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Ausgabe:

1906

Spalte:

9-10

Autor/Hrsg.:

Kaufmann, Carl Maria

Titel/Untertitel:

Handbuch der christlichen Archäologie 1906

Rezensent:

Lietzmann, Hans

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Seite 1

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9

Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 1.

Kaufmann, Carl Maria, Handbuch der chrittlichen Archäologie
. Mit 239 Abbildungen. (Wiffenfchaftliche Handbibliothek
. Dritte Reihe V.) Paderborn, F. Schöningh
1905. (XVIII, 632 S.) gr. 8« M. 11 —

Ein , wiffenfchaftlich.es Kompendium der chriftlichen
Archäologie' darf bei dem in immer weitere Kreife dringenden
Intereffe für diefe Wiffenfchaft auf große Beachtung
rechnen und wenn es aus der Feder eines Mannes
flammt, der fich längere Zeit hindurch dem Studium
einer großen Gruppe der Originaldenkmäler unter fach

ftatt der auf S. 205—228, 237—257 im Plauderton erzählten
Sachen wäre eine knappe Statiftik über örtliche
und zeitliche Verteilung der einzelnen Formeln zu wün-
fchen gewefen. In dem Kapitel über Malerei wird S. 292
allerlei über W.lperts chronologifche Studien zu den
Katakombenfresken gefagt: nur nicht die Hauptfache,
daß er nach den Kleidermoden zu datieren gelehrt hat.
Am verhängnisvollften ifl das Prinzip der Mitteilung
fertiger Refultate bei der Befprechung des Fifchfym-
bols geworden: was de Roffi, Achelis, Wilpert und Ufe-
ner dazu beigebracht haben, wird mit keiner Silbe erkundiger
Leitung hat widmen können, fo wird man es j wähnt, fondern lediglich S. 294 im Anfchluß an Mo
mit befonders gutem Vorurteil in die Hand nehmen. > wat ein Unfinn vorgetragen, den ein Blick in den Kaifer-

Und diefes Vorurteil wird durch die einleitenden Kapitel
durchaus beftätigt: die ,Gefchichte der chriftlich-ar-
chäologifchen Forfchung' ifl bis auf die jüngfte Gegenwart
recht gewandt gefchrieben, und die .Topographie
der altchrifllichen Denkmäler' Hellt einen überaus nütz

index einer griech. Infchriftenpublikation (z. B. in Ditten-
bergers lnscr. Sylloge III2 189 oder jetzt Orient, inscr.
II 618) hoffentlich verhütet hätte. Überhaupt leidet das
Kapitel ,fymbolifche Zeichen und Bilder' flark an dem
mangelnden Verfländnis K.s für das Verhältnis der altlichen
Zettelkaften dar: daß er ungleichmäßig gearbeitet | chriftlichen zur antiken Kunft. Die folgenden ausfuhr-
ilt, liegt ja in der Natur der Sache und fällt nur bei ' liehen ikonographifchen Kapitel find erheblich beffer ge-
Rom und Ravenna hinfichtlich der Literaturangaben fo- j raten — nur daß fie am falfchen Platze flehen: fie gehören
fort unangenehm auf. Die eigentliche Darfteilung da- | ans Ende des ganzen Buches. Die Beurteilung des
gegen läßt eben das, was wir notwendig brauchen, zu j Freskos aus Cagliari S. 345 ifl ftcher falfch, und wo K.
wünfehen übrig und bringt ftatt einer Einfuhrung in die j von Wilpert abweicht, hat er feiten recht. Sehr dürftig
wiffenfchaftliche Arbeit nicht mehr als eine von ftarken j ifl dagegen wieder der Abfchnitt über Plaftik: von Riegls
Irrtümern nicht freie populäre Erzählung. K. erklärt i Neudatierung der Sarkophage ifl gar nicht die Rede; daß
in der Vorrede S. VIII, er habe fich redlich bemuht | Strzygowsky eine Gruppe zufammengehöriger Sarko-
die ungelöften Probleme .nicht alle vorzulegen, fondern phage mit hoher Wahlfcheinlichkeit als kleinafiatifch
eine plaufible Löfung auf Grund befter Gewährsmänner | naengewiefen hat, erfahren wir nicht, obwohl S. 508 von
und eigener Einficht vorzufchlagen': das ifl dem Buch j dem einen Relief gefprochen wird; ebenfowenig daß der-
verhängnisvoll geworden, denn der Lefer bekommt nun felbe Gelehrte die Porphyrfarkophage für Ägypten in
fertige Refultate vorgefetzt, ohne zu erfahren, wie fie j Anfpruch nimmt. Als Holzfkulpturwerk wird nur die
gewonnen find. Den für diefe Erörterungen nötigen, i Tür von S. Sabina befprochen: daß Goldfchmid das
Raum hätte Verf. durch Streichung vieler überflüffiger, Portal von S. Ambrogio in Mailand als altchriftlich.es

Erzählungen reichlich gewonnen. So bleibt in der Ba-
filikafrage Lange, Haus und Halle unerwähnt, die modifizierte
Krausfche Thefe wird als ficheres Refultat vor-

