Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1906

Spalte:

450

Autor/Hrsg.:

Gunkel, Hermann

Titel/Untertitel:

Ausgewählte Psalmen, übersetzt und erklärt. 2., verb. u. verm. Aufl 1906

Rezensent:

Nowack, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. SchÜrer, Prof in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 16.

4. Auguft 1906.

31. Jahrgang.

Vcnetianer, Ezekiels Vifion und die Salomo-
nifchen Waflerbecken (Nowack).

Gunkel, Ausgewählte Pfalmen, 2. Aufl. (Nowack
).

Falter, Beiträge zur Gefchichte der Idee. Teil I.
Philon und Plotin (P. Wendland).

Lisco, Jerusalem liberanda (R. A. Hoffmann).

Nomenclator literarius theologiae catholicae, T. I
ed. Hurt er, ed. 3. (v. Walter).

Weber, Die katholifche Kirche in Armenien
(Kattenbufch).

Angelfächfifche Bibeltexte; geiftliche und weltliche
Epik (Morsbach).

Doumergue, Jean Calvin t. III (Lobstein).

Dalton, Miscellaneen zur Gefchichte der evan-
gelifchen Kirche in Rußland (Kattenbufch).

Noch einmal Lukas als Verfafler des 3. Evangeliums
und der Apoftelgefchichte (Harnack
).

Venetianer, Dr. Ludwig, Ezekiels Vision und die Salomo-
nifchen Wallerbecken. Budapeft, F. Kilian Nachf. 1906.
(40 S.) gr. 8"
Im erften Teil diefer kleinen Schrift fucht V. den
Nachweis zu erbringen, daß jBIX im Hebr. zwei Bedeutungen
habe ,Achfe' und .Schöpfrad' bezw. ,Bewäfferungs-
rinne' = affyr. cpinnu Bewäfferungsrinne, Bewäfferungs-
anlage, keineswegs aber fei JB18 urfprünglich das Wagenrad.
Demnach handele es fich bei den D^Bi» der Salome-nifchen
Wafferbecken um Rinnen, durch welche diefe mit dem
ehernen Meer und untereinander verbunden waren.

Von hier fällt helles Licht auf Ez.s Vifion Kap. I: nur
von der Annahme aus, daß JB"1S Wagenrad fei und aus
Verkennung der richtigen Bedeutung ,Rinne' hat man
hier in Ez. 1 etwas von einer fQDTB. gelefen. Im Targum
Jonathan werden ,Rinnen' mit sniisna überfetzt. ,Hat man
fchon bei den aramäifch fprechenden Nachkommen der
Exulanten diefe den Ophan-lipiwiu vollkommen deckende
Bezeichnung von der Vifion Ezekiels im Gebrauch gehabt,
fo hat die Volksetymologie zu einer Zeit, wo Ophan nunmehr
nur das Rad verftanden wurde, ohne jede Anftren-
gung !-n3"V£j machen können'. Damit verfchwinden alle
Schwierigkeiten in der Vifion des Ez. und wir gewinnen
ein klares Verftändnis für die ganze Symbolik der Vifion.
Ez. fieht einen Ophan auf der Erde, aber diefer eine
Ophan beftand eigentlich aus zwei Ophannim, welche
unten in Winkelform zufammenkamen, wie zwei aneinander
gelötete oder aufeinander gefchraubte Rinnen
nunmehr eine Rinne bilden und fich mit den beiden
Armen bis zur Höhe der Gefichter der Chajjoth erhoben
haben. Der Sinn diefer Vifion ift klar: Ez. ftellt auf
diefe Weife die Wiedervereinigung des Zwölfftämmereichs
unter der Herrfchaft des jerufalemifchen Heiligtums auf
herrlich poetifche Weife dar. Aber die vier Chajjoth?
wird man verwundert fragen. Nichts einfacher als das:
Löwenkopf und Stierkopf find Juda und Ephraim; Rubens
Wappenzeichen ift die Alraunwurzel (dudaim),
feine Wappenfarbe ift rot {adom) und fein Stein im
Bruftfchild des Hohenpriefters ift Odem. Von welcher
Seite man auch das Symbol Rubens betrachtet, immer
wird man an Adam erinnert, alfo bezeichnet der Men-
fchenkopf in der Vifion Rüben q. e. d. Der Adler aber
ftellt den götzendienerifchen Stamm Dan dar, den vierten
Hauptftamm. Da Ez. felbft den König von Babel den
großen Adler nennt (183), fo gilt ihm der Adler für das
Symbol des babylonifchen Götzendienftes, alfo der Adler
= Dan q. e. d. Jedes Wort der Kritik wäre diefer Arbeit
gegenüber zu viel Ehre, für unfere deutfehe wiffenfehaft-
liche Welt auch völlig überflüffig. Offenbar hat der Verf.
diefe erheblich unterfchätzt, als er feine Einfälle deutfeh
drucken ließ.

