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Ausgabe:

1906 Nr. 14

Spalte:

418-420

Autor/Hrsg.:

Mach, Franz

Titel/Untertitel:

Die Krisis im Christentum und die Religion der Zukunft 1906

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 14.

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gibt erft Luthers eigene Dichtungen, dann Stücke der Übersetzung
der poetifchen Bücher des A. T., die dem Geht der
Poefie kongenial iit, aber doch nur uneigentlich zu Luthers
Dichtungen zu rechnen i(t. Unter Luthers eigenen
poetifchen Werken überwiegen feine geiftlichen Lieder,
die Vefper ohne weiteres Kirchenlieder nennt, während
feine deutfchen Gedichte und Sprüche nur fpärlich vertreten
find, indem nur das Märtyrerlied und Magda-
lenchens Grabfchrift und zwei Sprüche Aufnahme fanden,
die doch jedenfalls das Lied von der Frau Mufica und

zum Teil religiöfer (vielmehr fittlicher) Art: den leitenden
Perfönlichkeiten auf ruthenifcher Seite wohnte
anfcheinend wirklich in gewiffem Maße der Wunfeh
inne den überaus fchlimmen innern Verhältniffen ihrer
Kirche Hülfe zu fchaffen, die fie eher erhofften in der
Anlehnung an Rom, als an Konftantinopel; zum Teil
und offenbar mehr, als L. Wort haben will, find es po-
litifche Motive, die beflimmend waren. Die Erhebung
Moskaus zu einem felbftändigen Patriarchat, 1589, durch
Jeremias II, den ökumenifchen Patriarchen, der auch

vom Hofleben verdient hätte. Die Texte find nach der j nach Polen kam und dort Vorkehrungen wider die

Ausgabe von 1545 wiedergegeben, welche die fprachlich
unhaltbare, offenbar durch Schuld des Druckers hereingekommene
Form ,Kyrioleis' gibt, welche Vefper mit
Unrecht beibehalten hat.

Von Luthers Überfetzungen biblifcher Bücher gibt
Vefper 34 Pfalmen, wobei zu bedauern ift, daß der
fchöne 73. Pfalm übergangen ift. Hoheslied und Prediger
hat er in verkürzter Geftalt wiedergegeben und
ab und zu Herders Überfetzung benützt. Nicht recht
verftändlich ift, warum S. 95 Z. 7 das Präfens ,merke ich'
gewählt ift ftatt Luthers ,merkte ich' Qoh. 3,12, das nach
dem Grundtext allein berechtigt ift. 9, 11 —12 hat
Vefper vor 9, 2 gerückt und meint auch fonft: .Gerade
der Prediger hebt fich eigentlich erft dann in feiner
ganzen ftarren Großartigkeit heraus, wenn man die
mildernden, verwirrenden Anhängfei, die Sünden fpäterer
Überarbeiter, entfernt' (S. 5). Es wird fich nur fragen,
ob eine derartige kritifche Arbeit gerade in einer Auswahl
von Luthers Dichtungen angezeigt war.

Nabern. G. Boffert.

Likowski, Weihbifch. Dr. Eduard, Die ruthenifch-römilche
Kirchenvereinigung genannt Union zu Breft. Mit Erlaubnis
des Verfaffers aus dem Polnifchen übertragen von
Domkapit. Regens Prälat Dr. Paul Jedzink. Freiburg
i. B., Herder 1904. (XXIII, 384 S.) gr. 8°

M. 6 —

Der Verfaffer hat in einem früheren zweibändigen
Werke (Gefchichte des allmählichen Verfalls der unierten
ruthenifchen Kirche im XVIII. und XIX. Jahrhundert,
deutfeh von Tloczynski, 1885 u. 87) die Ausgänge der
gefchichtlichen Bewegung, deren Anfänge er diesmal
fchildert, ausführlich dargelegt, nicht zwar die ganzen,
denn er berückfichtigte damals nur die Ruthenen unter
polnifch-ruffifchem Szepter in der angegebenen Zeit,
wohl aber die in den wichtigflen Gebieten diefer Kirche,
denn die fonftigen, in denen fich die Union auch (zum
Teil) erhalten hat, in Öfterreich (Galizien und Bukowina),
find nicht groß im Verhältnis zu jenen genannten. In
gegenwärtigem Werke gibt Likowski (Weihbiichof
in Pofen) auf Grund von Quellen, deren Wert nur nachprüfen
könnte, wer polnifch verfteht, eine gut lesbare,
gefchickte, auch nicht unbedingt parteiifche, wenn auch

durchaus von römifch-kirchlichem Geifte getragene Dar- j mit neuen Hoffnungen. Likowskis Werk ift fleißig, aber
ftellung der Vorgefchichte der Synode zu Breft 1596, I nicht weitblickend genug, um den Lefer fo zu feffeln.