Originalwerk nachgewiefen hat, wird nicht einmal erwähnt
! Auch bei den folgenden Kapiteln wäre noch manches
Fragezeichen anzubringen, aber alle folche Einzelgetragen
, und der Befund der orientalifchen Bauten da- ausllellungen treten zurück hinter der Tatfache, daß

mit S. 149 wohl oder übel harmonifiert. Es folgt eine
fyftematifche Befprechung der einzelnen Bafilikateile,

K. fich fein Ziel falfch gefleckt hat: wir brauchen eine
klare Einführung in die wiffenfchaftliche Forfchung auf

und dann erft ift von orientalifcher und afrikanifcher ! diefem Gebiete; ein Buch, aus dem der Student lernen

Architektur die Rede. Man fieht, wie die ganze Anord
nung unter dem .römifchen' Geftchtspunkt getroffen ift,
und alles Lob, das z. B. Strzygowsky bei jeder Gelegenheit
erhält, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der
Lefer weder erfährt, was diefer Gelehrte an pofitiven
Tatfachen denn eigentlich neues beigebracht hat — die
unbewiefenen Hypothefen durfte K. ja ruhig weglaffen —,
noch was fich daraus für die Entwicklungsgefchichte
der Kunft ergibt. S. 162 wird z. B. einfach eine Rezen-
fion Sauers über Strzygowsky abgedrukt: dasfelbe wieder- I Giduljanow, Priv.-Üoz. Paul, Die Metropoliten in den erften
holt lieh S. 170 bei der Befprechung der Zentralbauten, die drei Jahrhunderten der Chriltenheit. (Aus: Gefchichte der
ganz befonders kärglich behandelt werden. Der Epigraphik | Entwicklung der Kirchenverfaffung in dem oflrömifchen
find S. 191—274 gewidmet. Die vortreffliche Differtation n • u rr- i»,rÄO.K*. kmi a/i 1 M • r±

C. Caefars Obsefvationcs ad actatem titul. tat. christ. de- Je,ch-) ifn ruffifcher Sprache.j Moskau, Univerfitats-

kann, was bisher erarbeitet ifl, wie man die Refultate
gewonnen hat, wo und wie weiter zu arbeiten ift. Was
K. vorfchwebte, das hat F. X. Kraus im erften Bande
feiner Gefchichte der chriftlichen Kunft — den K. fo-
wohl S. V wie S. 49 hätte erwähnen müffen — ungleich
beffer geleiftet.

Jena- Hans Lietzmann.

finundam spectantes (Bonn 1896) ift hier ebenfo wenig
benutzt, wie Buechelers klaffifche Sammlung der Carmi-
na latina epigraphica. Auch hätte ein Hinweis auf Lar-
felds und Hubners Handbücher fich gelohnt — daß er
fehlt beruht, auf der völligen Ifolierung, in der K. die
.chriftliche' Epigraphik behandelt, und die zu fchiefen
Urteilen auf Grund des unvollftändigen Materials führt,
fo namentlich S. 20off über Datierung. Für die Abkürzung
D. M. war auf die Sammlung bei Cabrol Dic-
tionnaire I 169fr (1903 erfchienen) zu verweilen; was
XM/T heißt, wiffen wir feit 1897 ftcher (Grenfell- Hunt
Greek Papyri II p. 167, jetzt Cabrol Dia. I 6 p. 1691):
unverftändlich ift mir die Auflöfung von F. C. durch
.ficri (feci) curavif. Was über refrigerium gefagt wird,
ift äußerfl mager: Rohdes Anregungen Pfyche II2 391
bleiben unbeachtet. Wegbleiben konnte ohne Schaden
die ausführliche Befprechung der Aberkiosinfchrift
(S. 229—237!) wie die Konfullifte (S. 258—274), und

Druckerei 1905. (VIII, 377 S. m. 1 Karte.) gr. 8°

Auf diefe Unterfuchung foll hier wenigftens hin-
gewiefen werden; fie durchzuarbeiten fehlt mir die Zeit.
377 gr°ße, engbedruckte Seiten über die Metropoliten
bis zum Nicänum! Man follte denken, daß fich auf dem
vierten Teil des Raums bequem Alles fagen ließe, was
hier überhaupt gefagt werden kann. Aber die neueren
ruffifchen Arbeiten zur alten Kirchengefchichte leiden
durchweg an Weitfchweifigkeit. Zum Teil ift fie durch
eine wahrhaft fkrupulöfe Beachtung und Benutzung der
einfchlagenden Literatur verurfacht — auch das vor-
ftehende Werk zeigt in diefer Hinficht den ftaunens-
werteften Fleiß —, zum Teil durch ungenügende Abgrenzung
des Stoffs. Dazu kommt aber noch, wenn ich
fo fagen darf, ein Mangel an wiffenfehaftlichem Mut.
Indem die ruffifchen Gelehrten auf die neueren Methoden
und Frageftellungen der kritifchen Forfchung in der
Kirchengefchichte eingehen, bewegen fie fich in der