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Ausgabe:

1906 Nr. 10

Spalte:

302-304

Autor/Hrsg.:

Heinrici, C. F. Georg

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Geschichte und Erklärung des Neuen Testamentes. III. 1. Hälfte: Die Bergpredigt 1906

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1906 Nr. 10.

302

Ordnung ift Gott. Aus der folgenden Zeit ragt noch
,Maleachi' hervor; denn feine Wertfehätzung der Ehe und

geherrfcht hat, vielleicht erwarten könnte. Das hängt
damit zufammen, daß der Verf. die proteftantifche Lite-

der Familie ftellt ihn zu den fozialwirkfamen Perfönlich- ratur doch nur fehr fporadifch berückfichtigt. Er fchreibt

keiten.

Mit diefen wenigen, das foziale Gebiet berührenden
Äußerungen ift das Buch des Verf. keineswegs erfchöpft.
Vielmehr zeichnet er jedesmal die ganze Prophetengeftalt

ihr augenfeheinlich nicht einen folchen Wert zu, daß er
in einem für katholifche Lefer beftimmten Lehrbuch
eine eingehendere Berückfichtigung für erforderlich und
zweckmäßig erachtete. Dadurch unterfcheidet fich fein

rafch und ficher, um den fozialen Zug, den fie trägt, aus j Werk namentlich von der in mancher Hinficht verwandten
dem Ganzen zu erklären und in das Ganze zu fügen. .Einleitung in das Neue Teftament' von Trenkle (1897).
Überall merkt man, daß der Verf. fich jahrzehntelang Während Trenkle z. B. in einem befonderen Abfchnitt
mit diefen Männern' befchäftigte und nun was ihm reif (S. 123—135) über ,die fynoptifche Frage' orientiert, wid

geworden ift uns bietet in einer kunftvollen, manchmal
faft zu fchwer gefchmückten Form. Da finden fich treff-

met Kaulen ,diefen willkürlichen Hypotheken' nur zwei
Seiten (S. II —13). Ähnlich ift der Unterfchied auch

liehe Schilderungen und Bemerkungen, Schilderungen fonft. Kaulen ift eben Traditionalift ftrengfter Obfervanz.
der verfchiedenen Zeitlagen, Vergleiche damaliger Zeit- i Was auf diefem Standpunkte im Rahmen eines knappen
verhältniffe mit denen ähnlicher Epochen, feinfinniges, J Lehrbuches geleiftet werden kann, ift hier in fehr aner-
zuweilen überrafchend neues Verftändnis einzelner Stellen. | kennenswerter Weife geleiftet. Überall wird forgfältig
Mit Recht betont er, daß die Zeit, in der die Propheten die Tradition dargeftellt (unter reichlicher Erwähnung
auftraten, und die mit ihrer öffentlichen Geiftesfreiheit , patriftifcher Stellen), dann gezeigt, wie diefelbe durch
Raum gab für die prophetifche Beredfamkeit, gewiß nicht alle inneren Gründe geftützt wird, und endlich die ab-
fo düfter war, wie die Prophetenfchriften felbft fie erfcheinen weichenden Meinungen kurz abgetan. Kaulen vertritt
laffen; vollen Nachdruck legt er trotz der fchriftftelleri- j daher auch folche Traditionen, zu deren Rettung andere

katholifche Theologen fich nicht mehr verpflichtet fühlen.
Markus z. B. ,ward der Bifchof von Alexandrien und
blieb in diefer Stellung, bis er 62 fich in Anianus einen

leben Wirkfamkeit auf die Perfönlichkeit des Propheten
felbft, diefer felbft ift das göttliche Geheimnis, noch mehr
als feine wunderbaren Ausfagen, diefer felbft ift das foziale
Salz feiner Zeit gewefen noch mehr als feine Predigt. Nachfolger weihen konnte Euf. H. R. II, 24. Dann kehrte
Naturgemäß bleibt manches hypothetifch; manches | er nach Rom zurück, von wo der hl. Petrus einen Gruß

von ihm an die kleinafiatifchen Gemeinden fchrieb . . .
Nach Kleinafien begab er fich von neuem vermutlich
beim Ausbruch der Neronifchen Verfolgung . . . Was

hängt an der konfervativen Haltung des Verfaffers, der
Hiob fo weit heraufrückt, Jef. 40—66 als Ganzes nimmt, die
heilsefchatologifchen Ausfagen des Jefaiabuches und der

andern Prophetenfchriften für authentifch hält und dergl, weiter von Markus erzählt wird, gehört der Legende an;
manches fleht und fällt mit der Erklärung der einzelnen | ficher erfcheint nur, daß er fich wieder nach Alexandrien
Stellen. Mitunter ift faft zu feinfinnig exegefiert und einer begab und dort den Martertod erlitt, indem er vom
Stelle zu viel Tragkraft beigemeffen. Auch vermag ich j Pöbel in der vor dem Tore liegenden Katakombe
z. B. nicht, die chesed des Hofea mit der Bruderliebe der 1 während des Gottesdienftes ergriffen und an Stricken zu
chriftlichen Urgemeinde oder den Grimm Michas über ; Tode gefchleift wurde' (S. 42). — ,Petrus hat im Jahre 42
Jerufalem mit dem modernen Stadtproblem zufammen- < die römifche Kirche geftiftet und deren Gründung im

