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Ausgabe: | 1906 Nr. 16 |
Spalte: | 465-466 |
Autor/Hrsg.: | Dalton, Hermann |
Titel/Untertitel: | Miscellaneen zur Geschichte der evangelischen Kirche in Rußland, nebst Lasciana neue Folge 1906 |
Rezensent: | Kattenbusch, Ferdinand |
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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 16.
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des Werkes ift aus den zwei erften Bänden hinreichend ] Zeit, was Koßmann erzählt. Wie überall fallen für die
bekannt. Aus diefem Bericht erhellt, daß der Verf. der- ( verfchiedenften ruffifchen Dinge (flaatliche, ftaatskirchliche,
felben treu geblieben ift. Die Begeifterung, die ihn erfüllt,
würde eine tiefere Wirkung hervorbringen, wenn fie fich
nicht gleichmäßig über Calvins Leben und Handeln ausbreiten
würde. Daß der Hiftoriker mit befonderen Sch wierig-
Sekten ufw.) Notizen ab.
Den zweiten Teil des Werks bilden neue Laski-Edi-
tionen und Laski-Studien. Neben Kuyper wird Dalton
derjenige fein, der fich am eingehendften mit Laski be-
keiten zu kämpfen hat, wird kein Kundiger in Abrede j fchäftigt hat; f. fchon feine Biographie des Mannes 1881,
ftellen. Angefichts der Schmähungen und Verleumdungen, 1 zuletzt feinen Artikel in PRE3 Bd. XI. Was D. diesmal
die fich von Anfang an über den beftgehaßten unter den als ,Lasciana' bietet, find eine Anfprache Laskis an
Reformatoren ergoffen haben, ift eine kühle und nüch- 1 König Sigismund, 1530, ein Hinweis darauf, daß das von
terne Objektivität vielleicht ein Ding der Unmöglichkeit. j den Herausgebern der Werke Calvins mit Zweifeln dem
Das Einzige, was man zu verlangen ein Recht hat, ift, ; Calvin zugefchriebene (nur anonym vorhandene) Breve
daß die warme Bewunderung, welche den Verfaffer be- | doctrinae de coena Domini compendium mit überzeugenden
feelt, feinen Blick nicht trübe und die Gefchichte nicht Gründen neuerdings für Laski vindiziert worden fei, eine
in einen Panegyrikus ausarten laffe. Man wird D. be- 1 Denkfchrift wider Hofius (i 557?), ein Gutachten in An-
zeugen können, daß er in diefem 3. Bande beftrebt war, gelegenheiten der franzöfifch-reformierten Gemeinde in
diefen Fehler zu meiden; daß ihm diefes Streben immer | Frankfurt a/M., 1556, fchließlich fechs Briefe aus den
gelungen fei, wird gewiß Niemand behaupten. Möge er Jahren 1535—57, darunter einer an Melanchthon. Ift das
in den zwei in Vorbereitung begriffenen Bänden {Le pro- f alles nur eine nicht allzuwichtige Ergänzung der Quellen,
gramme — La lutte et le triompke) fich zur klaren Ruhe ! die Bd. 3 der ,Beiträge' zufammengeftellt hat, fo tritt D.
hindurchringen, die dem gewaltigen Gegenftande ent- j in pofitive Erörterungen über Laskis reformatorifchen
fpricht! Möge ihm vergönnt fein, das großartige Denk- und privaten Charakter ein in einem ausführlichen Aufmal
, dem feine Lebensarbeit gilt, mit der Pietät und fatze, dem er die Überfchrift gibt ,Eine Doppellanze für
dem Freimut zu vollenden, welche allein des glaubens- ' Laski'. Er fetzt fich da in erregter, vielleicht doch
und geiftesmächtigen Reformators würdig ift! [ beffer gefagt, bewegter Weife auseinander mit Kruskes
Straßburg i E P. Lobftein. Schrift Johannes a Lasco und der Sakramentsftreit' 1901
8 I und Kaweraus Auffatz ,Der Reinigungseid des
"-~ " Johannes Laski', NkZ. X. Kruske hat L. als einen
Dalton, D. Hermann, Miscellaneen zur Gefchichte der evan- j mannigfach nicht fehr wahrhaftig erfcheinenden, recht-
gellTchen Kirche in Rußland, nebft Lasciana neue Folge. '' haberifchen, erftzwinglifchen, dannfpezififchkalviniftifchen
(A u d T • Beiträge zur Gefchichte der evange- [ Theologen, immer fchlimmen Treiber hingeftellt. D. wider-
lifchenKircheinRußland.IV.)Berlin,Reuther&Reichard , fP"cht dem doch mit vielen fehr guten Gründen Schon
on; ' | K. Heins Schrift ,Die Sakramentslehre des Johannes
1905. (VIII, 472 S.) gr. 8» • 12 I a Lasko', 1904 hat gezeigt, wie einfeitig Kruskes Dar-
Der greife Verfaffer will mit diefem vierten Bande 1 ftellung orientiert war; D.s etwas breite Auseinanderfeine
Beiträge zur Gefchichte der evangelifchen Kirche fetzung tritt gewichtig daneben. Die Gefchichte des
in Rußland (1. .Verfaffungsgefchichte der evangelifch- ,zweiten Sakramentsftreits' ift noch erft zu fchreiben.