Straßburg i/E. W. Nowack.

Gunkel, Hermann, Ausgewählte Pfalmen, überfetzt und erklärt
. Zweite, verbefferte und vermehrte Auflage.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1905. (XII, 289 S.)
gr. 8° M. 3.20; geb. M. 4 —

In nicht viel mehr als Jahresfrift ift von Gunkels
Pfalmenerklärung eine neue Auflage nötig geworden, ein
erfreuliches Zeichen für das in vielen Kreifen wieder
lebendig gewordene Intereffe für die biblifche Literatur,
vor allem für das Bedürfnis nach einem gefchichtlichen
Verftändnis derfelben.

Der ausführlichen Charakteriftik des Buches, die ich
in diefer Zeitfchr. 1904 Nr 26 gegeben habe, habe ich
nichts Wefentliches hinzuzufügen. Die belfernde Hand
zeigt fleh an nicht wenig Stellen: ift auch G.s Auffaffung
meift keine andere geworden, fo hat er doch am Ausdruck
gefeilt oder ihn durch eine unferem Verftändnis näher
liegende Überfetzung verftändlicher gemacht, ich erinnere
nur an den Anfang von I'f. 126,901.1 u. a. An einzelnen
Stellen wie 26, 5 I 7 hat er des Metrums wegen früher vorgenommene
Zufätze oder Änderungen fallen gelaffen, an
andern wie 26 6 hat er folche Zufätze jetzt eingefügt;
97 3 lieft er jetzt VVS an Stelle des in den Zufammen-
hang weniger paffenden THJrit; 90 u fcheidet er Pintat»!
mit Recht Gloffe aus ufw. *

Wenn der Umfang des Buches um etwa 20 Seiten
gewachfen ift, fo ift das wefentlich veranlaßt durch die
Vermehrung der literaturgefchichtlichen Beobachtungen,
fowie befonders durch die ägyptifchen und babylonifchen
Parallelen, welche zeigen, wie ftark fich unfere Pfalmen
mit der religiöfen Lyrik diefer Völker, befonders der
Babylonier, berühren. Gerade auf diefem Gebiet hat fleh
in den letzten Jahren ein wiffenfehaftlicher Dilettantismus
breitgemacht, der auf weite Kreife verwirrend gewirkt hat.
Es bedarf keines Wortes, daß davon in diefer Arbeit
keine Rede ift: ohne Voreingenommenheit und mit allen
Mitteln der modernen Religionsgefchichte macht fleh G.
an diefe Aufgabe, und gerade darum gelingt ihm bei aller
Betonung der Verwandtfchaft mit der ägyptifchen und
befonders babylonifchen Pfalmenliteratur die Herausftel-
lung der Eigenart unferer altteftamentlichen Pfalmen.
Möchten namentlich unfere Pfarrer und Lehrer fich auf
Grund des hier vorgelegten Materials eingehender mit
diefen Fragen befchäftigen! Des Dankes aller Lefer kann
G. gewiß fein.

Straßburg j/E. W. Nowack.

Falter, Dr. Guftav, Beiträge zur Gefchichte der Idee. Teil t
Philon und Plotin. (Philofophifche Arbeiten, herausgegeben
von C.Cohen und Paul Natorp. L Band, 2. Heft.)
Gießen, A. Töpelmann 1906. (66 S.) gr. 8° M. 1.20
Die Arbeit fteht unter dem ftarken Einfluß der Marburger
Schule. Das tritt fofort in der einleitenden Be-

449 4SO