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Ausgabe:

1906

Spalte:

381-383

Autor/Hrsg.:

Vacandard, Elphegius

Titel/Untertitel:

Études de critique et d‘histoire religieuse. I. Série 1906

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 13.

382

gleichfalls herabdrückende Urteil eines mauretanifchen
Bifchofs, daß um das Jahr 300 das Chriftentum die
Mehrzahl der barbarifchen Völker noch unberührt ge-
laffen hatte. ,Zur intenfiven Verbreitung' bringt das
2. Kapitel einige Erweiterungen, betreffend außer einem
,paar Dutzend Rhetoren und Profefforen' (S. 31 f.) vornehmlich
die Beteiligung der Frauen an der chriftlichen
Sache (S. 58 f.); die ,copia pueIlarum' (S. 66) zeigt gelegentlich
, daß etwas von der jetzt vielgehörten Jungweibernot
' fchon damals zu verfpüren war. Am Schlurfe
folgt ein Zufatz über den Kirchenbau (S. 67 ff.). Der Ab-
fchnitt über das Verhalten der Chriften zum und im
Soldatenftand (S. 41 f., vgl. I, S. 348 ü hätte noch fehr
vermehrt werden können durch Einverleibung des
wefentlichen Gehaltes der im vorigen Jahre erfchienenen
Schrift .Militia Chrifti' (vom Unterzeichneten angezeigt
in der ,Hiftorifchen Vierteljahrfchrift' 1906, S, 217t.). Das
Glanzftück diefes Buches bildet natürlich die im 3. Kapitel
angeftellte Umfchau auf allen Gebiete der alten
Welt, von deren Ergebnis eine überrafchend weitläufiges
geographifches Regifter (S. 297—311) Kunde gibt. Im
Vorwort (I, S. IX) lefen wir: ,Die Zahl neuer Orte, in
denen ich das Chriftentum vor Conftantin nachweifen
kann, ift verfchwindend gering — meine Kritiker haben
die Lifte nicht zu vermehren vermocht —; aber ich
habe verflicht, der Schilderung und Ausbreitung der
Religion in den einzelnen Provinzen mehr Farbe zu
geben, und manche verfteckte Stelle herbeigezogen'.
Als Stätten, bei deren Behandlung ein folches Bemühen
und zugleich die unermüdliche Benutzung und Ausbeutung
neuefter Forfchungen (von Burkitt, Nöldeke, La-
bourt, E. Schwartz, H. Achelis und vielen andern) zu erheblichen
Bereicherungen des Stoffes geführt hat, find
vornehmlich Edeffa, Arabien und Armenien zu nennen.
Wie genau die Revifion fich auf jegliches Detail und
die geringfte Minutien erftreckt hat, mag beifpielsweife
die Berückfichtigung der Lesart Gallien 2. Tim. 4,10
dartun (S. 74, vgl. mit I. Aufl. S. 410). Zufuhr von ganz
neuem Stoff bieten zwei Anhänge, die zu dem fchon der
früheren Auflage angehörigen dritten hinzugetreten find.
Ein 4. Kapitel (,Ergebniffe') kommt in den fpärlicher
eingeftreuten Neuerungen zu dem Schluß, daß die Kirche
im Offen den Hellenifierungsprozeß, im Weften den
Romanifierungsprozeß der Provinzialen nur fortgefetzt,
ja befchleunigt hat; dagegen einem mitgeteilten mündlichen
Urteil Mommfens zufolge wäre fchon damals
,das Zentrum' gegründet worden (S. 283). Die Intoleranz
wollte jedenfalls fchon die alte Kirche und mit
ihr Konftantin, welcher fefte Tradition und Autorität
nur noch in der Kirche vorgefunden hat (S. 284 f.). Erft
durch ihn wurde fie im Grunde zur Welt geboren, um
fofort eine bisher unerhörte geiftliche Despotie und
zugleich auch das Mönchtum zu proklamieren (S. 287).
Einem von Seiten vieler Lefer geäußerten Bedürfnis
Rechnung tragend, hat der Verf. dem Buche die in der
Tat fehr willkommene Beigabe von 11 Karten des
römifchen Reichs und einzelner feiner Teile angedeihen
laffen, von welchen die zweite durch vierfach verfchiedene
Abtönung den Ertrag der ganzen Arbeit anfchaulich
macht.

