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Ausgabe:

1906 Nr. 13

Spalte:

379-381

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf

Titel/Untertitel:

Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. 2., neu durchgearb. Aufl 1906

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 13.

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den Verdacht zu benehmen, daß bei uns ein Duell
zwifchen Theologie und Philologie im Gange fei
(S. VII. 404)-

Eine Erweiterung von 20 Seiten ift eingetreten im
zweiten Teil, wo die Gefchichte des Kanons befonders
wieder infolge der glänzenden Unterfuchungen' von
E. Schwartz, Papias (S. 441 f.) und Aloger (S. 449) betreffend
, und einer Hypothefe Harnacks über Evangelienbildung
(S. 465), aber auch in eingefchalteten Urteilen
über die morgenländifchen Gegner der Apokalypfe
(S. 482 f.), über den fyrifchen Kanon (S. 489 unter Berücksichtigung
der neueften Arbeiten von W. Bauer und
C. Schmidt), endlich auch über den Abfchluß in Reichskirche
und Nationalkirchen des Morgenlandes (S. 495 f.
499 f.) mannigfache Erweiterung erfahren hat. Zu dem
Bericht über Juftin (S. 439) merke ich nur gelegentlich an,
daß mir die in Anfpruch genommene .Keimzelle des neuteft.
Kanons' (vgl. mein Lehrbuch der Einleitung S. 98 f.) aus
Gründen, die Schürer in feiner Rezenfion der 1. und
2. Auflage des vorliegenden Grundriffes (Jahrgang 1895
diefer Zeitfchrift, Sp. 71) angedeutet hat, immer noch
haltbar erfcheint. Der dritte und letzte, der Text-
gefchichte gewidmete Teil bietet über Art und Ent-
ftehung von Lesarten eine große Fülle von neuen, gelegentlich
fortgefetzter neuteftamentlicher Forfchung des
Verf. gemachten Beobachtungen (S. 540 f.), und die Gefüllt
, welche neben der eigentlichen Textkritik infonder-
heit auch die Konjekturalkritik in der unmittelbaren
Gegenwart aufweift (S. 572 f.), findet eine anfchauliche
Darftellung. Gelegentlich fei bemerkt, daß Euthalius
als ,Bifchof von Sulci' verabfchiedet wird (S. 532 f.).

,Zu befonderer Freude gereicht es mir, den meiften
Refultaten Jülichers hinfichtlich der Entftehung der einzelnen
Schriften beiftimmen zu können'. Diefes zur 1.
und 2. Auflage von 1894 gefprochene Bekenntnis
Schürers (a. a. O.) kann ich mir heute noch angefichts
der 5. und 6. aneignen, und nicht minder das jener
Auflage mitgegebene Geleitswort, es möge bei Lehrenden
und Lernenden die gebührende Beachtung finden
und von letzteren nicht bloß gelefen, fondern ftudiert
werden (Sp. 72). So lange folche Wünfche auf Erfüllung
rechnen dürfen, fleht es noch nicht fchlecht um die
Ausfichten einer ebenfo frei wie befonnen zu Werk
gehenden Bibelwiffenfchaft im theologifchen Schulbetrieb
der Gegenwart.

Stehengebliebene Druckfehler begegnen S. 62,
Z. 12 v. u. und S. 72, Z. 20 v. u. I I, ftatt I i2, S. 80,
Z. 16 v. u. 96 ftatt 94, S. 348, Z. 9 v. o. 416 ftatt 445,
S. 439, Z. 8 v. o. 8, ftatt 82.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Harnack, Adolf, Die Million und Ausbreitung des Chriftentums
in den erften drei Jahrhunderten. Zweite neu durchgearbeitete
Auflage. Mit elf (z.Tl. färb.) Karten. 2 Bände.
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1906. g. 8°
M- T3—; geb- M- 'S- i in Halbfaffian M. 16.75

I. Die Miffion in Wort und Tat. (XIV, 421 S.) — II. Die
Verbreitung. (312 S.)

Der 1902 erfchienenen erften Auflage hat in dem ent-
fprechenden Jahrgang diefer Zeitfchrift (S. 640—43) der
Verf. eine Selbftanzeige gewidmet, auf deren, Anlage
und Zweck des Werks betreffenden Inhalt einfach ver-
wiefen fei. Ebenfo wenig foll wiederholt werden, was
zu gleicher Zeit die ,Deutfche Literaturzeitung' (S. 1205
bis 1209) von der Hand des Unterzeichneten zur Cha-
rakterifierung eines Werks gebracht hat, welches, ohne
irgend namhafte Vorarbeiten aufweifen zu können, eine
Neufchöpfung darfteilt, von der man ficher vorausfagen
kann, daß fie auf jede abfehbare Zeit ihren unangefochtenen
Platz in der kirchengefchichtlichen Literatur behaupten
wird. Dies umfomehr, als die vorliegende zweite

Auflage fich in der Tat als ,neu durchgearbeitet' ankündigen
darf und dabei um rund 160 Seiten ange-
wachfen ift, was eine Verteilung des Stoffes auf zwei
Bände zur Folge gehabt hat. Wie forgfam die in der
Zwifchenzeit erfolgten neuen Forfchungen bedacht, wie
aufmerkfam überhaupt die Literatur der letzten Jahre
benützt worden ift, zeigen in den Fußnoten berückfich-
tigte Werke unzähliger, auf theologifchem,philologifchem,
archäologifchem und überhaupt hiftorifchem Gebiet arbeitender
Zeitgenoffen.

