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Ausgabe:

1906 Nr. 16

Spalte:

454-456

Autor/Hrsg.:

Hurter, H. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Nomenclator literarius theologiae catholicae theologos exhibens aetate, natione, disciplinis distinctos. Tomus I. Editio tertia emendata et aucta 1906

Rezensent:

Walter, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 16.

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fchichte von der Heilung des Ausfätzigen Lk. 512fr. Bezug
, auf die Erlebniffe in Theffalonich die Heilung des
Gichtbrüchigen Lk. 5 17ff. ufw. Zum Beweife für feine
kühne Thefe führt L. vornehmlich gewiffe, durchweg
freilich höchft gleichgültige Wortanklänge in den betreffenden
Abfchnitten des Luk.-Evangeliums an Stellen
der Apoftelgefchichte und der paulinifchen Briefe an.
Der Weheruf über die Reichen Lk. 6 25 >( klingt ihm wie
ein Echo der zürnenden Frage 1 Kor. 4 s r/örj xexoqeOiievoi
eöxe, ?]6rj £jcXovxrj6ax£; In dem xomäöavxeg ovöev
£Xäßofi£V Lk. 5 5 fieht er eine Anfpielung auf Phil. 2 ic:
ovö'e dg xsvbv IxonictOa, denn nur hier noch finde fich
der Aor. des Verbums xomäv in Verbindung mit dem
Gedanken des ,vergebens' arbeiten, dg ayQay Lk. $4
ift ihm möglicherweife eine Hindeutung auf dg xrjv ayoQav
Act. 16im. Nun, das erinnert fchon an die berüchtigte
Ähnlichkeit von Gufiav und Gailhof, abgefehen von der
gegen Act. 1 1 verftoßenden Annahme, daß die Apoftelgefchichte
vor dem dritten Evangelium entftanden fein
foll. — Die Gefchichte vom Gichtbrüchigen hat in Act. 17:1
einen fehr auffallenden Parallelismus nach L. u. a. dann,
daß es hier heißt: Paulus erfchloß die Schriften
(öcavolycov) und legte dar (xaQctxt&EfiEVog), daß Chriftus
leiden mußte (Usi Jta&dv). Denn auch in jener Erzählung
fei von biavolyuv, naQaxid-ivai und jia&Elv die
Rede, fofern die Träger des Kranken durch die Ziegel
des Daches hindurch ein Loch machten und den Leidenden
vor Jefu Füßen hinfetzten. Nur fchade, daß im
Bericht des Evangeliften keins der drei griechifchen
Wörter gebraucht ift! Ebenfo willkürlich ift es z. B., in
Lk. 6 6-11 (Heilung der verdorrten Hand) Beziehungen
auf die Erlebniffe des Paulus in Athen Act. 17 lcff. zu erblicken
. Zwar fei hier nirgends von einer verdorrten
Hand die Rede, aber gnpa bedeute ja auch das Feftland,
und auf die Erde, feftes Land weife ja der Apoftel mehrfach
in feiner Rede auf dem Areopag hin ufw. (S. 43 f.).
Der Ausdruck g^pa kommt hier aber nirgends vor.
— Das Fieber der Schwiegermutter des Petrus Luk. 438
foll auf die fieberhafte Erregung in den galatifchen
Gemeinden wegen der Befchneidungsfrage hindeuten. Erinnerten
doch die Worte nvQExm fiEyaXco in ihrem erften
Teile nur allzu fehr (!) an den griechifchen Ausdruck
für Beichneidung, jtEQixofir], der in Galatien eine fo große
Rolle fpielte' (S. 60f.). Die Frage fcheint fich L. nie
ernftlich vorgelegt zu haben, wie auch nur ein Teil der
Lefer des dritten Evangeliums diefe und andere fo überaus
verdeckten Beziehungen merken und fich deuten
follte, Anfpielungen, die L. felbft zum Teil nur mit
Hilfe der Bruderfchen Konkordanz feftgeftellt zu haben
fcheint.1)

Auch die Luk. 414—6w parallelen Abfchnitte bei
Matth, und Mark, dienen nach unfermVerf. dem Zwecke,
auf die Lebensfchickfale des Apoftels zur Zeit feiner
zweiten Miffionsreife hinzuweifen. Abweichungen von
der lukanifchen Darftellung eröffnen dabei an fich eine
Reihe neuer Beziehungen, doch follen fie dem Nicht-
eingeweihten die Herftellung des richtigen Parallelismus
mit der Gefchichte des Apoftels erfchweren, um fo den
Charakter der Evangelien als Geheimfchriften zu wahren
(S. 63). Es kommt nun aber L. nicht bloß darauf an, derartige
myfteriöfe Anfpielungen in den Evangelien ausfindig
zu machen, er glaubt auch aus ihnen neues Material zur
Rekonftruktion der Gefchichte des Paulus gewinnen zu
können, welches uns die Apoftelgefchichte noch nicht
darbietet. Die Berufung der vier erften Jünger durch
Jefus Mk. 1 ioff. z. B. bezieht fich nach L. auf die Beil
DafUr an einer etwas fpäteren Stelle der Schrift ein eklatantes
Beifpiel. L. findet es S. 104 bedeutungsvoll, daß im ganzen N. T. nur
Lk. 53 die Form jjpum/cu-v, mit v am Schluffe, vorkommt, und fieht
darin einen Wortanklang an Act. 1221: iJßCDiB/C ev{ävaafl£VOg). Nun
findet fich aber iJpcörnaEV auch Joh. 18 m; 1938, — in der Bruderfchen
Konkordanz wird das Wort jedoch fälfchlicher Weife an beiden Stellen
ohne das v am Schluffe angeführt.