Den Verbefferungen (S. 311) wäre noch ein flehen
gebliebener Druckfehler I, S. 236 Z. 3 v. u. beizufügen
und S. 271 Z. 12 v. u. wäre, nachdem zuvor vom Evangelium
die Rede gewefen, Act. ftatt c. zu fetzen. Unter
den ,Verbefferungen' ift II, S. 311, Z. 9 v. u. 359 in 358
zu verbeffern.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Lespapes et la Saint-Barthelemy. — La condamnation
de Galilee. Paris, V. Lecoffre 1905. (VIII, 390 p.) 8»

Fr. 3.50

Der durch feine Biographie des heiligen Bernhard
auch den deutfchen Fachgenoffen wohlbekannte franzö-
fifche Hiftoriker bietet uns in den 6 Abhandlungen diefes
Bandes die Ergebniffe forgfältiger Nachprüfung mehr
oder weniger fchwebender, durchweg intereffanter Fragen.
Der katholifche Standpunkt des Verfaffers tritt dabei
nirgends in einer die Gruppierung und Beurteilung der
Tatfachen beeinträchtigenden Weife hervor. Überall ift
V. beftrebt, fich felbft nach feinem Satze zu richten (S.
221): ,Pour bien appretier le moyen äge et la Renaissance
(und natürlich auch das Altertum), il est necessaire de
se faire une ante historique, wie äme dlancetre.'

1. S. 1 — 68. Le sorigines du Symbole des apbtres.
Mit erfreulicher Unbefangenheit wird feftgeftellt, daß fich
keine Spur des Credo in der apoftolifchen Zeit findet, und
daß auch die apoftolifchen Väter, insbefondere Ignatius, es
nicht kennen. Daß eine Möglichkeit beftehe, Anklänge
an das Symbol bei Juftin auf Kenntnis der Formel zu
deuten, will V. nicht beftreiten, fügt aber hinzu: ,11
resterait a prouver que le Symbole romain existait deja
a cette epoque.' Aus feinen Schlußbemerkungen muß ich
entnehmen, daß er das für fehr unwahrfcheinlich hält
und ich mich demnach mit ihm leicht auf die Pofition
würde einigen können, die ich jüngft mehrmals vertreten
habe und die mir bei dem jetzigen Stande unferer
wiffenfchaftlichen Erkenntnis als die einzig mögliche er-
fcheint, nämlich daß das Symbol bald nach der juftinifchen
Apologie in der Zeit der Hochflut des Marcionitismus
entftanden ift. Die zur Gefchichte der Entftehung des
Textns receptus fachverftändigen Forfcher feien auf V.s
befonnene Ausführungen über diefen Punkt, bei denen
es fich hauptfächlich um Auseinanderfetzungen mit Burn
handelt, aufmerkfam gemacht.

2. S. 69—120: Les origines du celibat ecclesi-
astique. Die Urfprünge des Zölibats werden in wefent-
licher Übereinftimmung mit anderen fachkundigen For-
fchern, bef. Funk, dargelegt. Ich bemerke, daß noch in der
aus asketifchen Kreifen flammenden, kürzlich von Kugener
zugänglich gemachten Lebensbefchreibung des Severus
von Antiochien (saec. VI) ganz unbefangen erzählt wird,
daß Severus ein Enkel des Bifchofs Severus von Sozopolis
(um 431) gewefen fei. Vermutlich wird aber auch von
diefem Bifchof gegolten haben, was als Regel für die
damalige Zeit feil fleht: ,les eveques maries, en recevant
les saints ordres, avaient coutume de renoncer a leurs droits
conjngaux.'

3. S. 121 —187. Les elections episcopales sous les
Merovingiens. Diefe Studie ftimmt in den Ergebniffen
wefentlich mit dem überein, was Hauck in feiner Abhandlung
über die Bifchofswahlen unter den Merowingern
(Erlang. 1883) ausgeführt hat, ergänzt aber die Einzelbeobachtungen
. Methodologisch richtig ift die Unter-
fcheidung der verfchiedenen Stellung der einzelnen Könige
zur Kirche.

4. S. 189—215. L'eglise et les ordalies. Gottesgerichte
und gerichtlicher Zweikampf werden gefondert
betrachtet und die Stellung der Kirche (fowohl der Theologen
und der Einzelkirchen wie des Papfttums) zu beiden
bis zum Ende des 12. Jahrh. an der Hand der Quellen
verfolgt.

5. S. 217—292. Les papes et la Saint-Barthelemy
. üb es nötig war, dem Vorwurf, daß die Päpfte
auf die Vorbereitung der Bartholomäusnacht Einfluß gehabt
haben, noch einmal entgegenzutreten, weiß ich nicht.
V. felbft führt das Urteil von Soldan an, daß die Quellen

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Vacandard, d. e., Etudes de critique et d'histoire religieuse. , den liefern daß~di7ErdJnT?; d« STaS"

Les origines du symbole des Apotres - Les_ ongmes gufts fich ^^^S^tuß vM-

du celibat ecclesiastique. — Les elections episcopales

r?-%en,.,Und er wird Schwerlich einen ernfthaft zu nehmenden

sous les Merovingiens. — L'eglise et les ordalies. — ! Hiftoriker nennen können, der dem vviderfprechen möchte