fchon befürchtete Abzweigung der Ruthenen von dem
Zufammenhang mit der orientalifchen Kirche traf, die
fich (nicht alle, aber zum Teil) recht wirkfam erwiefen,
als die ,Union' dekretiert war, die kirchliche Verfelb-
ftändigung Rußlands bedeutete ohne Frage eine politifche
Gefahr für Polen. Denn diefes große Reich war weder
national, noch kirchlich in fleh gefchloffen. Die Ruthenen
waren viel zu zahlreich, auch Inhaber zu großer Teile
des Landes, als daß fie nicht, national den Moskoviten
viel näher verwandt, als den Polen, durch den aufgehenden
Stern Moskoviens angezogen, mit der Zeit zu
Abfallsgelüften Polen gegenüber hätten kommen follen. Die
Überführung ihrer Kirche in die Union mit Rom war
gewiß das belle Mittel, fie bei Polen feilzuhalten, wenn
fie bewerkftelligt werden konnte, ohne daß Klerus und
Volk fich zu fehr aufregten und um ihren Glauben
(Ritus) beforgt wurden. Gerade letzteres ließ fich nicht
erreichen. Das zeigt L. gut. Es find intereffante Kapitel
, in denen er die Wirksamkeit der Männer fchildert,
die dem Strome Trotz boten, der fich nach dem Breuer
Synodalbefchluffe erhob, und die hauptfächlich das ,Ver-
dienft' haben, daß die Union fchließlich in wefentlichem
Umfange gelang, des Hypatius Pociej (erften unierten
Metropoliten von Kiev, nach Michael Rahoza, dem
Schwächling, der die Union .vollzog', aber nicht eigentlich
vertrat), feines Nachfolgers Velamin Rutski (eine fehr
charakteriftifche Figur) und des ,Märtyrers' der Union,
des heiligen Jofaphat Kunzewitfch, Erzbifchof von Polozk.
Mir will fcheinen, daß man die Gefchichte der ,Union
von Breft' erft richtig und vollftändig fchreiben wird
wenn man die eigentümliche gefchichtliche Stellung'
des Ruthenentums zwifchen Polen und Moskoviten näher
ins Auge faßt. Die Ruthenen (Ukrainer, jetzt auch Klein-
ruffen genannt) find die erften und urfprünglichen Träger
des ruffifchen Kirchentums, wie es fich um Kiev konzentrierte
; fie find es, die .eigentlich' auf den Namen der
,Ruffen' Anfpruch haben. Ihre Gefchichte ift von der
Tatarenzeit (13. Jahrhundert) an bis auf die Gegenwart
eine Kette von Widrigkeiten, Bedrückungen (durch die
Polen, zu deren Reich fie feit dem 14. Jahrhundert gehörten
— jetzt feit langem, nämlich feit ihrem teilweifen
Abfall von Polen im Verfolg der Union von Breft,
vollends feit der Teilung Polens, fchlimmer, als durch
jene, durch die Ruffen, d. h. die ,herrfchenden' mos-
kovitifchen ,Großruffen'). Sie tragen fich augenblicklich

auf der die fchon in Florenz 1439 von dem damaligen
Metropoliten von Kiev, Ifidor, eingegangene, damals
nicht durchführbar befundene Ünion zwifchen den Ruthenen
und Rom abermals und mit befferer Vorbereitung,
auch fehr viel feilerem politifchen Hintergrunde be-
fchloffen wurde, dann eine Überficht über die großen
und langen Wirren, die fich an die rafche kurze Aktion
(wenige Tage, 6.— IO. Oktober, reichten für fie) in Breft
anfchloffen, bis Mitte des 17. Jahrhunderts der größte
Teil der ruthenifchen Kirche in der Tat zur Union übergeführt
war. Daß die Jefuiten fehr beteiligt waren bei
der Schließung und Durchführung der ,Union von Breft-
weiß man (es braucht nur an Poffevin und Skarga erinnert
zu werden). Likowski hat aber Recht, wenn er
meint, daß die Zufammenhänge doch größerer Art feien,

wie es fein Stoff wohl vermöchte.

Göttingen. F. Kattenbufch.

Mach, vorm. Obergymn.- Prof. Franz, Die Krilis im Chriften-
tum und die Religion der Zukunft. Ein Weck- und Notruf
an unfere Zeit. Dresden, E. Pierfons Verlag 1905.
(VII, 295 S.) gr. 8« M. 3.50

Pfennigsdorf, Lic. E., Perfönlichkeit. Chriftliche Lebens-
philofophie für moderne Menfchen. Schwerin, F. Bahn
1906. (XVI, 365 S.) gr. 8° M. 4.20; geb. M. 5—; m.

Goldfehn. M. 5.50

Müller, Dr. Johannes, Die Bergpredigt, verdeutfeht und
vergegenwärtigt. Erltes Zehntaufend. München, C. H.