! rufung des Silas, Lukas, Titus und Timotheus durch
! Paulus in Antiochien vor Antritt feiner Reife. Über das
weitere Schickfal, Tun und Laffen diefer und anderer
Begleiter des Apoftels weiß dann L. durch allegorifche
Interpretation fo mancherlei aus den Synoptikern heraus-
zulefen, insbefondere hören wir vieles über Simon Magus,
Johannes Markus und Apollos, die den Apoftel in mehr
oder minder feindfeliger Haltung faft überall auf feinem
Zuge durch Kleinafien und Griechenland begleiten und
ihm das Leben fchwer machen. Auch über Beziehungen
des Paulus zur Täufergemeinde, über feinen Anfchluß
an griechifche Myfterien erfahren wir diefes und jenes.
Mehrfach bedauert dabei unfer Autor, trotz feiner alle-
gorifchen Interpretationsmethode doch noch nicht tief
genug in die verborgenen Gedanken der Evangeliften
eindringen zu können. Immerhin ift er gelegentlich geneigt
, felbft einen dreifachen Schriftfinn anzunehmen. In
der Erzählung von den gadarenifchen Befeffenen glaubt
er nicht nur Beziehungen auf die Erlebniffe des Paulus
in Philippi, fondern auch auf Vorgänge der — Schlacht
bei Philippi erblicken zu dürfen (S. 106 ff.).

In den letzten Abfchnitten feiner Schrift fucht L.
durch Exegefe von Joh. 1 1—2 12 das bisher für die Lebens-
gefchichte des Paulus Eruierte noch zu ergänzen, ja wir
werden fodann noch über die Zeit der Wirkfamkeit des
Apoftels hinaus in die zahlreichen Kämpfe eingeführt,
die zwifchen feinen Anhängern und feinen Widerfachern
ausgefochten fein follen. Durch allegorifche Deutung
des pastor Hermae, der älteften Papftkataloge und anderer
Schriftftücke fucht hier L. neues Material zur Gefchichte
des Urchriftentums, fpeziell der von Paulus gegründeten
heiligen Myfterienkirche zu erlangen. Letztere
hatte ihren Mittelpunkt in Korinth, welches den Geheimnamen
Jerufalem führte. Die Widerfacher derfelben. die
vor allem in dem ephefinifchen Rom faßen, haben fich,
wenigftens äußerlich, als die ftärkeren bewiefen. L. will
nun wohl an feinem Teile an der Befreiung Jeru-
falems, worauf der Titel feiner Schrift hinweifen dürfte,
mitarbeiten. D. h. er will den Lebensfchickfalen und der
Lebensarbeit des Paulus, wie fie fich in feiner Wirkfamkeit
zu Korinth konzentrierte, wieder zu ihrem rechten Ver-
ftändnis verhelfen.

Ich muß es mir verfagen, noch genauer auf den
reichen Inhalt des Buches mit feinen zahllofen Wunderlichkeiten
einzugehn. Gelegentlich wie z. B. S. 216 werden
felbft Vers- und Kapitelzahl einzelner Stellen für unferen
Autor bedeutfam, als ob die Einteilung der neuteftament-
lichen Schriften in Kapitel und Verfe bereits aus der
Zeit des Urchriftentums flammte. Wer das Buch felbft
lieft, wird ftaunen über die Fülle von Fleiß und Phan-
tafie, die hier, wie man leider fagen muß, in fo törichter
Weife verfchwendet worden ift.

Königsberg in Pr. R. A. Hoffmann.

Nomenclator literarius theologiae catholicae theologos exhi-
bens aetate, natione, disciplinis distinctos. Tomus I.
Aetas prima. Ab aerae christianae initiis ad theologiae
scholasticae exordia (1109). Edidit et commen-
tariis auxit Prof. DD. H. Hurter, S. J. Editio tertia
emendata et aucta. Oeniponte 1903, Wagner. (XVI p.,
1100 Sp. u. LXX p.) gr. 8° M. 12 —

Hurters Nomenklator ift ein mit der Zeit zu um-
faffendem Umfange herangewachfenes Werk. Die erften
Bände behandelten urfprünglich die nachtridentinifche
kathohfche Theologie; dann kam eine Überficht über die
Zeit von Anfelm bis zum Tridentinum hinzu, und fchließ-
lich entfchloß fich der Verfaffer auch das erfte Millennium
der chriftlichen Ära in den Bereich feiner Veröffentlichungen
zu ziehen. Die merkwürdige Anlage des
Werkes, die fich fomit ergab, ift jetzt in der neuen Auflage
der fachgemäßen chronologifchen gewichen. ,Der fünfte