturgemäß
find von vielen nur i—2 Lieder wiedergegeben; mehr,
als die anderen, find fchon berückfichtigt die Thüringer
Barth. Helder, Fab. Zeißold, Mich. Altenburg, J. Matth.
Meyfart, Andr. Kefler, Joh. Niedling und Joh. Brendel,
der Holfteiner Willi. Alardus, der als Stadtfuperintendent
von Lüneburg — weshalb er zu den Norddeutfehen
gerechnet ift — geftorbene Sigism. Schererz, der Braun-
fchweiger A. Heinr. Buchholtz, der Weftfale Jofua Stegmann
(vgl. bef. die intereffante Bemerkung S. 487 über
,Ach bleib mit deiner Gnade ...') und der Magdeburger
Georg Weber; alle anderen aber überragen weit der
überaus fruchtbare Joh. Rift mit 157 Seiten und die
Herausgeber des .Neuen Hannoverichen Gefangbuchs'
(16466°.), Juft. Gefenius und David Denicke, mit nahezu
100 Seiten.

Daß von Rift neben feinen unvergänglichen Liedern
auch manches aufgenommen worden ift, was mehr den
NamenReimerei verdient, wird jeder billigen. Einmalgehört
auch das dazu, wenn man einen wirklichen Eindruck
von feiner Poefie gewinnen will, und dann mußte er
fchon als Repräfentant feiner Zeit eine fo weitgehende
Behandlung finden. Juft. Gefenius und David Denicke
find ungetrennt behandelt und konnten auch nicht anders
behandelt werden. Wenn nicht noch verborgene
Quellen entdeckt werden, wird es nicht mehr gelingen
feftzuftellen, weifen Eigentum die einzelnen Lieder find;
und es ift wohl kaum auf eine derartige Entdeckung
zu hoffen, zeugen doch fchon die Denicke von Paftor
Heinemann gehaltene Leichenpredigt (Vierteljährl. Nachrichten
von Kirchen- und Schulfachen, Hannover 1855,
S. 206) fowohl wie die von Gerh. Molanus' Hand den betreffenden
Gefängen in einem Hannoverfchen Gefangbuch
von 1672 beigefügten Bemerkungen Jncerti autoris1,
u. dgl. (Bode, Quellennachweis über die Lieder des hanno-
verifchen und des lüneburgifchen Gefangbuchs, Hann.1881,
S. 58) dafür, daß auch die zeitgenöflifchen Urteile über
die Verfafferfchaft der einzelnen Lieder unficher waren.
Gewiß find manche auch aus gemeinfamer Arbeit der
beiden hervorgegangen, und manche mögen überhaupt
anderen Verfaffern zuzufchreiben fein (vgl. darüber aUtfef