Man darf nur fofort das vom Judentum, feiner Verbreitung
und Entfchränkung handelnde erfte Kapitel des
erften Buches (.Einleitung und Grundlegung') in beiden
Ausgaben vergleichen, um von den Bereicherungen, die
fowohl der Text (vgl. S. 15 f.) als das gelehrte Material
der Anmerkungen erfahren haben, eine Anfchauung zu
gewinnen, deren Stärke durch eine dem ganzen Werk
gewidmete Lektüre hindurch fich erhält oder vielmehr
wefentlich fteigert. Überall flößt man auf Erweiterungen,
fei es in Form einzelner eingefchalteter Notizen, fei es
in Form von erheblichen Zufätzen, zumal am Schluffe
der Kapitel. Weggefallen als ,nicht notwendig' (S. IX)
ift im erften Buch, hinter Kapitel 5, bloß ein Exkurs
über das angebliche Apoftelkonzil zu Antiochia (1. Aufl.
S. 52—60), dagegen hinzugekommen ein 6. Kapitel
(,Die Ergebniffe der Miffion des Paulus und der erften
Miffionare'), das als paulinifches Miffionsprogramm, daraus
fich die Richtlinie feiner Reifen auf jeder Station
verliehen läßt, den Gedanken der ,Durchquerung der
Welt' durchführt, natürlich unter der Vorausfetzung,
,daß fich nach rechts und links von der flammenden
Linie das Feuer von felbfl verbreiten wird' (S. 64).

Das zweite Buch (,Die Miffionspredigt in Wort
und Tat') bietet, obwohl ohne alle tendenziöfe Neben-
und Hintergedanken gefchrieben, eine überaus reichhaltige
Sammlung von Material, daraus eine ftreng
hiftorifch verfahrende Apologetik des Chriftentums fich
mit kräftigen Waffen verfehen könnte. In erfter Linie
gilt dies von den herrlichen Kapiteln 2: ,Das Evangelium
vom Heiland und von der Heilung' und 4: ,Das Evangelium
der Liebe und der Hilfsleiftung'. Zwifchen beiden
ift ein Exkurs der früheren Auflage (S. 92—105) zu einem
Kapitel über den Kampf gegen die Dämonen geworden.
Im 5. Kapitel: ,Die Religion des Geiftes und der Kraft'
berührt der Verf. felbfl gelegentlich einmal (S. 179) den
apologetifcherr Wert der von ihm konftatierten Tatfache.

Das dritte Buch (,Die Miffionen; Modalitäten und
Gegenwirkungen der Miffion') ift, abgefehen von zahlreichen
Erweiterungen in Text und Noten und von zwei
kleinen Exkurfen am Schluß des 4. Kapitels, fich felbfl
gleich geblieben. Für nicht fpeziell theologifch gebildete
Lefer, welche fich für die Gefchichte des Chriftentums
, zumal der alten katholifchen Kirche intereffieren,
dürfte diefes und das vorhergehende Buch wohl die
feffelndfte und belehrendfte Partie des Ganzen darftellen,
zumal da die Fülle des Wiffens, die jedem Lefer, mag
er auf diefem Gebiete einigermaßen bewandert fein oder
nicht, Bewunderung abnötigt, ftets von dem fichtenden,
geftaltenden und jegliches Chaos ordnenden und durchleuchtenden
Urteil des Darftellers beherrfcht wird.

Aber erft das vierte Buch (,Die Verbreitung der
chriftlichen Religion') bringt die große Maffe der Ergänzungen
und Erweiterungen in der neuen Auflage.
Es allein füllt den zweiten Band aus. Ein erftes Kapitel
zählt zunächft 30 (ftatt 27) Zeugniffe allgemeiner
Art über Umfang und Stärke der Verbreituug des
Chriftentums auf, beginnend mit den Evangelien, endend
bei Eufebius und Konftantin; darunter auch eine Bemerkung
des Celfus, kurz, aber ,zur Korrektur der chriftlichen
Übertreibungen willkommen' (S. 19), wie denn
auch der Verf. felbfl .mehrere Zehntaufende' der 1. Aufl.
(S. 370) ftillfchweigend reduziert hat (S. 18. 79). Am
Schluffe konftatiert ein neue Note mit Bezug auf das