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Ausgabe: | 1906 Nr. 10 |
Spalte: | 315-316 |
Autor/Hrsg.: | Wächtler, A. |
Titel/Untertitel: | Evangelische Pfarramtskunde. Handbuch für die Amtsführung 1906 |
Rezensent: | Achelis, Ernst Christian |
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315 Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 10. 316
lichften Sinne fei, ja an die Begründung der Beurteilungsnormen
,tiefer oder höher' und des damit gefetzten Maß-
ftabes felbft denkt der Verfaffer überhaupt nicht. Das
verfteht fich für ihn von felbft, wenn man das Gefetz der
Sukzeffionen gefunden hat. Daß kaufale Abfolge und
Wertabftufung etwas ganz verfchiedenes find, und wenn
fie identifiziert werden follen, fie nur vermöge einer fo tiefgründigen
Metaphyfik wie etwa die Hegelfche identifiziert
werden können, das kommt ihm gar nicht in den Sinn.
Es ift der Aberglaube an die durch Generalifation zu
findenden Evolutionsgefetze und an die Löfung aller
Probleme des Wertes durch diefe Evolutionsgefetze in
optima forma und in rührender Harmlofigkeit. So verbreitet
nun freilich diefer Aberglaube ift, die Idee, hierauf
eine felbftändige Unterrichtsdisziplin zu begründen, ift
meines Wiffens dem Verfaffer eigentümlich und fchmeckt
fehr nach dem wiffenfchaftlichen Gründungseifer ameri-
kanifcher Colleges und ,Univerfitäten'. So entdeckt der
Verfaffer auch eine ,Canadian school of comparative re-
ligion'. In feiner Darfteilung der bisherigen Vertretung
und Literatur diefes Faches hat der Verfaffer fehr darüber
zu klagen, daß eigentlich nirgends die Sonderung
der neuen Disziplin von Religionsgefchichte und Religions-
philofophie reinlich vollzogen fei; insbefondere beklagt
er den Eigenfinn der Deutfchen, die die Religionswiffen-
fchaft nur im Anfchluß an philologifche Fachdisziplinen
oder in religionsphilofophifcher Abficht betreiben, die
aber fich fchon weigern, einen Profeffor für alle Religionen
der Welt und noch mehr einen folchen für die bloße Ver-
gleichung diefer von anderen befchafften empirifchen
Daten zu kreiren.
Die Schilderung der Entftehung der neuen Disziplin
ift ebenfo umftändlich als inhaltsarm, die Charakteriftiken
der heutigen Hauptliteratur find fo undeutlich als möglich
. So hat das Buch nur den Wert einer Bibliographie
für alle ,komparativen' Disziplinen, eines Verzeichniffes
aller Lehranftalten für allgemeine Religionswiffenfchaft in
der Welt und einer Selbftwiderlegung der ganzen lediglich
komparativen Theorie, die nur fo behaglich ihre
fämtlichen Geheimniffe auszuplaudern braucht, um erkennen
zu laffen, daß nichts hinter ihnen fleckt, und daß
das, was wirklich hinter ihnen fteckt, gar nicht gefehen ift.
Ilcldclbcig. TroeUfch.
Wächtler, Oberpfarrer A., Evangelifche Pfarramtskunde.
Handbuch für die Amtsführung. Halle a. S., E. Strien
1905. (VIII, 398 S.) 8° M. 6—; geb. M. 7 —
Abgefehen von dem ehemals nicht wertlofen, gegenwärtig
jedoch unbrauchbaren und feit einem Menfchenalter
vom Büchermarkt verfchwundenen Werke von Boche: ,Der
preußifche legale evangelifche Pfarrer' gibt es für das,
was Wächtler in feinem Buche bietet, keine Vorgänger.
Denn das treffliche ,Rechtshandbuch des evangelifchen
Pfarrers' von Brandt (1891) befchränkt fich auf die das
Pfarramt angehenden juridifchen Verhältniffe, es fpricht
über die Rechte, nicht über die Pflichten des Pfarrers,
während die ,Pfarramtskunde' von G. Bittkau (1897) und
,Der praktifche Geiftliche' von J. Haafe (1905) fich vorwiegend
mit den perfönlichen Vorausfetzungen und Bedingungen
für die Amtsführung des Pfarrers befchäftigen.
Wächtler hat fich eine das gefamte evangelifche Kir-
chenwefen umfaffende Aufgabe geftellt; er macht den
Pfarrer mit feinen Obliegenheiten im weiteften Sinne des
Wortes bekannt, mit den rechtlichen Verhältniffen der
Dinge, auf die feine Aufgaben fich beziehen und mit
denen fie in Berührung kommen, mit den Gefetzen und
Verordnungen, an die er fich zu halten hat, mit den
literarifchen und fachlichen Hilfsquellen, die ihm für alle
Vorkommniffe feines Amtes zur Verfügung flehen, mit
den Ordnungen, die er zur ficheren und erfolgreichen
Führung feines Amtes inne zu halten hat. Die außerordentlich
große Detailkenntnis auf all diefen Gebieten,
die uns in dem Werke entgegentritt, verführt den Verfaffer
nicht, fich in den maffenhaften Äußerlichkeiten zu
verlieren und eine tadellofe ,Legalität' des Pfarrers fich
als Ziel zu fetzen, vielmehr wird die Darfteilung getragen
von einer in 35jähriger Amtswirkfamkeit erprobten geift-
lichen Gefinnung, die alle Obliegenheiten in den Dienft
der höchften Aufgabe des geiftlichen Amtes zu Hellen
weiß und überall mit großen Gefichtspunkten operiert.