zuftellen. Dem Hammurabigefetz möchte ich mehr gött
liehe Urheberfchaft zufchreiben, als der Verf. es tut. Äber
die Ausftellungen find überall Kleinigkeiten. Vielmehr
gibt die Brofchüre eine wefentliche Bereicherung; fowohl

Jahre 67 mit feinem Blute befiegelt. Innerhalb diefer
25 Jahre war er faktifch der eigentliche Bifchof der
Kirche zu Rom, obwohl er auch hier nicht fortwährend
als refidierend zu denken ift' (S. 229).

die fozialen Gedanken der Propheten als vor allem die Wer fich darüber unterrichten will, welche Refultate

Propheten felbft find licht und groß und mit felbftändiger ; von diefem Standpunkte aus fich für die Einzelfracren
Kraft gefchildert; man lieft mit großem Intereffe, wie [ der neuteftamentlichen Einleitung ergeben, findet hier

zuverläffige Belehrung.

Göttingen. E. Schürer.

die Propheten lebendig und mannigfaltig die allgemeinfiVn
Grundformen des fozialen Zufammenlebens, der fozialen
Ethik, erfaßten und behandelten, wenn auch die fozialen
Einzelfragen, insbefondere die fozialen Einzelfragen
unfererTage abfeits von ihrem Wege lagen. Man fpürt j neinnci, D. C. F. Georg, Beitrage zur Gerchichte und Er-
in allem, daß der Verf., als er jene Vergangenheit be- klärung des Neuen Teftamentes. III. 1. Die Bergpredigt
trachtete, fich auf die Höhe des zeitlofen religiöfen Urteils j (Matth. 5—7. Luk. 6, 20—49) begriffsgefchichtlich
ftellte und dabei durch ein warmes Empfinden mit dem 1 unterfucht. 2. Aus der Hinterlaffenfchaft des Petrus

fozialen Ringen einer heutigen Weltftadt verbunden war.
Leonberg. Volz.

Kaulen, Dr. Franz, Einleitung in die Heilige Schrift Alten
und Neuen Teltaments. Dritter Teil, Fünfte, verbefferte
Auflage. (Theologifche Bibliothek.) Freiburg i. B.,
Herder 1905. (VI, 271 S.) gr. 8° M. 3.30

Die erfte Auflage von Kaulens Einleitung in die
heilige Schrift trägt die Jahreszahl 1876. Sie ift aber
tatfächlich erft 1886 zum Abfchluß gekommen. In einem
Bande von 599 Seiten behandelte fie zunächft die Kanonsund
Textgelchichte für das Alte und Neue Teftament
zugleich, dann die befondere Einleitung in das Alte und
in das Neue Teftament, jede für fich. Jetzt liegt der
dritte Teil, die befondere Einleitung in das Neue
Teftament, in 5. Aufl. vor. Sie umfaßt 271 Seiten
gegen 226 Seiten der 1. Aufl. (S. 371—596). Der Umfang
ift alfo nicht in dem Maße gewachfen, als man es
nach der regen Tätigkeit, welche auf diefem Gebiete

von Laodicea. Leipzig, Dürrfche Buchhandlung 1905.
(III, 120 S.) gr. 8° M. 3 —

Die als erfte Hälfte des Werks über die Bergpredigt
1900 erfchienene .quellenkritifche Unterfuchung' hatte zu
dem Refultate geführt, daß die Rede aus Einzelfprüchen
und Spruchgruppen gebildet fei und ihre beiden Faffungen
als durchaus felbftändige, unabhängig von einander ge-
ftaltete Verfuche der Wiederherftellung einer grundlegenden
Lehrrede Jefu gelten dürfen, wobei die Überlieferung
des Matthäus im ganzen urfprünglicher fein follte als die
des Lukas (doch vgl. auch in diefer 2. Hälfte entgegengefetzte
Beurteilung einzelner Fälle S. 18. 35. 66. 72. 74).
Mehr Beifall als jene der literarifchen Kritik geltende Einleitung
wird es fchon finden, wenn der Verf. hier zugefteht,
daß in der Faffung mancher Sätze nicht allein Gedanken
Jefu, fondern auch Miffionserfahrungen der Jünger zum
Ausdruck kommen (S. 2. 95), daß überhaupt Gedächtnis
und Überlegung bei der Redaktion zufammengewirkt
haben, und manche Spuren auf fchulmäßige Durcharbeitung
und Gruppierung weifen. Auch dies ein Grund,