lutherifchen Kirche Rußlands', 1887; 2. .Urkundenbuch D. liebt den Laski vielleicht zu fehr, Kr. mißachtet ihn
der evangelifch-reformierten Kirche Rußlands', 1889; I offenbar. Da wird noch einer wirklich sine ira et studio
3. .Lasciana nebft den älteften evangelifchen Synodal- die Sache einmal behandeln müffen. Kawerau hat die
Protokollen Polens 1555—61', 1898) abfchließen. Erl unklare Gefchichte eines Eides, den Laski in Krakau gebietet
hier noch eineNachlefe aus feinen .Studienblättern' fchworen, wie er und andere glauben, eines Meineides, be-
mit entfprechenden Unterfuchungen; fchade daß er ein 1 handelt. D. ift darüber geradezu entfetzt, des amicus
paar weitere, die er in kleinen Sonderheften hat hinaus
gehen laffen (,Die evangelifche Kirche Rußlands' [drei
Vorträge, über die evangelifche Kirche in Petersburg, in
den Oftfeeprovinzen, im Innern Rußlands], 1890; ,Bifchof
Ritfchls Mitarbeit an dem Gefetz für die lutherifche
Kirche Rußlands', und ,Hugenotten in Rußland', 1893)
nicht mit aufgenommen hat, man hätte dann feine wertvollen
Arbeiten auf diefem wenig beackerten Gebiete
alle beieinander. Was er in diefem Bande mitteilt, ift
folgendes: I. unter dem Spezialtitel ,Miscellanea' vier
Auffätze 1. ,Die ältefte lutherifche Gottesdienftordnung
Rußlands', 2. ,Aus den Anfangsjahren der deutfchen
Anfiedelungen an der Wolga', 3. .Amtsreife eines luthe
Plato, magis ainica verilas nicht ganz eingedenk. Ich
geftehe aber, daß mir fcheint, er habe wider Kawerau
fachlich recht mit feiner Kritik.
Göttingen. F. Kattenbufch.
Noch einmal
Lukas als Verfaffer des 3. Evangeliums und der Apoftelgefchichte
von Adolf Harnack.
_ Die Entgegnung, die mein Freund Schür er der Selbftanzeige meiner
Schrift über Lukas angehängt hat, veranlaßt mich, auf die wichtige Frage
noch einmal zurückzukommen:
i. Schürer fchreibt: die fprachliche Einheit der Apoftelgefchichte ift
liCr-uL^V^al^11 ^"tI551.*^!4"^™ 'ffi^.T ~v^a*Urdht> MiffionS- auch bisner fchon allgemein anerkannt worden. Das ift nicht ganz richtig.
nlchen Paftors in Irkutsk', 4-.^ine eyangelilcbe k™""™ , In ihrem voUen Umfa6ng _ und darauf kommt es an _ ift |iefe Einh/jt
anfiedelung im Kaukafus'. Überall fpürt man die durch
lange Amtswirkfamkeit in Petersburg, durch weit ausgedehnte
Reifen, durch umfaffendeperfönliche Beziehungen,
durch mühevolle Forfchungen in Archiven ufw. gewonnene
reiche, niemandem augenblicklich wohl in gleichem
Maße zur Verfügung flehende Sachkenntnis über die Ver-
hältniffe der evangelifchen Kirche in Rußland. Die Auffätze
inhaltlich hier näher zu charakterifieren, würde zu
viel Raum beanfpruchen. Intereffant war mir befonders
der dritte, der auf einem unveröffentlichten Tagebuch
in Briefen ruht. Paftor Koßmann, deffen Pfarrfprengel
das ganze örtliche Sibirien befaßte, machte 1859 eine amtliche
Befuchsreife befonders auch durch die Verbrecherkolonien
und fchildert anfchaulich, was er erlebte.
Dalton illuftriert mannigfach durch ftatiftifche Mitteilungen,
Vergleich der Verhältniffe auch mit denen der neueren
vor meiner Unterfuchung nicht ans Licht geftellt worden.
2. Sch. bemerkt: ,Das Entfcheidende für Harnack ift die fprachliche
Einheit des Buchs'. Sie ift mir das wichtigfte Argument, aber ich laffe
es in die Wegfchale fallen zufammen mit den beiden anderen, die kaum
minder entfeheidend find, nämlich daß das Gefchichtswerk von einem
Arzt gefchrieben ift, und daß die Zwecke, Intereffen und Erzählungsmittel
der Wirftücke mit denen des ganzen Werks fchlechthin identifch find
(Reifeintereffe, Heilungen, kräftige Wunder, Weisfagungen, ,Geift', Engel-
erfcheinung). Diefe drei Argumente zufammen find m. E. von unwiderleglicher
Kraft, da fchon jedes einzelne für fich faft entfeheidet. Schürer
aber hat die beiden letzten in feiner Kritik überhaupt nicht berührt. Der
Redaktor müßte ein Arzt gewefen fein wie Lukas (alfo nicht nur aus der-
felben Bildungsfphäre (lammen), und er müßte die Quelle nicht nur lexi-
kalifch, grarnmatifch und ftiliftifch vollftändig umgegoffen, fondern ihr
auch feine befonderen Tendenzen eingefügt, d. h. alfo fo gut wie nichts
ftehen gelaffen haben als das ,Wir'.
3. Es ift richtig und von mir felbft nachgewiefen, daß Luk. feine
Quellen fehr ftark überarbeitet hat; aber wo wir diefe Quellen felbft noch
befitzen (Markus und Q), zeigt es fich, daß nur in einigen Verfen die