In 10 Abfchnitten wird der vielgeftaltige Stoff dargeboten
: Der Weg ins Pfarramt. Amt und Stand des
Pfarrers. Die Amtskleidung. Die Gemeindegottesdienfte.
Die Taufe und der Dienft an der Jugend. Die Trauung
und Ehefachen. Das Begräbnis. Das Kirchengebäude.
Allgemeine Verwaltungsaufgaben. Pfarramtliche Vereinsangelegenheiten
. Diefe Titel der Abfchnitte mögen genügen
, eine Vorftellung von der Reichhaltigkeit des Werkes
zu geben. Der Referent kann es nur beklagen, daß
ihm in feiner ehemaligen pfarramtlichen Tätigkeit ein fo
weitfichtiger und eingehender zuverläffiger Ratgeber nicht
zur Seite geftanden hat; jüngeren und älteren Pfarrern
kann er nur die Bitte ausbrechen, das vortreffliche Werk
zum Gewinn einer foliden und fruchtbaren Amtswirkfamkeit
fich zu Nutze zu machen; es ift eine höchft praktifche
Ergänzung der Praktifchen Theologie. Es liegt in
der Natur der Sache, daß die Pfarramtskunde die Tätigkeit
des Pfarrers ins Auge faßt, wie fie unter den gegenwärtig
obwaltenden Verhältniffen geboten ift. Obgleich
es an einigen Punkten nicht an Wünfchen und Vorfchlägen
zur Befferung der Verhältniffe fehlt, hält fich der Verfaffer
doch mit vollem Recht im großen und ganzen von
Kritik und Reformverfuchen fern. In dem ganzen Werk
habe ich Korrigenda nicht zu entdecken vermocht, abgefehen
allerdings von S. 1 und 2, S. 33 und 34, wo die
Verhältniffe im Konfiftorialbezirk Gaffel nicht berück-
fichtigt find. Die erfte Prüfung der Kandidaten wird dort
nicht von der Kirchenbehörde, fondern von der theolo-
gifchen Fakultät als folcher veranftaltet, und die Meldung
zur erften Prüfung gefchieht demgemäß auch bei der
Fakultät. Die Gemeinden haben auch nicht mehr das
Recht, ihren zukünftigen Pfarrer vor der Beftätigung zu
hören und ihr zuftimmendes oder ablehnendes Urteil über
ihn abzugeben; mit Ausnahme einiger wenigen Gemeinden
, die fich das Wahlrecht erhalten haben, lernen fie
alle ihren Pfarrer erft bei feiner Einführung kennen.
Der Druck ift fehr korrekt; der Stil des Verfaffers
ift trotz des bisweilen trockenen Inhaltes angenehm und
aller Ermüdung wehrend. Einige Eigentümlichkeiten,
wie die häufige Schreibung ,alfo . . . daß' ftatt des einfachen
,fo . . daß', und die moderne Inkorrektheit, daß das
Prädikat mit dem unbeftimmten Artikel fubftantiviert wird
(z. B. der Grund ift ein durchfchlagender, der Tifch ift
ein viereckiger), fallen nur dem darauf fahndenden Kritiker
ins Auge.
Möge das Werk die weitefte Verbreitung in den
Pfarrerkreifen finden; es ift des wert.
Marburg. E. Chr. Achelis.
Bibliographie
von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
jDeutfcbe ^Literatur.
Weber, O., Dämonenbefchwörung bei den Babyloniern u. Affyrern. Eine
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der vorderafiat. Gefellfchaft. VII. Jahrg. 4. Heft.) Leipzig, J. C.
Hinrichs'fche Buchh. 1906. (37 S.) gr. 8° M. —60
Laßberg, C. v., Das alte u. neue Teftament als Menfchenwerk od. Wahrheit
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Chriftentums von der alterten bis auf die neuefte Zeit auf tatfachlich
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(XXIV, 651 S.) gr. 8» M. 12—; geb. M. 14 —
Riem, J., Die Sintflut. Eine ethnographifch-naturwiffenfchaftl. Unterfuchg.
(Chriftentum u. Zeitgeift. 9. Heft.) Stuttgart, M. Kielmann 1906.
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Liter Ecclesiastae. Textum hebraicum critice et metrice ed. V. Zapletal.
Halle, R. Haupt 1906. (27 S.) gr. 80 m. —80